Die Fülle dieser denkwürdigen Momente hat einfach keine Geisteratmosphäre verdient. Schließlich verabschiedet Bayern München am Samstag nicht nur Erfolgstrainer Hansi Flick, David Alaba oder Jerome Boateng. Da wird ja auch noch die Meisterschale verliehen, dazu kann Robert Lewandowski den historischen Torrekord von Gerd Müller brechen. Das Timing könnte daher besser nicht sein, dass erstmals überhaupt während der Corona-Pandemie wieder Zuschauer in der Allianz Arena zugelassen sind.
Zwar sind am Samstag gegen den FC Augsburg nur 250 Besucher erlaubt, Bayern-Keeper Manuel Neuer sprach von einem "Soft-Opening, da freuen wir uns drauf". 100 Tickets gehen an Personen aus dem Gesundheitswesen, 100 weitere sind für Mitglieder von Bayern München vorgesehen, und die restlichen verteilen sich auf den "Kids Club" der Münchner sowie das private Umfeld von Trainer Flick, seiner Assistenten und der Spieler, die den Verein verlassen.
Es ist zum Ende der ersten kompletten Corona-Spielzeit aber vor allem ein Hoffnungsschimmer - und nicht der einzige im deutschen Fußball. Andernorts bringen schon wieder Fans Leben auf die Tribünen zurück. So kann Union Berlin im Stadion an der Alten Försterei gegen RB Leipzig vor bis zu 2000 Zuschauern zum zweiten Mal in der Klubgeschichte überhaupt in den Europapokal einziehen.
Die TSG Hoffenheim darf am letzten Bundesliga-Spieltag gegen Hertha BSC zumindest 100 Besucher empfangen (wenn sie die Möglichkeit nutzt), wesentlich voller wird es sogar an der Ostsee. Nach neun Jahren Drittklassigkeit kann Hansa Rostock die Rückkehr in die 2. Liga vor 7500 Fans klarmachen.
Bundesliga: Zuschauerrückkehr auch bei der EM
Es ist ein Vorgeschmack darauf, was alle Klubs nach der Sommerpause erwarten könnte - und die deutsche Nationalmannschaft schon bei der Europameisterschaft. Denn am 15. Juni soll in der Allianz Arena das erste EM-Gruppenspiel der DFB-Elf gegen Weltmeister Frankreich angepfiffen werden, nach Wunsch der Europäischen Fußball-Union (UEFA) vor bis zu 14.500 Zuschauern.
Bald soll das wieder Normalzustand sein. "Ich rechne in der kommenden Saison fest mit Fans im Stadion", sagte Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke den Zeitungen der Funke Mediengruppe, und erklärte: "30 Prozent der Menschen sind einmal geimpft worden, die werden bis dahin die zweite Impfung auch haben. Diesen Leuten kann man nicht mehr alles verweigern. Sie müssen dann auch wieder Normalität erleben."
Noch fehlt zur Normalität aber ein gutes Stück - das zeigt allein der derzeitige Flickenteppich in der Zuschauerfrage. In Nordrhein-Westfalen muss neben dem BVB auch der 1. FC Köln sein Abstiegsendspiel und Zweitligist VfL Bochum sein mögliches Aufstiegs-Meisterstück wegen zu hoher Inzidenzen zu Wochenbeginn ohne Fans bestreiten.
Auch wegen dieser unterschiedlichen Voraussetzungen zum Saisonabschluss entschied sich Zweitligist Holstein Kiel zu einem bemerkenswerten Schritt. Die Störche werden am Sonntag ohne Fans um den direkten Aufstieg in die Bundesliga kämpfen - obwohl aufgrund niedriger Inzidenzwerte sogar Anhänger in begrenzter Zahl erlaubt gewesen wären.
Holstein Kiel will keine Sonderrolle: "Ausdruck großer Verantwortung"
Doch die Kieler wollen keine Sonderrolle, stattdessen forderte Klubpräsident Steffen Schneekloth einheitliche Regelungen auch für andere Veranstaltungsbranchen und Sportarten. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) lobte diese Entscheidung als "Ausdruck großer Verantwortung der Vereinsführung". Ziel sei es, alle Stadien in der neuen Saison wieder für Zuschauer zu öffnen.
Wie das funktionieren könnte, demonstriert im Kleinen Union Berlin. Wenn die Eisernen am Samstag um den Einzug in die Conference League spielen, müssen Zuschauer einen negativen Corona-Test vorweisen - außer sie "sind gemäß der aktuellen SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vollständig geimpfte oder von einer Corona-Erkrankung genesene Personen". Alles natürlich vorausgesetzt, der Inzidenzwert für Berlin bleibt unter 100.
Letztmals durften Zuschauer im vergangenen Oktober Bundesligaspiele besuchen. Die Bayern müssen schon seit März 2020 auf Fans verzichten - passenderweise ging es auch damals gegen den FC Augsburg.