Als eine der besten Mannschaften der Fußballgeschichte, als Team für die Ewigkeit holte Real Madrid im Mai den Henkelpott zum dritten Mal in Folge. Eine derartige Dominanz hatte zuvor in der 62-jährigen Historie des Europapokals lediglich Ajax (1970/71 - 1972/73), die Bayern (1973/74 - 1975/76) und Real selbst (1955/56 - 1959/60) erreicht.
Bei den Könglichen hat sich im Sommer jedoch bekanntlich viel getan. Mit den Abgängen von Cristiano Ronaldo und Zinedine Zidane brach eine neue Ära in Madrid an. Dennoch präsentiert sich der spanische Rekordmeister unter Julen Lopetegui abgesehen von der Pleite im UEFA Supercup bisher sehr souverän und steht erstmals seit dem ersten Spieltag der Vorsaison wieder an der Tabellenspitze der Primera Division.
Neben Real haben jedoch gleich mehrere Top-Mannschaften Europas ernsthafte und auch realistische Ambitionen auf den CL-Titel.
Champions-League-Saison 2018/19: Die Titelfavoriten
Real Madrid: Wirksame Evolution unter Julen Lopetegui
Zidane und CR7 sind weg, ein neuer Fokus erhielt Einzug in die Katakomben des Estadio Santiago Bernabeu: der Fokus auf das Team. Das Kollektiv steht unter Lopetegui im Vordergrund. Es gibt nicht mehr den Megastar, der den Klub vereinnahmt und dessen Marke fast schon überstrahlt. Real ist wieder Real, nicht mehr Ronaldos Real.
"Lopetegui ist dabei, uns seine Ideen näher zu bringen und wir akzeptieren das. Uns gefällt sein Stil", sagte Real-Youngster Marco Asensio, der Ronaldos Platz in der Startelf ergattert hat. Auch wenn das Pflichtspieldebüt für den ehemaligen spanischen Nationaltrainer schlechter nicht hätte laufen können (2:4 im UEFA-Supercup gegen Atletico), scheint die Evolution unter Lopetegui schon zu diesem frühen Zeitpunkt Früchte zu tragen.
Der Baske wird den Verein nicht von Grund auf umkrempeln, blieb der Stamm der Mannschaft doch gleich. Vielmehr führt Lopetegui die Arbeit seines Vorgängers fort und dreht lediglich an einigen Stellschrauben.
Schon jetzt sind Automatismen wie eine schnelle Spielverlagerung nach dem Bespielen einer Seite erkennbar. Real setzt vermehrt auf geplantes Positionsspiel in den Zwischenräumen der gegnerischen Abwehrketten. Die Integration junger Talente verspricht in Madrid mindestens mittelfristigen Erfolg, die Mannschaft ist jedoch auch in dieser Saison schon absolut bereit für Titel - auch international.
Atletico Madrid: Finale dahoam?
Rund 125 Millionen Euro gab Atletico in diesem Sommer für Neuzugänge aus. Diego Simeone steht ein gut balancierter Kader zur Verfügung. Die Rojiblancos sind noch breiter aufgestellt als im vergangenen Jahr. Dazu sorgt Weltmeister Thomas Lemar für noch mehr individuelle Klasse und Überraschungsmomente.
In den vergangenen fünf Jahren stand Atletico ein Mal im Viertelfinale, ein Mal im Halbfinale und zwei Mal im Endspiel der Champions League. In dieser Spielzeit winkt das Finale im eigenen Wohnzimmer. Die Kombination aus aggressiver, gut organisierter Defensive und flexibler, individuell verbesserter Offensive könnte für einen Triumphzug reichen.
"Wir sind nochmal stärker geworden und haben noch Zeit uns zu verbessern. Wir werden dafür kämpfen, alles zu gewinnen", tönte Diego Costa nach dem Sieg im Supercup-Finale.
FC Barcelona: Die Antwort auf das Aus gegen Rom
In den vergangenen drei Jahren schied Barca jeweils im Viertelfinale aus. Der spanische Meister blieb dabei hinter den Erwartungen zurück. Barca scheiterte im Frühjahr trotz eines 4:1-Siegs im Hinspiel an der Roma.
"Auch wenn das letzte Jahr mit dem Double-Sieg ein sehr erfolgreiches für uns war, ist die Art und Weise wie wir aus der Champions League ausschieden, noch immer ein Dorn im Auge", gab Lionel Messi zu, der proklamierte, alles für die Rückkehr des Henkelpotts nach Katalonien tun würde.
Die Gier nach der schillerndsten Trophäe im Klubfußball ist riesig. Den Kader dafür hat Barca zweifelsohne.
Manchester City: Endlich mehr als Halbfinale
Auch angesichts des Unentschiedens gegen Aufsteiger Wolverhampton verblüfft der englische Meister in dieser Saison mit seiner Dominanz und Kontrolle. Das Ziel ist klar: Champions-League-Sieger. T
rotz der Unmengen an Ablösesummen, die die Skyblues in den vergangenen Jahren investiert haben, war das Erreichen des Halbfinals bisher das Höchste der Gefühle. Im vergangenen Jahr schien der große Coup so greifbar wie noch nie. Mit Liverpool erwischte City jedoch einen Gegner, gegen den sich die Mannschaft seit Jahren traditionell schwer tut.
Umso ausgeprägter ist das Gefühl, dass doch eigentlich mehr drin war als das Aus im Viertelfinale. "Es ist die Ambition eines jeden von uns, diesen nächsten Schritt zu gehen", sagte Kapitän Vincent Kompany.
FC Liverpool: Erst England - dann vielleicht Europa?
Die Reds feierten mit neun Punkten aus drei Spielen und 7:0 Toren einen perfekten Saisonstart in der Premier League. Der Hype der vergangenen Spielzeit ist dank der Verpflichtungen von Naby Keita, Alisson, Fabinho und Xherdan Shaqiri noch größer.
Jürgen Klopp drückte nach dem Erklimmen der Tabellenspitze bereits ordentlich auf die Euphoriebremse: "Wenn das schon das Beste war, wäre es wirklich schlecht. Wir müssen uns entwickeln und verbessern." Auch wenn der primäre Fokus auf dem Ligagewinn liegt, ist den Reds ein ähnlich perfekter Lauf wie in der vergangenen CL-Saison zuzutrauen.
FC Bayern München: Ohne Superstars kein CL-Titel?
Die Bayern haben sich in den Top-Vier Europas etabliert. Seit 2011 stand der deutsche Rekordmeister lediglich ein Mal nicht im Halbfinale der Königsklasse. Noch gibt es keinen echten Gradmesser, wo die Münchner unter Niko Kovac im internationalen Vergleich stehen.
Die bisherigen Ergebnisse versprechen jedoch viel Flexibilität. Zudem setzt der neue Coach auf ein hohes Fitness-Level, das den Bayern in der entscheidenden Saisonphase zugute kommen könnte. Dennoch gilt der FCB längst nicht als Titelanwärter Nummer eins. "Es ist bekannt, dass man Superstars braucht, um die Champions League zu gewinnen", skandierte etwa Ex-Kapitän Philipp Lahm.
Juventus Turin: Hoffen auf den CR7-Effekt
Zwei Pflichtspiele, acht Schüsse aufs Tor und noch zappelte kein Ball im Netz: So hatte die Fußball-Welt den Einstand von Ronaldo bei Juve nicht erwartet. Dass der erste Pflichtspieltreffer des Portugiesen nur eine Frage der Zeit ist, steht jedoch außer Frage.
Ronaldo ist das neue Gesicht des Vereins und der Kopf einer ohnehin schon starken Mannschaft. Juves Finalteilnahmen 2015 und 2017 stellten unter Beweis: Das Potenzial für den CL-Sieg ist allemal da.
Der Transfer von Ronaldo unterstrich die Ambitionen des italienischen Rekordmeister noch einmal: Der Durst nach dem ersten Europapokal seit 23 Jahren ist riesig. "Mr. Champions League" soll dem Team nun das Sieger-Gen auf internationalem Parkett einpflanzen. Ronaldo hat einen Auftrag.
Paris Saint-Germain: Nach gutem Start ins Ungewisse
Einen solchen Auftrag hat auch Thomas Tuchel in Paris. Obwohl der 44-Jährige noch nie über das Viertelfinale der Champions League hinauskam, soll er Klub-Boss Nasser Al-Khelaifi endlich den Titel seiner Träume besorgen.
Der Start ist Tuchel gelungen. Die Stimmung im Team ist enorm positiv, ähnlich wie Kovac muss sich Tuchel jedoch erst noch auf internationaler Ebene beweisen. Die Klubführung erhofft sich mehr Reaktionsvermögen aus taktischer Sicht.