FC Bayern München - Kommentar zur Entlassung von Julian Nagelsmann: Größter Verlierer ist Oliver Kahn

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Die Freistellung von Julian Nagelsmann ist eine gigantische Niederlage für die gesamte Führungsriege des FC Bayern München und zeugt von einem bedeutenden Management-Versagen. Vor allem der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn muss nun zeigen, dass seine Versprechungen mehr als nur Lippenbekenntnisse sind. Seine Zukunft beim FC Bayern München ist mit dem Erfolg oder Misserfolg von Thomas Tuchel verknüpft. Ein Kommentar.

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Selbst für Profifußballverhältnisse sind die Summen, die der deutsche Rekordmeister für sein gerade mal 21-Monate währendes "Langzeitprojekt" Julian Nagelsmann versenkt hat, gigantisch - und bisher auch weltweit einmalig. Bis zu 25 Millionen Ablöse nur für den einstigen Cheftrainer, dazu noch rund 30 Millionen Euro Gehaltskosten, die Nagelsmann und seinen Assistenten bis zum regulären Vertragsende 2026 noch zustehen würden.

Und der vor seinem Bekenntnis für den FC Bayern unter anderem auch von Real Madrid umworbene Nachfolger Thomas Tuchel wird als Champions-League-Sieger und neuer Heilsbringer eher nicht weniger aufrufen als die kolportierten neun Millionen Euro Jahressalär, die Nagelsmann im Sommer 2021 vom FC Bayern versprochen wurden.

Wäre der FC Bayern München schon der von Unternehmensberatungen wie McKinsey vorgegebenen Leitlinien durchorganisierte Konzern, den Oliver Kahn nach Ansicht seiner Kritiker gerne aus dem Rekordmeister machen würde, dann wäre Nagelsmann jetzt entweder noch Trainer - oder er und seine Assistenten wären nicht die einzigen Opfer des Bayern-Bebens.

Selbst in der ähnlich turbokapitalistisch organisierten Welt der Unternehmensberatungen wäre man bei nüchterner Analyse der Lage beim FC Bayern mit einiger Wahrscheinlichkeit zu dem Schluss gekommen, dass sowohl kurz-, als auch langfristige Saisonziele mit Nagelsmann noch erreichbar gewesen wären. Und dass, selbst wenn man mal nicht Meister geworden wäre, ein Vizemeistertitel nie und nimmer den finanziellen Schaden des Rauswurfs Nagelsmanns aufwiegen würde. Dazu kommt: Um die vorhandenen, aber noch nicht bedrohlichen Risse zwischen Trainer und Team zu beheben, hätten Unternehmensberater vielleicht erst mal ein Coaching empfohlen oder einen Mediator vermittelt.

Und hätte man sich dennoch für eine Freistellung Nagelsmanns entschieden, dann müssten die dafür verantwortlichen Entscheidungsträger mindestens mit schlechten Performance-Bewertungen und maximal unangenehmen Fragen durch die Kontrollgremien rechnen.

FC Bayern München, Oliver Kahn, Thomas Tuchel, Julian Nagelsmann, Bundesliga
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FC Bayern: Nagelsmann-Trennung kommunikativ stillos

Der seit Juli 2021 amtierende Vorstandsvorsitzende Kahn will den FC Bayern strategischer führen und nachhaltiger aufstellen als Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß, die alten Masterminds und Erfinder des bayerischen Fußballimperiums:

  • Key Performance Indicators und North Star Goals statt "Wir denken von Sieg zu Sieg" und "Der nächste Titel ist immer der wichtigste".
  • FC Bayern AHEAD, das nicht nur durch die Versalien in der Powerpoint professionelle Internationalität ausstrahlt statt bayerisch-gefühliges Mia san Mia (das man aber als ins Trikot eingestickten Sinnspruch freilich trotzdem gerne weiterverwendet, klingt ja auch irgendwie gut).
  • Fünf Jahre Laufzeit für den ersten Vertrag bei einem internationalen Top-Klub für den zu Recht hochgehandelten, aber eben noch titellosen und in solchen Sphären unerfahrenen Nagelsmann. "Kontinuität auf der Trainerposition ist ein wichtiger Faktor für Erfolg", sagte Kahn bei der Vorstellung Nagelsmanns im Juli 2021. "Wir können mit Julian eine neue Ära bilden." Das sei kein Buzz Word, fügte Kahn noch an.

War es eben doch. Genauso wie die Wörter Strategie und Nachhaltigkeit nach dem jähen - kommunikativ maximal stillos betriebenen - Ende Nagelsmanns eher als Lippenbekenntnisse angesehen werden müssen.

Bayerns Bosse ließen sich von Emotionen leiten

Das heißt nicht, dass es keine validen und nachvollziehbaren Gründe für die Freistellung Nagelsmanns gegeben hat. Die gab es. Aber eben nur in der Logik des Fußballs, die bekanntlich ganz anderen Gesetzmäßigkeiten folgt als sämtliche andere. Am Ende ließen sich Bayerns Bosse eben doch von den ältesten Triebfedern für Fußballfunktionäre leiten: von Emotionen statt nüchternem Kalkül.

Vom Gefühl, dass Nagelsmann die Kabine nicht mehr unter Kontrolle bekommen und somit die Ziele nicht mehr erreicht werden würden; von der festen Überzeugung, dass es mit Thomas Tuchel besser werden würde und dass man sich den früheren BVB-, PSG- und Chelsea-Coach nicht noch einmal durch die Lappen gehen lassen dürfe. Ein bisschen Gier war auch da dabei.

Als der Vorstandsvorsitzende Kahn nun zum ersten Mal wirklich auf die Probe gestellt wurde, handelte er wie ein Fußballer.

Hasan Salihamidzic als dem für den Sport verantwortlichen Vorstand kann man die mangelnde sportliche Konstanz der von ihm geholten Spieler ankreiden, vor allem aber muss er sich im Nachhinein vorwerfen lassen, dass sein Streit mit Hansi Flick erst dazu führte, dass Nagelsmann überhaupt verpflichtet wurde.

Doch am meisten Schaden genommen im Bayern-Beben haben Kahn und sein Konzept.

FC Bayern München, Oliver Kahn, Thomas Tuchel, Julian Nagelsmann, Bundesliga
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FC Bayern: Entscheidung für Tuchel konsequent

Dass der Weg, den Kahn mit dem FC Bayern beschreiten wollte, aber noch nicht zu Ende sein muss, zeigt die Wahl von Nagelsmanns Nachfolger. Der ist konsequent. Ahead statt backwards, auch wenn Tuchel schon 2018 Bayerns Wunschtrainer war.

Beim alten FC Bayern folgte auf einen im täglichen Umgang womöglich etwas anspruchsvolleren Trainer ein Coach fürs Herz. Oder auch: Auf Konzept folgte Bauch, auf Streit die personifizierte Sehnsucht nach Harmonie - Ottmar Hitzfeld auf Felix Magath, Jupp Heynckes auf Jürgen Klinsmann und Louis van Gaal, Carlo Ancelotti auf Pep Guardiola (auch wenn dieses Experiment schiefging und es dann doch der heilige Jupp wieder richten musste), zuletzt Hansi Flick auf Niko Kovac.

Die Bayern können sich mit einigem Recht viel von Tuchel versprechen. Tuchel steht für sehr viel Gutes, er dürfte das taktische Profil der Bayern eher noch schärfen und Guardiola dürfte in Manchester spätestens jetzt einige schlaflose Nächte vor sich haben wegen der Viertelfinalduelle in der Champions League gegen Bayern.

Doch Tuchel, gleichermaßen bemerkenswert verschroben wie uneitel und ganz sicher kein Selbstdarsteller, steht gewiss nicht für Harmonie. Und vor allem nicht für Harmonie mit seinen Chefs. Bisher ist Tuchel noch jedem seiner Vorgesetzten auf die Nerven gegangen, bisher gab es bei jeder Station spätestens am Ende Stress mit den Bossen, und sehr oft hatten die Konflikte auch mit verletzten Egos zu tun.

Kahn wird jetzt zeigen können, dass er Stress aushalten kann und seine Fußballerinstinkte für die Sache zurückhalten kann. Sonst dürfte bald nicht nur sein strategischer Weg bei Bayern zu Ende sein. Sein Schicksal als Fußballfunktionär moderner Prägung hängt am Erfolg oder Misserfolg von Tuchel.

FC Bayern: Die Trainer der vergangenen zehn Jahre

TrainerVonBis
Thomas Tuchel24.03.202330.06.2025 (voraus.)

Julian Nagelsmann

01.07.202123.03.2023
Hansi Flick03.11.201930.06.2021
Niko Kovac01.07.201802.11.2019
Jupp Heynckes06.10.201730.06.2018
Willy Sagnol (Interim)28.09.201705.10.2017
Carlo Ancelotti01.07.201628.09.2017
Pep Guardiola01.07.201330.06.2016
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