Paco Alcacer musste sich nicht lange eingewöhnen, als er im Sommer 2018 auf Leihbasis vom FC Barcelona zu Borussia Dortmund kam. In seinen ersten vier Kurzeinsätzen, in lediglich 126 Spielminuten brachte der Spanier das Kunstwerk zustande, beeindruckende sieben Bundesliga-Treffer für seinen neuen Arbeitgeber beizusteuern und damit einen neuen Rekord in Deutschlands höchster Spielklasse aufzustellen.
Die Bestmarke von Gert "Charly" Dörfel, der in der Premierensaison 1963/64 in 565 Minuten neun Tore erzielt hatte, pulverisierte "El Matador", wie er liebevoll von Teamkollege Axel Witsel genannt wurde, nach gerade einmal 237 Minuten.
Alles deutete darauf hin, als hätte der BVB in Alcacer den verlässlichen Knipser gefunden, der seit Robert Lewandowskis Abgang vier Jahre zuvor so händeringend von der Führungsetage gesucht worden war.
Zwar büßte Alcacer im weiteren Saisonverlauf etwas von seiner Kaltschnäuzigkeit ein, mit einer Großchancenauswertung von 62 Prozent bei 21 Möglichkeiten (Quelle: Opta) ließ er beispielsweise den späteren Torschützenkönig Lewandowski (37,25 Prozent bei 51 Großchancen) in dieser Disziplin aber weit hinter sich. Am Ende der Spielzeit standen 18 Bundesligatore in 1201 Minuten zu Buche, Lewy knipste 22-Mal, kam aber auf 2958 Einsatzminuten.
Alcacer vor zweiter BVB-Saison: Bankplatz? "Mag ich nicht"
Dass Dortmund von der Kaufoption über 21 Millionen Euro Gebrauch machte, schien bei Alcacers Treffsicherheit nur logisch, dass der Angreifer - auch verletzungsbedingt - nur vier Ligaspiele über die volle Distanz absolviert hatte, wurde seinerzeit nur am Rande thematisiert.
"Ich mag es nicht, auf der Bank zu sitzen, da ich eine sehr ehrgeizige Person bin", ließ Alcacer im Vorfeld der Spielzeit 19/20 via Sky verlauten und übte damit unterschwellig Kritik an Trainer Lucien Favre, der den Nationalspieler mehr als Edeljoker denn als Startelfkandidaten verstand. Vielleicht auch aufgrund mangelnder Physis, war Alcacer doch als Dauerreservist von den Blaugrana ins Ruhrgebiet gekommen.
"Ich habe fast zwei Jahre keine drei Spiele am Stück gemacht. Das war schwer für meinen Körper, er musste sich erst wieder an die Belastung gewöhnen. Ich war immer wieder angeschlagen", verriet Alcacer im Juli 2019 bei Sky und schwor, in der Vorbereitung "unglaublich viel gearbeitet" zu haben, um endlich fitter zu werden.
"Ich bin ein fröhlicher, witziger Mensch, aber wenn ich auf der Bank sitze, mag ich nichts mehr, dann bin ich ein komplizierter Typ", erklärte er damals weiter.
Verletzung und Haaland läuten Alcacers Ende beim BVB ein
Worte, die bei Favre offenbar Eindruck hinterließen, in den ersten fünf Bundesligaspielen setzte der Schweizer von Beginn an auf seinen Torgaranten, der das Vertrauen gleich mit fünf Toren zurückzahlte, zuvor hatte er mit einem Treffer im Supercup gegen den FC Bayern dazu beigetragen, dass die Schwarz-Gelben den ersten Titel der Saison einheimsten.
Die Wogen schienen geglättet, bis sich Alcacer am sechsten Spieltag eine Achillessehnenverletzung zuzog, die rückblickend betrachtet das Ende seiner Schaffenszeit in Dortmund einläutete. Alcacer fand im Anschluss nicht mehr in die Spur, wurde nur noch sporadisch berücksichtigt.
Im Winter 2020 holte die Borussia in Erling Haaland einen jungen, vielversprechenden Konkurrenten, was Alcacer dazu veranlasste, noch im gleichen Transferfenster das Weite zu suchen.
Der FC Villarreal sicherte sich die Dienste und überwies im Gegenzug 23 Millionen Euro in die Ruhrmetropole. Während Haaland sich anschickte, einen beinahe noch fulminanteren Start beim BVB hinzulegen als Alcacer anderthalb Jahre zuvor, akklimatisierte sich der Iberer in seiner Heimat prompt - und bewies erneut, dass er in puncto schnellstmöglicher Anpassung ein Vollprofi ist.
Nach BVB-Abschied: Alcacers Superdebüt in Villarreal
Bei seinem Debüt für das Gelbe U-Boot gelang Alcacer gegen Osasuna kurz vor der Pause das 1:0, spätere holte er den entscheidenden Elfmeter zum 3:1 Endstand heraus. Viermal in 13 Begegnungen netzte er insgesamt, in der darauffolgenden, sprich der aktuellen Saison, wurde er seinem Ruf als Super-Starter abermals gerecht, in den ersten elf Pflichtspielen, die er verletzungsfrei bestritt, zeichnete der 27-Jährige neunmal als Torschütze verantwortlich.
"Ihm war es wichtig, dass ihm Vertrauen entgegengebracht wird. In Barcelona hat er kaum gespielt und in Dortmund konnte er sich nie richtig als Stammspieler etablieren", sagt Goal-Redakteur Cesar Hurtado aus Valencia, der Alcacers Werdegang jahrelang verfolgt hat.
Mit Blick auf Alcacers Engagement bei Villarreal und die zunächst erfreuliche Entwicklung, erklärt Hurtado: "Die Atmosphäre eines kleineren Vereins hilft ihm. In Villarreal hat er nicht den Druck, den er beispielsweise in Barcelona oder beim BVB hatte. Auch seine Nähe zu Valencia (Alcacer wuchs in der Region auf, Anm. d. Red.) hilft ihm sicherlich. Sein Niveau ist für Villarreal sehr hoch, deshalb freut sich der Klub, ihn zu haben."
Doch auch in der vermeintlichen Wohlfühloase hat Alcacer seit Ende vergangenen Jahres mit einem altbekannten Problem zu kämpfen: Aufgrund von Achillessehnenproblemen und einer Muskelverletzung verpasste der Mittelstürmer zwölf Pflichtspiele. Seit seiner Rückkehr im Januar lieferte Alcacer lediglich drei weitere Saisontore, mittlerweile steht er im großen Schatten von Sturmpartner Gerard Moreno, der in der laufenden Runde satte 29-Mal traf und elf weitere Tore auflegte.
Ex-BVB-Stürmer Paco Alcacer schießt Villarreal ins EL-Halbfinale
Daran, dass Villarreal unter Europa-League-Spezialist Unai Emery nun im Finale des Wettbewerbs steht und der erste große Titel der Vereinsgeschichte winkt, hat Alcacer trotz seiner Flaute einen gewissen Anteil. Er war es, der mit dem 1:0 im Viertelfinal-Rückspiel gegen Zagreb die Weichen auf Halbfinal-Einzug stellte, ehe die Spanier in der Runde der letzten Vier den englischen Spitzenklub FC Arsenal ausschalteten.
Im Vorfeld des Endspiels, in dem kein geringerer Gegner als Englands Rekordmeister Manchester United auf Villarreal wartet, gehen spanische Medien davon aus, dass Routinier Carlos Bacca, dem vor anderthalb Wochen ein Hattrick gegen seinen Ex-Klub Sevilla geglückt war, neben dem gesetzten Moreno starten darf.
Alcacer wäre also gezwungen, das Geschehen zunächst von der Bank aus zu beobachten. Erfahrung als Joker hat der frühere Dortmunder jedenfalls ausreichend: Mit zwölf Treffern nach Einwechslung hält er den Bundesliga-Rekord für die meisten Jokertore in einer Saison.
Alcacers Spielerstatistiken bei Valencia, Barca, beim BVB und beim FC Villarreal
Verein | Spiele | Tore | Torvorlagen |
FC Valencia | 124 | 43 | 17 |
FC Villarreal | 52 | 16 | 7 |
FC Barcelona | 50 | 15 | 8 |
Borussia Dortmund | 47 | 26 | 4 |
FC Getafe | 23 | 4 | 1 |