Sophie hatte noch mit ihm herumgekaspert und Fußball gespielt - mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Fünf Tage später war sie tot. Für ihre Familie ein unvorstellbarer Verlust - ebenso wie für James Maddison, ihren besten Kumpel.
Sophie litt an einem bösartigen Knochentumor. Ein Jahr nach ihrer Diagnose starb sie im Alter von fünf Jahren im Januar 2019. Sie hatte lange gegen ihr bitteres Schicksal angekämpft, überstand wochenlange Chemotherapien, ihr wurde gar ein Teil ihres Beins abgenommen. Sophie verlor ihren Kampf, doch gewann das Herz eines Fußballers.
"Soph ist die stärkste und tapferste Person, die ich kenne", schrieb Maddison über seinen "kleinen Superstar". Im April 2018 lernte er Sophie kennen. Sie war Einlaufkind bei Maddisons Ex-Klub Norwich City. Die beiden blieben über ihre Familie in Kontakt, es entstand eine Freundschaft.
Eine Freundschaft, die noch immer anhält - auch fünf Monate nach Sophies Tod. Bei der U21-EM trägt Maddison Schuhe mit Sophies Foto darauf. Sie soll ihm zusätzliche Kraft geben.
James Maddison - der Mufasa unter den Young Lions
Sophie begleitete Maddisons steile Entwicklung oft aus nächster Nähe. Sie trug das Trikot von Norwich City, sie trug das Trikot von Leicester. Die Gegner wurden stärker, Maddison wurde stärker.
Im vergangenen Sommer wechselte er für rund 25 Millionen Euro zu den Foxes. Er hatte bis dahin noch keine Sekunde in der Premier League gespielt. PL-Debüt gegen Manchester United. Im Old Trafford. "Er war so beeindruckend. Es war sein erster Auftritt in der Premier League, aber er sah so selbstbewusst und cool aus", sagt England-Experte Mark Doyle von Goal UK.
Maddison schlug sofort ein. Seine Spielpraxis in der sehr physischen schottischen Liga sowie seine Auftritte in der zweiten englischen Spielklasse machten sich bezahlt. Maddison hat schon über 150 Profispiele auf dem Buckel. Sein Debüt feierte er mit 17 Jahren bei Coventry City.
Bei den Young Lions zählt er deshalb schon eher zur Kategorie Mufasa. "Ich schaue mich beim Mittagessen um und denke, dass ich und Demarai Gray die alten Männer hier sind", scherzte er im Gespräch mit Sky Sport News.
James Maddison im Steckbrief
geboren | 23. November 1996 in Coventry, England |
Größe | 1,75 m |
Gewicht | 73 kg |
Position | Offensives Mittelfeld, Zentrales Mittelfeld |
starker Fuß | rechts |
Stationen | Coventry Jugend, Coventry City, Aberdeen FC, Norwich City, Leicester City |
Premier-League-Spiele/-Tore | 36/7 |
James Maddison ist "ein Spezialist für den tödlichen Pass"
Das englische Team profitiert jedoch nicht nur von Maddisons Erfahrung. Er bringt das gewisse Etwas mit, das der A-Elf im WM-Halbfinale gegen Kroatien vielleicht fehlte: Kreativität. "Er ist klug, innovativ, hat eine großartige Übersicht und ist ein Spezialist für den tödlichen Pass", sagt Doyle.
Stolze 100 dieser tödlichen Pässe spielte Maddison in der abgelaufenen Premier-League-Saison. Kein Spieler der Liga kreierte mehr Chancen als er - noch nicht einmal Eden Hazard. Dabei spielt Maddison seit der Ankunft von Trainer Brendan Rodgers bei den Foxes deutlich defensiver.
Der ehemalige Liverpool-Trainer zog den Youngster von der Zehn auf die Acht zurück. "Das ist etwas, woran sich Maddison gewöhnen musste. Aber er genießt es. Rodgers liebt ihn und sagt, Maddison sei ein sehr fleißiger Arbeiter", erklärt Doyle.
Der beste Nachwuchsspieler außerhalb der Top-Six
Doch auch die etwas veränderte Rolle liegt Maddison. Er teilt sich seine Energie besser ein, verleiht dem Team mehr Stabilität und ist häufiger am Ball - im Schnitt hat er nun 15 Ballkontakte mehr. Seine Torgefahr hat er zudem nicht verloren.
"Ich sehe kaum Schwächen in seinem Spiel. Er muss natürlich noch wachsen, aber er ist ein so vielversprechender Spieler", sagt Doyle: "Der beste Nachwuchsspieler außerhalb der Top-Six."
Für Doyle ist es nur eine Frage der Zeit, bis Maddison nicht mehr außerhalb der Top-Six spielt. Bisher zog der 22-Jährige Spielpraxis einem schillernden Klubnamen vor, der Dele-Alli-Karriereweg. Auch Alli hatte schon drei Spielzeiten bei MK Dons in der 3. Liga hinter sich, ehe er zu Tottenham Hotspur wechselte. Die Erfahrung ermöglichte Maddison die perfekte Debütsaison im Oberhaus.
James Maddison: Gerüchte "sind Komplimente"
Doyle glaubt an einen Verbleib des Shootingstars in Leicester - zumindest noch für die kommende Saison. Angeblich hängt mittlerweile ein 60-Millionen Euro-Preisschild an Maddison. Er hätte seinen Marktwert innerhalb eines Jahres fast verdreifacht.
Gerüchte um seine Person beeindrucken ihn nur wenig. United? Spurs? Arsenal? "Als 17-jähriger Junge stand ich fünf Spiele in Folge für Coventry in der Startelf und ich sah auf meinem Handy, dass ich mit Tottenham und Liverpool in Verbindung gebracht wurde. Das sind Komplimente, aber mehr auch nicht", sagte Maddison.
Er gibt nicht so viel auf das Business, Maddison ist Fußball-Purist mit sozialem Verantwortungsgefühl. Die menschliche Seite ist ihm wichtig, das kommt auch in England gut an. Maddison schießt eben nicht nur Tore für seine Karriere oder seinen Marktwert. Er schießt Tore für sein Team, sein Land und besonders für seine beste Freundin, seinen kleinen Superstar.