Das so ersehnte Erfolgserlebnis blieb auch zum Abschluss einer enttäuschenden und verkorksten Saison aus. Angelique Kerber packte ein letztes Mal ihre sieben Sachen und verließ niedergeschlagen und mit gesenktem Kopf den Centre Court. Urlaubsreifer geht kaum.
"Ich bin froh, dass das Jahr endlich zu Ende ist", sagte Kerber nach dem 3:6, 4:6 im letzten Gruppenspiel der WTA Elite Trophy gegen die Australierin Ashleigh Barty (Nr. 9) und meinte: "Ich werde jetzt versuchen, in nächster Zeit nicht so viel an Tennis zu denken und dann mit Vorfreude in die Vorbereitung auf 2018 starten."
Die Szenen des fluchtartigen Abgangs aus dem Hengqin Tennis Center von Zhuhai hatten Symbolcharakter für ein ganzes Jahr, das die ehemalige Nummer eins wohl am liebsten aus ihrem Gedächtnis streichen würde. Kerber wird erstmals seit fünf Jahren nicht mehr in den Top 20 stehen.
Nicht direkt in den Urlaub
Zwei Niederlagen, kein Satzgewinn, das Halbfinale der sogenannten B-WM trotz Schützenhilfe verpasst - der abschließende Auftritt in China sorgte dafür, dass sie frustriert in ihre gut dreiwöchigen Ferien starten wird.
Mit einem Zweisatzsieg gegen Barty hätte Kerber trotz ihrer Auftaktniederlage gegen die Russin Anastasia Pavlyuchenkova (3:6, 6:3, 2:6) noch die Vorschlussrunde erreichen können. Doch ein paar wenige Highlights im Duell mit der früheren Profi-Cricket-Spielerin Barty reichten nicht.
Komplett in den Urlaubs-Modus schalten, kann Kerber aber trotzdem nicht: In den nächsten Tagen stehen zwecks Planung für die Vorbereitung sowie die kommende Saison noch Besprechungen mit ihrem Team an. Vielleicht wird die zweimalige Major-Gewinnerin diesbezüglich auch noch das persönliche Gespräch mit Steffi Graf suchen.
Die Chance ist günstig. Die Ikone ist in Zhuhai in ihrer Funktion als Schirmherrin des Events vor Ort - und könnte Kerber in einer vertrackten Situation wertvolle Tipps geben.
Eher verdeckte Hilfe
Nicht nur Boris Becker hält Graf für eine wertvolle Kerber-Einflüsterin. "Ich glaube, Steffi würde gerne helfen, ohne dass es jemand mitbekommt", sagte der dreimalige Wimbledonsieger jüngst dem SID.
Barbara Rittner hat für ihr Sorgenkind Kerber auch noch ein paar andere Ratschläge parat. "Angie sollte die Jahre 2016 und 2017 am besten komplett ausblenden. Das waren zwei extreme Saisons", sagte Rittner, Head of Women's Tennis im DTB, und meinte: "An 2016 darf sie sich nicht messen, sondern sollte lieber an die vielen Jahre davor denken, in denen sie konstant in der Weltspitze mitgespielt hat."
Sicherlich wird auch Torben Beltz auf dem Prüfstand stehen. Mit dem Coach, der die Linkshänderin seit ihrer Jugend kennt, holte Kerber in der vergangenen Saison unter anderem ihre beiden Grand-Slam-Titel und erlebte ihre Sternstunde.
Doch diesmal schloss die 29-Jährige ihr Tennis-Jahr ohne Titelgewinn ab. Bei den French Open und den US Open kam das Aus bereits in der ersten Runde, bei den Australian Open und in Wimbledon erreichte Kerber das Achtelfinale.
Bezeichnend war im Jahr danach aber besonders eine Statistik: Während Kerber 2016 24 Matches gegen Top-20-Konkurrentinnen gewann, gelang ihr diesmal nur ein Sieg (bei zwölf Niederlagen) gegen diese Kategorie von Spielerinnen. 2017 hatte sie eine Gesamt-Bilanz von 29:24 Siegen - in ihrer Traumsaison waren es 64:19 Erfolge.