Im August 2017 hatte Borussia Dortmund mit einem Umstand zu kämpfen, den der Klub in dieser Form noch nicht kannte. Seit Wochen schon rankten sich mehr als nur Gerüchte um einen Abgang von Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang, der definitiv abwanderungswillig war und den BVB auch ein halbes Jahr später verließ.
Noch dramatischer wurde die Lage aber erst, als der stark vom FC Barcelona umworbene Ousmane Dembélé an einem Donnerstag das Training plötzlich schwänzte und in den Streik trat. Der damalige Trainer Peter Bosz musste zugeben, dass er keine Ahnung hatte, wo sich der Franzose befand.
Zwei Tage später stand das erste Pflichtspiel der Saison an. Im DFB-Pokal bekam es die Borussia mit dem Sechstligisten 1. FC Rielasingen-Aarlen zu tun. Freilich ohne Dembélé, denn der wurde für die Partie suspendiert und musste eine satte Geldstrafe zahlen. Geholfen hatte das nichts, wenig später schloss er sich für viel Geld den Katalanen an.
Die Personalie Jan-Niklas Beste ging daher und natürlich auch, weil beim Auftakt im Pokal gegen einen solchen Gegner ein souveräner Pflichtsieg erwartet wurde, etwas unter. Beste, der sechseinhalb Jahre später am Freitag mit dem 1. FC Heidenheim auf seinen Ex-Klub Dortmund trifft, kam bei der in Freiburg ausgerichteten Begegnung zu seinem einzigen Profispiel für den BVB.
BVB-Debüt von Jan-Niklas Beste unter Peter Bosz
Kapitän Marcel Schmelzer fehlte ebenso verletzt wie Raphaël Guerreiro (Knöchel-OP) und Erik Durm (Hüftprobleme). Als möglicher Linksverteidiger wäre noch Dan-Axel Zagadou in Frage gekommen, der hatte zuvor im Supercup gegen Bayern München aber nicht wirklich überzeugt.
"Ich glaube, dass wir immer erst bei unserer Jugendabteilung gucken müssen", sagte Bosz daher und guckte und fand Beste. Der damals 18-Jährige ging eigentlich gerade in sein zweites Jahr bei den A-Junioren in der U19, doch der Coach hatte ihn während der Vorbereitung mit zu den Profis genommen und auch ins Trainingslager eingeladen.
Dort teilte sich Beste ein Zimmer mit Durm und hinterließ einen guten Eindruck. Beim Testspiel gegen Atalanta Bergamo (0:1) war er über 90 Minuten linker Teil der Viererkette und machte defensiv seine Aufgabe sehr ordentlich. Hätte Alexander Isak damals schon den Torinstinkt von heute gehabt, wäre Beste dank einer starken Hereingabe bereits nach sieben Minuten als Vorlagengeber in Erscheinung getreten. Ein paar Tage später absolvierte er auch den Test in Erfurt (5:2) über die volle Spielzeit.
Jan-Niklas Beste beim Debüt für den BVB sofort mit einer Vorlage
"Er war zwei Mal dabei und hat es gut gemacht. Er hat auch mit uns in Erfurt gespielt, da hat er es auch wieder gut gemacht", lobte Bosz und verkündete vor dem Pokalspiel: "Deshalb nehme ich ihn mit."
Für Beste kam das trotz dieser Vorgeschichte durchaus überraschend, denn drei Tage vor dem Spiel hatte er noch mit der A-Jugend trainiert. "Dass ich von Anfang an spielen werde, habe ich am Freitag erfahren. Der Trainer hat mir gesagt, dass ich so wie auch schon in den Freundschaftsspielen der Vorbereitung spielen soll: Vor allem mutig nach vorne."
Und dies gelang Beste, der einst im Alter von acht Jahren in die Nachwuchsabteilung der Westfalen gewechselt war und dort alle Jugendteams durchlaufen hatte, auf Anhieb hervorragend. Vor 24.000 Zuschauern im ausverkauften Schwarzwaldstadion dauerte es lediglich zwölf Minuten, ehe Beste nach einem tollen Zuspiel von Nuri Sahin auf der rechten (!) Seite die Kugel sauber annahm und scharf in die Mitte passte. Dort tauchte Innenverteidiger Marc Bartra am kurzen Pfosten auf und schoss zum Führungstor ein. Drei Tore ließ der BVB noch folgen, Beste stand erneut 90 Minuten auf dem Platz.
Beim BVB war die Konkurrenz für Jan-Niklas Beste zu übermächtig
"Er hat das super gemacht", sagte Bosz. Der Youngster, damals noch ohne Rauschebart, gab sich dagegen etwas zurückhaltend: "Es war schon okay. Im Trainingslager hatte ich viel gelernt, da habe ich viel mitgenommen. Und dass ich dann mein erstes Pflichtspiel bei den Profis bestreiten durfte und sogar noch einen Treffer vorbereitet habe, war natürlich ein superschönes Gefühl."
Für große Verwunderung sorgte es dann aber dennoch nicht, dass Beste in der Folge kein Land gegen die übermächtige Konkurrenz sah und trotz häufiger Trainingseinheiten bei den Profis nur noch für die A-Junioren in der Bundesliga West auflief. Den Traum vom Bundesligadebüt gegen Wolfsburg nur eine Woche nach dem Pokalduell ließ Bosz früh platzen: "Er wird diese Woche in der U19 spielen. Für einen jungen Spieler wie ihn ist es wichtig, dort Spielpraxis zu sammeln."
Bei der ersten Mannschaft tauchte Beste sogar nur noch zweimal auf: Im Hin- und Rückspiel der Europa-League-Zwischenrunde gegen Atalanta Bergamo stand er jeweils im Kader, den mittlerweile der für den entlassenen Bosz gekommene Peter Stöger nominierte.
Jan-Niklas Beste: Bei Bremen bekam er das, was ihm auch beim BVB gedroht hätte
Beste, der 2015 und 2017 deutscher Meister mit der B- und A-Jugend wurde, kam ins Grübeln. Noch vor Weihnachten sagte er: "Natürlich denke ich immer wieder über meine Zukunft nach und überlege: Wohin führt mich der Weg? Was mache ich? Was kommt? Und je näher das alles rückt, umso mehr grübelt man. Es ist ja nur noch ein halbes Jahr Zeit."
Die Hoffnung, dass ihm die Verantwortlichen des BVB eine überzeugende Perspektive beim anvisierten Sprung in den Seniorenbereich aufbieten werden, erfüllte sich nicht. Schon vor den Gesprächen war Beste skeptisch: "Da muss ich dann schauen, ob ich weiter hier bleiben kann oder nicht. Ich befürchte allerdings, dass ich nicht allzu viel Spielpraxis bekommen werde. Ich hätte kein Problem damit, woanders eine neue Herausforderung anzunehmen."
So trennten sich nach elf Jahren in Dortmund schließlich die Wege zum Sommer 2018. Die Aussicht, beim BVB künftig in der zweiten Mannschaft eingeplant zu sein, überzeugte ihn nicht. Für 250.000 Euro Ablöse ging es zu Werder Bremen, zugleich laborierte Beste jedoch noch an den Folgen einer Knieverletzung. Daher bekam er beim SVW am Ende das, was ihm auch bei den Schwarz-Gelben gedroht hätte: Einsätze bei der U23 in der Regionalliga Nord (28 Spiele, zwei Tore, zwei Vorlagen).
Jan-Niklas Beste gelingt Durchbruch beim 1. FC Heidenheim
Werder verlieh ihn ein Jahr später für eine Saison zum FC Emmen in die niederländische Eredivisie, doch da brachte es Beste aufgrund einer erneuten, langwierigen Blessur am Knie nur auf sechs Pflichtspiele. Die nächste Leihe führte ihn erstmals in die 2. Liga, wo er bei Jahn Regensburg besonders im zweiten Jahr mit vier Toren und fünf Vorlagen in 26 Partien überzeugte.
Am Ende sollte der Jahn etwas über eine Million Euro von den Heidenheimern erhalten, da Beste dort aufstieg, nun regelmäßig in der Bundesliga spielt und auf Anhieb seinen Durchbruch schaffte. Nach 15 Torbeteiligungen in bislang 18 Pflichtspielen wird der gefährliche Standardschütze derzeit sogar mit der Nationalelf in Verbindung gebracht.
Heutzutage hat der Dortmunder Beste nicht mehr viel mit dem Heidenheimer Beste zu tun. Nicht nur, weil er längst ins Mittelfeld vorgerückt ist. Eine Gemeinsamkeit zu seinem einzigen Pflichtspiel für den BVB am 12. August 2017 gibt es aber: Auch bei seinem ersten Auftritt im Oberhaus schlug er direkt zu - bei der 2:3-Pleite gegen Hoffenheim erzielte Beste per Freistoß die Führung und legte später noch das 2:0 auf.
Jan-Niklas Beste: Die Statistiken seiner Karriere als Profi
Verein | Zeitraum | Spiele | Tore | Vorlagen |
Borussia Dortmund | 2017-2018 | 1 | - | 1 |
Werder Bremen II | 2018-2019 | 28 | 2 | 2 |
FC Emmen (Leihe) | 2019-2020 | 6 | - | 1 |
SSV Jahn Regensburg (Leihe) | 2020-2022 | 46 | 7 | 7 |
1. FC Heidenheim | seit 2022 | 54 | 17 | 24 |