Jose Mourinho ist mal so, mal so. Das bekommen nicht nur seine Spieler, sondern besonders die Pressevertreter in aller Regelmäßigkeit zu spüren.
Generell meint es "The Special One" gut mit seinen Schützlingen. Besonders Jugendspieler lobt er gerne über den grünen Klee, obwohl er sie im Grunde nie einsetzt.
Das durfte auch Dominic Ayodele Solanke-Mitchell erfahren, der es Mourinho schon vor drei Jahren angetan hatte. Da war der Portugiese gerade auf Meisterschaftskurs mit dem FC Chelsea und der 16-jährige Solanke die Tormaschine in der hauseigenen U18. Er nehme jede Schuld auf sich, versprach Mourinho, wenn Solanke nicht eines Tages die Herzen der Three Lions höher schlagen lasse.
20 Minuten und 41 Hütten
Mit der Empfehlung von 20 Toren in 25 Einsätzen beförderte Mourinho den jungen Angreifer 2014 zu den Profis, zumindest trainieren sollte er mit der ersten Mannschaft. Doch bis auf 20 Minuten in der Champions League gegen Maribor, die ihn immerhin zum jüngsten Königsklassen-Debütanten der Blues-Historie machten, war Solanke nicht weiter gefragt. Hinter Diego Costa war die Warteschlange zu lang.
Also folgte der logische Schritt zurück ins Nachwuchsteam, für das Solanke die im Vorjahr aufgelegten Werte nochmal pulverisierte. Seine Rolle im Team von Trainer Adi Viveash war recht einfach formuliert: Warten und treffen. Als alleinige Spitze sollte Solanke gefüttert werden, seine 1,85 Meter richtig einsetzen, den Ball behaupten und abschließen. Und Solanke, inzwischen fast 18, erledigte seinen Job. Am Ende der Spielzeit standen 41 Treffer auf seinem Konto, zwölf davon führten Chelsea zum Youth-League-Titel.
"Ich hatte das Glück, dass ich mit vielen talentierten Spielern arbeiten durfte", erinnerte sich sein damaliger Jugendtrainer Viveash bei Sky Sports. "Aber Dominic ist an der Spitze der Liste. Er ist ein außergewöhnlicher Fußballer. Er ist intelligent und bewegt sich großartig. Ich möchte nicht respektlos erscheinen, aber er erinnert mich an Teddy Sheringham, nur schneller."
England statt Nigeria - Southgate wird's freuen
Währenddessen nahm auch die Karriere im Nationaldress der Nachwuchsteams Fahrt auf, wo die Wahl trotz nigerianischer Wurzeln auf England fiel. Vor dem ersten Einsatz für die A-Auswahl könnte sich Solanke theoretisch immer noch für die Super Eagles entscheiden. Ob England-Coach Gareth Southgate das begrüßen würde, ist aufgrund der auch in der Nationalelf beeindruckenden Zahlen Solankes fraglich. Ab der U16 aufwärts drückte der in Basingstoke geborene Angreifer dem Spiel stets seinen Stempel auf.
Doch bei den Chelsea-Profis war immer noch kein Platz. Eine einjährige Leihe zum inoffiziellen Farmteam Vitesse Arnheim im Sommer 2015 sollte den vor ihm liegenden Schritt in die Premier League erleichtern. Wirklich neu war die Umgebung etwa 25 Minuten vor der deutschen Grenze aber nicht wirklich. Gemeinsam mit vier anderen Chelsea-Nachwuchstalenten suchte Solanke in der Eredivisie sein Glück und fand es in Maßen, sieben Treffer markierte er in 25 Einsätzen.
Zurück in London setzte es im Spätsommer 2016 den ersten großen Rückschlag. Der Verein wollte den Vertrag mit seinem Talent verlängern, doch nach übereinstimmenden Medienberichten soll Solanke fast 60.000 Euro in der Woche gefordert haben. Chelseas Verantwortliche legten weitere Gespräche fortan auf Eis und Neu-Coach Antonio Conte plante erstmal nicht mehr mit Solanke.
Vertrag aussitzen und auf Klopp warten
Eine erneute Leihe scheiterte am Saisonende auslaufenden Vertrag des Youngsters, der ohne eine Verlängerung seine Zeit auf der Tribüne oder in der Reserve absitzen sollte. Lediglich 373 Minuten kam Solanke im ganzen Jahr für die Reserve zum Einsatz, durfte sich schließlich dennoch über ein Ticket für die U20-WM in Südkorea freuen.
Im Vorlauf des Turniers erhielt Solanke gleich die nächste gute Nachricht. Der FC Liverpool und Jürgen Klopp konnten seine Forderungen offenbar erfüllen, denn mit den Reds verständigte er sich auf einen ablösefreien Wechsel zur kommenden Saison.
"Wenn Liverpool-Fans ihn da noch nicht kannten", erzählte Klub-Kapitän James Milner erst neulich bei der Akademie-Eröffnung in Utah, "jetzt kennen sie ihn." Gemeint hatte Klopps Nummer sieben die beeindruckenden Darbietungen Solankes in Ostasien, die nicht nur im ersten U-Weltmeistertitel für England, sondern auch in der Auszeichnung zum besten Spieler des Turniers mündeten.
Die mittelschwere und unvermeidbare Last
Damit tritt Solanke in die Fußstapfen keiner geringeren Größen als Lionel Messi (2005) oder Diego Maradona (1979). Sein Ausrüster Adidas gratulierte mit einem deutlichen Statement via Twitter. "World Champion. Golden Ball winner. Remember the name: Dom Solanke. #HereToCreate"
Und kreiert hat Solanke tatsächlich. Denn seine Rolle im Team von Trainer Paul Simpson hat sich gegenüber der in der Chelsea-Akademie abgewandelt. Weg von der klassischen Nummer neun und Abschlussstürmer, agierte Solanke für England eigentlich ausschließlich als hängende Spitze und Bindeglied zwischen Mittelfeld und Angriff. Förderlich war das aufgrund seiner robusten und körperbetonten Spielweise nicht nur für seine Mitspieler, Solanke selbst profitierte so auch mehr von seinem Distanzschuss.
Besonders begrüßen werden sie an der Merseyside seine Arbeiter-Mentalität auf dem Feld. Solanke ackert und lässt die gegnerische Abwehrreihe nicht durchschnaufen. In der Arbeiterstadt Liverpool ein gern gesehenes Attribut.
Das erste kleine Ausrufezeichen
In dem von Medien heiß erwarteten Transfersommer der Reds, in dem Klopp angeblich für bis zu 250 Millionen Euro shoppen gehen darf, ging der Transfer des Golden Boys noch ziemlich ruhig über die Bühne. Lediglich um die Höhe der Ausbildungsentschädigung wird derzeit noch gestritten, denn für Akteure unter 24 aus dem eigenen Nachwuchs steht den Vereinen eine solche traditionell zu.
Eigentlich hatten sich Liverpool und Chelsea auf rund drei Millionen Euro geeinigt, nach der WM jedoch haben die Blues nochmal umgedacht und fordern nun über elf Millionen. Scheitern wird der Transfer daran nicht mehr. Solanke jedenfalls ist Liverpools erstes kleines Ausrufezeichen.