Die Macht mit Lewis Hamilton ist

Lewis Hamilton war schon vor dem Start in Austin tiefentspannt und fokussiert
© getty

Für die deutschen Spitzenpiloten war der Große Preis der USA in Austin eine Enttäuschung. Nico Rosberg ließ sich von seinem Mercedes-Teamkollegen aufgrund eines ERS-Fehlers düpieren und muss jetzt im WM-Kampf auf eine glückliche Fügung des Schicksals hoffen. Unterdessen spürte Sieger Lewis Hamilton die Macht.

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"Ich mag den Jedi-Ritter-Vergleich", stellte der Weltmeister von 2008 bei der Pressekonferenz nach dem Rennen auf dem Circuit of the Americas fest. Ohne die ablenkende Unterstützung seiner Lebensgefährtin Nicole Scherzinger, ohne seine geliebten Hunde präsentiert sich der früher oft wankelmütige Hamilton in der Saison 2014 dauerhaft fokussiert.

"Es ist das beste Jahr meines Lebens und es ist die beste Saison meiner ganzen Karriere. Die Leistungen, die ich gebracht habe, die Beständigkeit, die ich erreicht habe - daran habe ich hart gearbeitet", lobte sich der 29-Jährige selbst.

In Austin setzte er seinen ausgearbeiteten Plan perfekt um. "Ich habe nur meine Hausaufgaben gemacht. Vor dem Rennen kann man viel machen, um zu verstehen, welche Möglichkeiten aufkommen könnten in den verschiedenen Szenarien", beschrieb er seine Vorbereitung, nachdem er am Samstag im Kampf um die Pole Position noch den Kürzeren gegen seinen Teamkollegen gezogen hatte.

Dass er sich nach der verlorenen Zeitenjagd nicht zurückzog, sondern einen Angriff vorbereitete, war vielen Beobachtern schon direkt nach dem Qualifying aufgefallen. Die Sonnenbrille, hinter der sich Hamilton nach Niederlagen gerne versteckt, war während der Interviews nicht zu sehen. Stattdessen strahlte er Optimismus aus.

Hamilton nach Quali ohne Zweifel

"Es gab keine Zweifel", betonte Hamilton nach dem dritten USA-GP in Austin: "Vor dem Rennen gab es keine Sekunde und keinen Moment, in dem ich nicht gedacht hätte: 'Ich kann das gewinnen. Die Möglichkeit wird irgendwann da sein. Ich muss nur dranbleiben und sie wird kommen.'"

Die positive Einstellung machte sich bezahlt. Selbst als in der frühen Safety-Car-Phase nach dem Crash zwischen Adrian Sutil und Sergio Perez wieder das Problem mit der abkühlenden linken Vorderradbremse auftrat, blieb Hamilton konzentriert.

"Ich hatte nicht zu viele Probleme, auch wenn die Räder immer noch stehen geblieben sind", erklärte Hamilton: "Ich habe so hart gepusht, wie ich konnte - vor allem im ersten Stint. Und im zweiten Stint schien ich noch schneller zu sein. Als ich an Nico vorbei war, ging es nur noch darum, es zu kontrollieren."

Schon auf den ersten Metern wuchs der Abstand sprunghaft. Dabei war besonders das Überholmanöver bezeichnend für das Rennen. "Ich war ein Stück weg, würde ich sagen. Aber ich war selbstbewusst. Da war viel Gegenwind vor Turn 12 und ich habe nur auf den richtigen Moment gewartet, in dem ich nah genug dran bin, um innen anzugreifen."

"Nico hat sich nicht verteidigt"

In der 24. Runde war es so weit. "Nico hat sich nicht verteidigt. Ich habe ihn fast nichtsahnend erwischt", gab der Engländer seinem Teamkollegen einen kleinen Seitenhieb mit: "Es geht nicht nur darum, von der Pole zu starten. Rennen wie das hier fühlen sich noch besser an: Man hat den Typen vor sich überlistet."

"Das ist mega enttäuschend. Ich wusste, dass er es versuchen könnte", räumte Rosberg ein: "Ich habe halb verteidigt, aber Lewis hat einen guten Job gemacht. Das war's." Er habe seinen Rhythmus nicht gefunden, betonte Rosberg immer wieder. Erst fünf bis zehn Runden später sei er soweit gewesen, nach den zweiten Boxenstopps ging er das Tempo auf die Tausendstelsekunden mit: "Leider war es dann zu spät."

Analyse: Hamilton sichert sich Matchball

Dabei hätte die Situation auch anders ausgehen können. Das Hybrid-System machte dem gebürtigen Wiesbadener einen Strich durch die Rechnung. "Als ich ihn kommen sah, habe ich mich für den Extra-Boost entschieden, aber er kam nicht", erklärte Rosberg: "Es sackte ab, deshalb machte er auf den letzten Metern einen Sprung."

Eine weitere Erklärung lieferte Motorsportchef Toto Wolff. "Beide Fahrer bekamen die Anweisung, auf die Reifen aufzupassen. Nico hatte drei Sekunden Vorsprung auf Lewis - ohne ihn bisher gesprochen zu haben - es schien, als hätte er zu viel auf die Reifen aufgepasst", sagte der Österreicher: "Vor allem, wenn derjenige dahinter auf den gleichen Reifen pusht.

Der WM-Zweite will weiter kämpfen. Doch die aktuelle Fahrerwertung spricht nicht für ihn. Belegt Hamilton bei den verbleibenden zwei Rennen jeweils den zweiten Platz, ist er Weltmeister. Rosberg kann eigentlich nur noch gewinnen, wenn sein Teamkollege technische Probleme hat.

Rosberg verspricht "volle Attacke"

"Es bleibt derselbe Ansatz, ich engagiere mich voll dafür: volle Attacke, versuchen auf Pole zu stehen, dann in Interlagos gewinnen. Das war's", erklärte Rosberg den einfachen Plan und freute sich, dass beim letzten Rennen die doppelten Punkte vergeben werden: "Für mich ist das toll, denn es wird definitiv eine Chance auf die Meisterschaft geben - egal, wie weit ich zurückliege. Und es kommt noch Brasilien, da kann ich es rumdrehen."

Dass Hamilton ihm den Vortritt lässt, ist dabei ausgeschlossen. Nur Punkte zu holen, reicht ihm nicht. In Texas wurde er auf den Tag genau sechs Jahre nach seinem dramatischen WM-Triumph in Brasilien im letzten Rennen der Saison 2008 nicht nur zum erfolgreichsten Engländer der Formel-1-Geschichte, in dem er Nigel Mansell überholte, er zog mit 32 Siegen auch mit Fernando Alonso gleich.

"Es wird genau derselbe Vorsatz sein, den ich an diesem Wochenende hatte: Ich will gewinnen." Für Spannung wird also gesorgt sein, zumal Rosberg mitspielt: "Ich hoffe, es wird aufregend für die Zuschauer, denn das ist das Wichtigste. Wir müssen eine gute Show hinlegen, was wir heute geschafft haben. Ich freue mich auf die letzten beiden Rennen. Mit dem Auto, das wir haben, wird das fantastisch."

Und wer weiß? Vielleicht schlägt sich Rosberg auf die dunkle Seite der Macht. Da Daniel Ricciardo aus dem Rennen um den Titel ausgeschieden ist, müssten die Mercedes-Piloten laut ihren Bossen ab dem Rennen in Sao Paulo vollkommen frei gegeneinander fahren können.

"Wir müssen darüber nachdenken. Es ist richtig, dass nur unsere Jungs noch den Titel holen können, aber wir wollen einen sauberen Sieg. Fair und sauber, so wie heute", machte Wolff einen leichten Rückzieher: "Nicht sauber würde bedeuten, eine Kollision herbeizuführen. Aber das kann Nico sich nicht leisten. Wir wollen keine Senna-Prost-Situation, das ist sicher!"

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