Es ließ sich nichts machen: Der Polizist schüttelte immer wieder vehement den Kopf, zuckte mit den Schultern, er blieb einfach stur und beendete somit eine kurzfristig geschlossene Freundschaft abrupt. "Das ist wohl die härteste Tür Spaniens", klagte der Frankfurter noch, ehe er eben alleine weiterzog. Arm in Arm war er mit einem Rangers-Anhänger zur Eintracht-Fanzone spaziert, mit hineinnehmen durfte er ihn aber nicht.
Eine kleine Episode, die das Ambiente am Finaltag der Europa League in Sevilla ganz wunderbar zusammenfasste: Die beiden Fanlager verbrüderten sich, die Ordnungshüter gaben dagegen zu oft den Spielverderber. Im Unterschied zu anderen Vorgehen im Laufe des Tages leuchtete diese Zutritts-Verweigerung rational gesehen immerhin noch ein, Gefahr gedroht hätte dem Rangers-Anhänger in der Frankfurter Fanzone aber wohl kaum.
Lauschte man dort nämlich hessischen Gesprächen über die Schotten, hörte man nichts als Bewunderung. Endlich gegnerische Fans auf Augenhöhe! "Sie meinten zu uns: 'Wir finden euch geil'", zitierte ein Frankfurter aus einem Austausch mit Rangers-Anhängern. "Und dann meinten wir: 'Wir finden euch auch geil.'" So einfach, so schön. Fußball.
An diesem heißen Mai-Mittwoch in Sevilla bekam man den Eindruck, dass die Fans beider Klubs ihr Glück gar nicht fassen konnten, bei dieser Veranstaltung überhaupt dabei sein zu dürfen. Sie berauschten sich aneinander und an den historischen Ausmaßen des Spiels. Das von Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann angekündigte "einzigartige Treffen der lautstärksten und sangeskräftigsten Fans Europas" erfüllte alle Erwartungen.
Europa-League-Finale: Zwei Auseinandersetzungen im Vorfeld
Einzige Ausnahme der Feststimmung waren zwei kleine Auseinandersetzungen im Vorfeld: Eine in der Nacht vor dem Spiel samt Verhaftung von fünf Eintracht-Fans, eine im Zuge des Frankfurter Fanmarschs zum Stadion. Jegliche Probleme sind bei solchen Menschenmassen mit wenig Platz und viel Alkohol wohl generell kaum zu verhindern, großen Widerhall fanden die Vorfälle vor Ort übrigens nicht.
Ein von SPOX und GOAL im Anschluss an das Spiel dazu befragter Eintracht-Sprecher wusste über die Auseinandersetzungen nicht einmal Bescheid, bei den Anhängern beider Fanlager stellte sich die Lage identisch dar. Unisono lobten sie lieber ihre Gegenüber: nette Leute, super Stimmung. So wie wir halt.
Frankfurt gegen Rangers: Die Stille nach dem Spiel
Auch dass Frankfurt im dramatischen Elfmeterschießen den Titel gewann, änderte nichts an der friedlichen Atmosphäre in Sevilla. Nach diesem so herrlich heißen Tag und dem so langen, so nervenaufreibenden Duell waren die einen zu erschöpft zum Feiern, die anderen zu müde zum Trauern. Bei der Frankfurter Fanzone wurde um zwei Uhr nachts nicht mehr gesungen oder getanzt, auf dem Programm standen gemütliche Siegerbiere.
In der malerischen Altstadt hatten unterdessen alle Bars per Verordnung geschlossen, zu trinken gab es gar nichts mehr. Stattdessen schlenderten hier Anhänger beider Klubs ausgelaugt Richtung Unterkunft. Viele unterhielten sich miteinander, zum Beispiel über ihre kuriosen An- und Abfahrtswege. Wegen mangelnder Direktverbindungen und horrenden Preisen brauchte es schließlich kreative Wege, um nach Sevilla zu kommen: Frankfurter reisten beispielsweise über Mallorca an, Schotten über Marokko und dann mit der Fähre weiter nach Andalusien.
Bevor sich die beiden Fangruppen wenige Stunden später auf teils beschwerlichen Wegen zurück in ihre jeweilige Heimat begaben, herrschte eine fast schon gespenstische Stille in der nächtlichen Stadt. Vielleicht wirkte es aber auch nur deshalb so still, weil es hier vorher stundenlang so laut war.
Rangers-Fans in der Stadt deutlich in der Überzahl
Ab der Mittagszeit hatte sich Sevilla zunehmend zum Tollhaus entwickelt. Einem Tollhaus aber mit deutlich mehr blauen Bewohnern. Ja gut, innen drin waren fast alle blau. Die überwiegende Mehrheit zeigte die Farbe aber auch via Trikot. 70.000 Rangers und 50.000 Frankfurter waren erwartet worden, tatsächlich betrug das Verhältnis aber wohl eher 2:1.
Das Stadtzentrum hatten die Rangers-Fans am Nachmittag völlig unter Kontrolle. Überall hissten sie ihre Union-Jack-Flaggen, sangen sie ihre in Sachen Lyrics eher einfach gestrickten Lieder und hüpften in der Gegend umher.
Ein Schotte tat das sogar gemeinsam mit Frankfurtern, die ihm beigebracht hatten: "Wer nicht hüpft, ist Offenbacher! Hey! Hey!" Ob er den Inhalt verstanden hat? Egal, er hüpfte mit und folgte somit nur ordnungsgemäß den Anweisungen des Liedes. Aus Offenbach war er ja offensichtlich nicht.
Frankfurter Fanzone: Baden und tanzen
Während sich die Schotten im Stadtzentrum und bei ihrem Public Viewing im Estadio La Cartuja im Norden der Stadt versammelten, pilgerten die Frankfurter Richtung Südosten zum Park Prado San Sebastian. Hier befand sich die Eintracht-Fanzone, wo abends auch das Spiel übertragen wurde.
Schon ab 13 Uhr herrschte auf der Anlage allerfeinste Festival-Atmosphäre: 35 Grad Celsius verwandelten Brunnen in Schwimmbecken, gebadet und getanzt wurde zu Hip-Hop-Klängen von Celo & Abdi. Bier floss überall, sogar auf der Bühne, wo Frankfurt-Präsident Peter Fischer während seiner Rede ein Dosenbier zugeworfen bekam. Statt wie von den Fans lautstark gefordert exte er es nicht, zugetraut hätte man es ihm aber durchaus.
Erst bei einer Gala-Veranstaltung abends zuvor hatte Fischer schließlich betont, unbedingt "aus diesem Pokal saufen" zu wollen: Und der ausgewachsene Europa-League-Pott hat schließlich ein größeres Fassungsvermögen als die in Spanien üblichen 0,33er-Dosen.