"Willkür, Macht, Bosheit und Erfolg"

Von Daniel Reimann
Jose Mourinho war von 2010 bis 2013 Trainer von Real Madrid
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SPOX: Mourinho hat viel verändert bei Real Madrid. Wie bewerten Sie das Erbe, das er hinterlassen hat?

Torres: Es ist ein sehr komplexes Erbe. Mourinho hat kaum Gestalterisches beigetragen, in keinerlei Hinsicht. Er hat insofern ein Erbe hinterlassen, als dass er Perez und einige dessen Mitarbeiter überzeugt hat, dass Propaganda genauso wichtig ist wie das Sportliche. Dass man sich damit genauso intensiv befassen muss wie mit dem Aufbau eines konkurrenzfähigen Teams. Das ist Mourinhos Erbe. Ein Erbe, das manchen Leuten, die nicht verstehen, wie Real Madrid funktioniert, merkwürdig erscheint.

SPOX: Was meinen Sie damit?

Torres: Ich meine, dass Perez nicht nur Präsident ist, er ist Politiker. Er will nicht nur Titel und Ruhm für Real, sondern er will einen Mythos um seine eigene Person errichten. Eine glorreiche Erzählung über seine Persönlichkeit als historischer Volksheld von Madrid. Gleichzeitig will er die Rückendeckung der Mitglieder für sich gewinnen, um seinen Sitz im Bernabeu zu bewahren. Das Bernabeu ist nicht nur ein Fußballstadion. Es ist ein Ort, an dem viele Geschäfte gemacht werden.

SPOX: Wer ist Teil dieser Geschäfte?

Torres: Sie müssen bedenken, dass im Bernabeu quasi alle spanischen Firmen zusammenkommen. Dazu sind Politiker, Gewerkschaften, Bänker und internationale Unternehmen anwesend. Jedes wichtige Unternehmen, das in Spanien agiert, hat eine Loge im Bernabeu. Zum Beispiel Audi, Visa oder Coca-Cola. Alle Bosse dieser Firmen kommen ins Bernabeu, wo sie die Politiker und Verbandsvertreter treffen. Dort entstehen Verbindungen und Beziehungen, die in Geschäfte münden, also in Geld. Das ist einzigartig in Spanien! Es gibt keinen anderen Ort, wo so viele einflussreiche Leute aus verschiedenen Sektoren zusammenkommen, die so viel Macht und Geld besitzen.

SPOX: Welche Rolle spielt Perez dabei?

Torres: Durch all das wird Perez zum Zeremonienmeister des größten Treffens von Politikern und Unternehmen in ganz Spanien und einem der wichtigsten der Welt. Zu jedem wichtigen Spiel im Bernabeu, zum Beispiel einem Champions-League-Halbfinale oder einem Clasico, kommen wichtige Leute aus aller Welt. Die spanische Königsfamilie ist anwesend, Diplomaten, manchmal chinesische oder russische Regierungsvertreter. Als internationales Unternehmen bist du scharf darauf, mit der chinesischen Regierung zu sprechen. Du willst Beziehungen schaffen und das ist im Bernabeu möglich. Wenn Perez dich einlädt. Das bedeutet für Perez: Viel Einfluss, viel Macht und viel Geld.

SPOX: Das ist Perez also wichtiger als der sportliche Erfolg mit Madrid?

Torres: Für mich ist es der zentrale Grund, weshalb Perez bei Madrid bleiben will. Deshalb fokussiert sich die Klubführung um Perez auch nicht nur auf den Aufbau eines großartigen Fußballteams, also auf die Sportpolitik, sondern vor allem auf die Kommunikationspolitik, die Propaganda. Sie dient dazu, Perez vor den Mitgliedern zu glorifizieren, damit er in dieser Position weitermachen kann. Und deshalb war Mourinho enorm wichtig.

SPOX: In der letzten Saison unter Mourinho holte Madrid nicht einen Titel. Dafür holte Perez Gareth Bale für rund 100 Millionen Euro. War das eine Art Trostpflaster an die Fans?

Torres: 100 Millionen für einen Spieler wie Bale auszugeben, ist ein Akt der Verzweiflung. Nach der letzten Saison unter Mourinho hat Madrid Prestige verloren und das Bild in der Öffentlichkeit war angekratzt. Perez wollte einen Effekt erzeugen, er wollte für einen öffentlichkeitswirksamen Knall sorgen. Deshalb entschied er sich, 100 Millionen auszugeben, um Bale zu holen. Das ist nicht rational. Denn faktisch kostet Bale keine 100 Millionen. Jeder Fußballer hat einen Marktwert. Dieser hängt von seinen technischen Fähigkeiten und von seiner Leistung ab. Natürlich überschreiten Vereine manchmal diesen Marktwert. Ein Spieler wie Bale kostet womöglich 50 Millionen, maximal 60. In seinem Fall wurde ein Mehrpreis von 40-50 Millionen gezahlt, der höchste in der Fußballgeschichte! In genau diesem Mehrpreis äußert sich die Verzweiflung.

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