Ilkay Gündogan - der zweite Spielmacher
Nach einer bärenstarken Saison bei Premier-League-Champion Manchester City schien Ilkay Gündogan eigentlich dafür prädestiniert, sich früher oder später auch einen Stammplatz unter Joachim Löw zu erspielen. Schließlich bringt er für die Mittelfeldzentrale alles mit, was man braucht: Ballsicherheit, Technik, Übersicht, Zug nach vorn und eine unterschätzte Qualität als Wadenbeißer in der Balleroberung. Wer bei Pep Guardiola unverzichtbar ist, müsste es eigentlich auch bei Löw schaffen, oder?
Doch im DFB-Dress läuft es noch nicht rund für den 27-Jährigen. Als er sich im März gegen Brasilien von Beginn an zeigen konnte, raubten ihm nach gutem Beginn einige Fehler das Selbstvertrauen. Plötzlich war Khedira wieder vorn. Dann kam die Erdogan-Affäre, mit ihr die Pfiffe, und mit ihnen eine durchaus angekratzte Psyche bei Gündogan, wie alle Beteiligten freimütig zugaben.
Gegen Mexiko saß er nur auf der Bank, gegen die Schweden kam er nach einer halben Stunde für den verletzten Rudy ins Spiel. Aber auch hier sollte ihm keine überzeugende Leistung gelingen: Zwar blitzte immer wieder auf, was Gündogan so stark macht - Passspiel, schnelle Kombinationen -, doch gleichzeitig wirkte er gehemmt, spielte nicht frei auf.
Ilkay Gündogan neben Toni Kroos - warum passt es (noch) nicht?
Zudem passte es wieder nicht mit Partner Kroos, es fehlt die Abstimmung: Gündogan positionierte sich oft zu weit vorn, gefährdete damit die defensive Ordnung und ließ das deutsche Spiel so schief wirken. Bei City hat er mit Fernandinho einen Abräumer neben sich, Kroos ist jedoch ein ganz anderer Spielertyp. Umgekehrt schienen sie sich mit Ballbesitz unschlüssig, wer denn jetzt die Spieleröffnung übernehmen sollte.
Man sollte dennoch vorsichtig sein, Gündogan als Sündenbock dafür heranzuziehen, dass es vor seiner Einwechslung gut klappte, danach aber erst einmal nicht mehr. Schweden hatte sich durch die minutenlange Unterzahl Deutschlands bereits Sicherheit in den eigenen Aktionen geholt, als Gündogan kam, und das Gegentor hätte auch ein Sebastian Rudy nicht verhindern können.
Trotzdem ist die Rolle Gündogans im deutschen Spielgefüge noch nicht so richtig greifbar. Das macht es schwer, ihn in der Startformation zu sehen. Dabei könnte es auf dem Papier funktionieren. Nur: Dafür müsste Gündogan sein Spiel umstellen. Er müsste sich an Kroos anpassen, nicht umgekehrt, den lauffreudigen Terrier im Mittelfeld geben, für seinen Partner absichern. Reißt er das Spiel mit Ball an sich, kann Kroos diese Rolle nämlich nicht ausfüllen.
Mit der richtigen Balance könnte Gündogan das Offensivspiel Deutschlands nämlich durchaus bereichern. Stellen zukünftige Gegner Kroos so konsequent zu, wie Mexiko es tat, wäre es ganz schwer für den offensiv limitierten Rudy; auch Khedira hatte seine Schwierigkeiten. Gündogan könnte aus dem resultierenden Platz den größten Nutzen ziehen, seine Stärken kämen voll zum Tragen.
Aber wie gesagt: Das klappt nur mit der richtigen Arbeitsteilung in der Zentrale. Und mit einem Gündogan, der befreit aufspielt. Ob es an Erdogan lag, am Gegner oder an der Tagesform: Gegen Schweden gelang ihm das nur selten. Deshalb scheint er derzeit eher für die Rolle des Jokers prädestiniert, sollte Deutschland im Mittelfeld ein weiteres spielerisches Element benötigen.