SPOX: Sie haben in Sommer- und Winterpause insgesamt 16 Spieler gehen lassen und zwölf Spieler verpflichtet. Welche innerbetrieblichen Rädchen kommen eigentlich ins Laufen, wenn Sie von einem Berater einen interessanten Spieler angeboten bekommen?
Dufner: Das geht zügig in die Scoutingabteilung. Die vergleichen die Erkenntnisse aus der Datenbank, sichten den Spieler dann selbst mehrmals. Später wird der Co-Trainer involviert, der sich den Spieler vor Ort anschaut, der Sportdirektor selbst natürlich auch. Wir klopfen die finanziellen Rahmenbedingungen bereits im Vorfeld ab, holen uns Informationen aus dem Umfeld: Wie ist der Spieler charakterlich? Ist er verheiratet? Hat er Kinder? Gibt's irgendwelche Probleme? Welche Sprachen spricht er? Gab es bei früheren Klubs Auffälligkeiten?
SPOX: Welche Netzwerke nutzen Sie dafür?
Dufner: Wir unterhalten uns mit Leuten vor Ort, manchmal sogar mit Fans, die ja jedes Spiel auf der Tribüne sehen. Wir sammeln Zeitungsberichte, gleichen Datenbanken ab, kontaktieren ehemalige Spieler oder Trainer im jeweiligen Land. So entsteht ein Mosaik aus kleinen Bausteinen. Mal bekommt man genügend Informationen zusammen, mal etwas weniger. Im Vordergrund steht aber immer die fußballerische Qualität - sofern sich da nicht charakterliche Abgründe auftun. Ganz grobe Fehlgriffe, abseits der fußballerischen Fähigkeiten, sind somit nur noch selten. Dass ein Spieler aber aus den unterschiedlichsten Gründen nicht Fuß fassen kann, davor ist man nie gefeit.
SPOX: Muss man sich als Verein um einen neuen Spieler heute anders kümmern als früher?
Dufner: Früher noch wurden die Spieler fast immer ihrem eigenen Schicksal überlassen. Da sind einige, gerade ausländische Spieler, schnell in ihnen bekannte Kreise in ihrem Umfeld abgerutscht, die ihnen vielleicht nicht besonders gut getan haben. Das darf nicht passieren. Deshalb geben wir als Klub so viel Hilfestellung, dass der Spieler sich komplett auf den Fußball konzentrieren kann. Wir begleiten ihn bei seiner sozialen Integration. Dafür gibt es bei uns einen Teammanager, der sich mit weiteren Angestellten um diese Dinge kümmert. Behördengänge, Wohnungssuche, Möbel kaufen - solche Dinge fallen da an.
SPOX: Über den Daumen gepeilt sind also zwischen zehn und 15 Personen an einem einzigen Transfer beteiligt. Bringt der Spieler dann seine Leistung nicht, müssen aber nur Sie den Kopf dafür hinhalten.
Dufner: Das nehme ich gerne so hin, so ist das Geschäft. Wenn ich mit meinem Trainer Übereinkunft habe über einen Spieler, ist das gar kein Problem. Wir stehen in der Verantwortung, mit guten Transfers die richtigen Personalentscheidungen für den Klub zu treffen, von denen wir gemeinsam überzeugt sind. Der Trainer muss immer das letzte sportliche Wort haben.
SPOX: Wie oft kann der Trainer von sich behaupten, wirklich seinen "absoluten Wunschspieler" bekommen zu haben?
Dufner: Man kommt an Kompromissen nicht vorbei. Wenn der Trainer Spieler A will, der aber finanziell nicht realisierbar ist, schlage ich Spieler B vor: Der kann ähnliches, ist aber nicht so teuer. Dann muss sich ein Trainer auch mal auf das verlassen, was ihm die Scoutingabteilung und der Sportdirektor berichten.
SPOX: Wie viele "absolute Wunschspieler" haben Sie denn bisher für Hannover verpflichtet?
Dufner: Prib, Bittencourt, Sane, Marcelo waren im Sommer welche. Jetzt zuletzt im Winter auch Rudnevs.
SPOX: Kann man den Job des Sportdirektors in einer Art Ausbildung lernen und am Ende zum Beispiel analog zum Trainerberuf mit einer Prüfung abschließen?
Dufner: Aus meiner Sicht nicht. Dafür sind die Gegebenheiten und Anforderungen in den Klubs zu unterschiedlich. Der grundsätzliche Ansatz, Fortbildungsveranstaltungen abzuhalten, wäre sicherlich gut.
SPOX: Ihr Präsident Martin Kind hat eine klare Meinung zur 50+1-Regelung in Deutschland. Wie stehen Sie dazu?
Dufner: Ich kann der Meinung meines Präsidenten aus Hannoveraner Sicht zu 100 Prozent zustimmen. Es geht hier nicht um die Machtübernahme der Heuschrecken oder um die feindliche Übernahme eines Vereins, der dann später aufgeteilt wird und irgendwann in Saudi-Arabien landet. Martin Kind geht es vielmehr darum, Geschäftsleuten aus der Region, die eine hohe Verbundenheit mit dem Klub zeigen, die Möglichkeit eines Investments zu geben. Wenn wir in der Bundesliga international konkurrenzfähig bleiben wollen, ergibt das absolut Sinn. Wobei wir da den deutschen Weg gehen müssten, ohne den Ausverkauf und den Identitätsverlust unserer Vereine. Es muss auch für andere Klubs machbar sein, an neues Kapital zu kommen - und nicht nur für Leverkusen, Wolfsburg, Hoffenheim oder Leipzig zwei Klassen tiefer, die über die begleitenden Unternehmen herausragende Möglichkeiten haben.
SPOX: Die Wahl ungleicher Mittel...
Dufner: Diese Vereine - auch Leverkusen, das mittlerweile ja auf eigenen Beinen steht - sind ausschließlich dahin gekommen wo sie jetzt sind, weil sie das entsprechende Kapital zur Verfügung gestellt bekommen haben.
SPOX: Was sagen Sie zum Engagement der Allianz Holding beim FC Bayern München?
Dufner: Wenn man sieht, mit wem die Bayern international konkurrieren, kann man das nachvollziehen. Weh tut es aber den Klubs der heimischen Liga. Die Bayern haben ohnehin schon ein fantastisches Umfeld und ein grandioses Fanpotenzial - was sie sich hart erarbeitet haben, das darf man nicht vergessen. Und trotzdem greifen sie da zu. Das führt allerdings dazu, dass wir bald auf Grund der hohen Kapitaldecke immer dieselben drei, vier Vereine in der Champions League haben werden, die dann immer noch mehr Gelder generieren und der Rest immer weniger. Da muss sich die UEFA über ihren Verteilungsschlüssel Gedanken machen.
SPOX: Wie sähe Ihr Lösungsvorschlag aus?
Dufner: Ein großer Prozentteil der in der Champions League ausgeschütteten Gelder müsste den betreffenden Ligen zur Verfügung gestellt werden. Ist eine Liga besonders erfolgreich, bekommt sie entsprechend mehr Geld. Die Vereine, die für den Erfolg verantwortlich sind, selbstverständlich am meisten. Aber ein guter Prozentsatz ginge eben auch an den Rest. Nur das wollen die Champions-League-Vertreter natürlich nicht hören.
SPOX: Auf gewisse Weise auch verständlich, oder?
Dufner: Aber es täte ihnen auch nicht so weh. Weil dieses Modell ja für alle Ligen gleich gelten würde. Also hätte Real Madrid dasselbe "Problem" wie etwa Bayern München. Es geht jetzt schon bereits ein kleiner Teil an die Ligen. Aber noch zu wenig. Zwischen 30 und 50 Millionen pro Saison kann ein Klub in der Champions League verdienen - das ist mehr als unser gesamter Personal-Etat. Der Alleinvertretungsanspruch dieser Klubs, die sich dann Jahr für Jahr dafür qualifizieren, mehr Geld erwirtschaften, mehr Sponsoringeinnahmen haben, lässt die Lücke zum Rest uneinholbar groß werden. In dieser Situation stecken wir bereits.
SPOX: Was für die Bundesliga eine schwierige Entwicklung darstellt.
Dufner: Auch die Bayern können nicht ständig sagen, dass sie immer mehr und noch mehr wollen. Momentan ist es noch nicht so, aber: Ergibt es dann auch aus Bayern-Sicht noch Sinn, das Produkt Bundesliga zu entwerten? Wenn die Bayern zehnmal in Folge Meister werden und es nur noch um die internationalen Plätze und die Absteiger geht - ist es das, was wir alle wollen? Und dann kommt das Geschrei nach einer europäischen Liga. Aber ob die von den Fans auch angenommen wird? Dafür ist die Bundesliga dann doch zu besonders. Wir befinden uns momentan in einem nicht ungefährlichen Prozess.
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