In den letzten Zügen der vergangenen Bundesliga-Saison verging beinahe kein Wochenende ohne die Frage nach der Zukunft von Deniz Undav beim VfB Stuttgart. Die Antwort des Stürmers fiel jedes Mal gleich aus. "Auf jeden Fall" wolle er auch in der kommenden Spielzeit für die Schwaben auf Torejagd gehen.
Nach dem 1:0-Sieg über den FC Augsburg am 33. Spieltag legte Undav zum x-ten Mal nach: "Ich habe oft genug gesagt, was ich will. Jetzt müssen wir schauen, was passiert. Der Ball liegt bei Stuttgart und bei Brighton." Und dieser wurde sich wortwörtlich hin und her gespielt.
Während Undav nach 19 Toren und zehn Assists in 33 Spielen beim DFB-Team bei der EM im eigenen Land weilte, lieferten sich die beiden Klubs äußerst hartnäckige Verhandlungen. Die Stuttgarter zogen ihre vorher ausgehandelte Kaufoption in Höhe von 20 Millionen Euro folgerichtig, Brighton konterte mit einer Rückkaufklausel für 25 Millionen Euro. Dennoch herrschte weiterhin Zuversicht, den 28-Jährigen endgültig fest zu verpflichten.
"Wir haben gute Chancen", sagte VfB-Geschäftsführer Alexander Wehrle noch am 10. Juli und betonte: "Er hat sich zu hundert Prozent zu uns bekannt. Deshalb sind wir auch bereit, einen Transfer mit diesem für unsere Verhältnisse sehr großen finanziellen Volumen zu realisieren." Seit Öffnung des Transferfensters am Monatsanfang wird offen verhandelt - zumindest mehr oder weniger. Der Verein aus dem Süden Englands stellt sich nämlich gehörig quer.
Kein Verkaufsdruck: Brighton stellt sich bei Deniz Undav quer
Die Seagulls lehnten dem Vernehmen nach auch ein verbessertes Angebot von 27 bis 30 Millionen Euro ab, wodurch Undav nur kurze Zeit nach der Verpflichtung von Ermedin Demirovic zum Rekordtransfer des VfB avanciert wäre. Damit scheint ein Verbleib vom Tisch zu sein. Von einer weiteren Offerte sollen die Stuttgarter absehen, mehr Geld kann und will die Vereinsführung offenbar nicht in die Hand nehmen.
Zumal nicht wirklich davon auszugehen wäre, dass Brighton einknickt. Das zeigen auch die ebenfalls zähen Verhandlungen mit dem BVB um Pascal Groß. Auch die gescheiterten Transfers von Ian Maatsen (FC Chelsea) oder Jadon Sancho (Manchester United) dienen als Beispiel dafür, dass die Planungssicherheit in England schlichtweg eine völlig andere ist.
In der Premier League sind die Vereine aufgrund der hohen Einnahmequellen durch den üppigen TV-Vertrag und Sponsorendeals weniger auf Geld durch Verkäufe angewiesen. Dementsprechend lange beharren sie auf ihren Forderungen und sehen keine Not, davon abzuweichen.
Somit verlieren die Stuttgarter nach Waldemar Anton, Serhou Guirassy (beide BVB) und Hiroki Ito (FC Bayern München) wohl einen weiteren Leistungsträger, der maßgeblichen Anteil an der überraschenden Qualifikation für die Champions League und Platz zwei in der Bundesliga hatte. In Undav dazu noch einen Spieler, der sich offensichtlich in den Verein und die Fans verliebt hat.
Seine Absichten unterstrich er nochmal damit, dass er trotz seines Urlaubs nach der Europameisterschaft sogar als Beobachter beim Training an der Mercedesstraße auftauchte - obwohl er schon zu diesem Zeitpunkt faktisch kein Spieler des VfB mehr war. Ein echtes Dilemma, welches einer Lösung für alle Beteiligten bedarf.
Niclas Füllkrug? VfB Stuttgart schaut schon nach Alternativen für Deniz Undav
In Stuttgart wird deshalb schon fleißig nach Alternativen gesucht. Im Gespräch ist auch Niclas Füllkrug von Borussia Dortmund, der spielerisch wiederum überhaupt nichts mit Undav gemeinsam hat. Auch ist durchaus fraglich, ob der 31-Jährige mit Demirovic kompatibel wäre.
Ähnliche Bedenken scheint es auch beim VfB zu geben, der laut Sky eher nach einem Typ "Straßenfußballer" Ausschau halte, um Undav zu ersetzen. Die ebenfalls gehandelten Albert Gudmundsson (FC Genua), Arnaud Kalimuendo (Stade Rennes), El Bilal Touré (Atalanta Bergamo), Orri Oskarsson (FC Kopenhagen) und Adam Hlozek (Bayer Leverkusen) würden diesem Profil schon deutlich mehr entsprechen.
Undav muss sich hingegen aller Voraussicht nach wieder in England beweisen. Allerdings unter anderen Vorzeichen als noch bei seinem Wechsel im Jahr 2022, nachdem er zunächst per Leihe nach Belgien zu Union Saint-Gilloise zurück verliehen worden und anschließend lediglich zu Kurzeinsätzen gekommen war.
Deniz Undav bei Brighton: Eine verspätete Erfolgsgeschichte?
Nun trifft er auf Trainer Fabian Hürzeler, der nach seinem Bundesliga-Aufstieg mit dem FC St. Pauli die Nachfolge seines taktischen Vorbilds Roberto De Zerbi antritt. Der erst 31-Jährige soll fest mit Undav planen und hatte ihm dies wohl schon früh am Telefon deutlich gemacht.
"Es gab Kontakt und ein Telefonat mit Fabi. Er hat mir gesagt, was er von mir hält. Ich habe ihm meine Sichtweise erklärt", verriet Undav im Laufe der EM. Nach einer eher enttäuschenden Spielzeit (11. Platz) will Brighton wieder um die europäischen Plätze spielen. Taktikfuchs Hürzeler verfolgt einen klaren Plan, in dem Undav wie schon in Stuttgart eine entscheidende Rolle spielen könnte.
Zuletzt sorgten Evan Ferguson (sechs Treffer) und João Pedro (neun) für die Tore im Brighton-Sturm. Undav bringt durch seine fast schon einzigartige Spielweise als eine Art umspielender Stürmer, der das Mittelfeld mit dem Angriff verbindet, zuvor nicht dagewesene Qualitäten mit. Als Pendant zu den beiden großgewachsenen und wuchtigen Torjägern könnte er, ähnlich wie im Zusammenspiel mit Guirassy, das fehlende Puzzleteil in Hürzelers Sturm darstellen.
Eigentlich ist alles angerichtet für die nächste ungeahnte Liebesgeschichte.
VfB Stuttgart, Transfers: Die bisherigen Zugänge im Überblick
Name | Abgebender Verein | Preis |
Ermedin Demirovic | FC Augsburg | 21 Mio. Euro plus Boni |
Jamie Leweling | Union Berlin | 5 Mio. Euro |
Jeff Chabot | 1. FC Köln | 4 Mio. Euro |
Anthony Rouault | FC Toulouse | 3 Mio. Euro |
Leonidas Stergiou | FC St. Gallen | 2 Mio. Euro |
Fabian Rieder | Stade Rennes | 0,8 Mio. Euro (Leihgebühr) |
Ramon Hendriks | Feyenoord Rotterdam | 0,7 Mio. Euro |
Frans Krätzig | FC Bayern München | 0,5 Mio. Euro (Leihgebühr) |
Yannik Keitel | SC Freiburg | ablösefrei |
Nick Woltemade | SV Werder Bremen | ablösefrei |
Justin Diehl | 1. FC Köln | ablösefrei |
Stefan Drljaca | Dynamo Dresden | ablösefrei |