Der Angriff
Das Notstandsgebiet, Teil drei. Mario Gomez hat in Florenz quasi die gesamte Vorrunde verpasst, ist erst vor wenigen Tagen wieder auf den Platz zurückgekehrt. Gomez merkt man die lange Pause an, ihm fehlt es noch gewaltig an Spritzigkeit und Timing in den entscheidenden Situationen. Gomez absolvierte in der gesamten WM-Qualifikation keine einzige Minute für die DFB-Auswahl, er fängt bei Löw quasi wieder bei Null an.
Als Gomez' Verletzung im September bekannt wurde, reagierte der Bundestrainer noch gelassen darauf: "Es gibt genügend Alternativen." Die sind im Moment aber auch rar gesät. Miroslav Klose ist ebenso wie Gomez gesetzt - sofern er gesund und zu hundert Prozent fit wird. Für den dann 36-jährigen Klose soll die WM der Abschluss einer langen Karriere werden, der Torrekord von Ronaldo (15 Treffer) ist ein weiteres großes Ziel von Klose (14 Tore).
Dafür muss der Lazio-Star aber über einen längeren Zeitraum auch fit bleiben. Zum Nationalteam reiste er mit einer leichten Reizung der Bauchmuskulatur an, er soll nach dem Ausfall von Pierre-Michel Lasogga aber gegen Chile auflaufen.
In den letzten Monaten plagten ihn immer wieder kleinere Blessuren, Klose ist auch deshalb immer noch auf der Suche nach seiner Form. "Bei einer WM ist man nicht automatisch dabei", sagt Löw. Allerdings hat Klose immer wieder bewiesen, dass er sich rechtzeitig vor und für ein großes Turnier auch in Form bringen kann.
Hinter den beiden klassischen Stoßstürmern bleiben Löw noch andere Alternativen. Die wahrscheinlichste ist Mario Götze. Mittlerweile hat Löw eine Ausrichtung ohne "echte" Spitze bereits mehrfach ausprobiert, mit Götze als Zielspieler vorne drin. Der Bayer ist in guter Verfassung und für die WM definitiv gesetzt. Wo Götze dann eingesetzt wird, hängt auch stark von den Personalien Gomez und Klose ab.
Dahinter lauern Sidney Sam, Max Kruse und vielleicht noch Kevin Volland. Lasogga dürfte auf Grund seines Spielstils allenfalls geringe Chancen haben, wenn sich Gomez oder Klose oder sogar beide abmelden sollten. Sam hat nach einer starken Vorrunde zuletzt ebenso stark nachgelassen. Ein Muskelfaserriss hat ihn den Rückrundenauftakt gekostet und seitdem rennt Sam seiner Form weit hinterher.
Kruse spielt bei Borussia Mönchengladbach zwar ordentlich, ist aber ähnlich wie Sam in der Rückrunde auch in ein Loch gefallen. Seit acht Spielen wartet Kruse auf ein Tor, zuletzt traf er Anfang Dezember gegen Schalke. Auf Grund seiner sehr variablen Spielanlage besitzt Kruse, der auch bei seinen bisherigen Auftritten im DFB-Dress zu gefallen wusste, aber noch einen Bonus.
Ein kleiner Geheimtipp ist U-21-Kapitän Volland. Der ist fit, war kaum verletzt, ist körperlich robust und scheint auch deshalb wie geschaffen für das "Turnier der Urkräfte", wie Löw die zu erwartenden Strapazen in Brasilien gerne umschreibt.
Fazit: Die Masse ist da. Es fehlt derzeit aber an der entsprechenden Klasse. Die hätten Klose und Gomez allemal - nur müssen sie langsam auch ihre Form steigern. Die Optionen abseits des bewährten Duos sind da. Aber sie sind zum einen nicht im Überfluss vorhanden und zum anderen nicht erprobt in der Bewältigung eines großen Turniers. "Wir haben jetzt die Phase der Wahrheit und Klarheit begonnen", sagt Löw. "Für mich sind es keine 100 Tage mehr, sondern 70, bis die wichtige Entscheidung der Kadernominierung ansteht."
Der Kader für das Spiel gegen Chile