Jens Gerlach, der Neue auf der deutschen Fed-Cup-Bank, hat seine selbstbewusste Einschätzung zum Halbfinal-Knüller gegen Tschechien oft und gern wiederholt. Es sei ein "50:50-Spiel", bei dem die Tagesform entscheide, man bewege sich "auf Augenhöhe" mit der "besten Länderauswahl dieser Epoche", sagt Gerlach, mit jenem tschechischen Team, das drei Mal in den letzten vier Jahren den Nationenwettbewerb gewonnen hat.
Der gebürtige Stuttgarter Gerlach, inzwischen im Allgäu lebend, hätte kaum so viel Zuversicht ausstrahlen können, wenn nicht eine seiner Spielerinnen zuletzt einen verblüffenden Aufschwung erlebt hätte. Nicht Angelique Kerber ist gemeint, sie ist schon einem halben Dutzend Jahren ziemlich zuverlässig und stabil in der engeren Weltklasse unterwegs, wenn auch mit einigen Leistungsschwankungen.
Julia Görges als zweite Speerspitze
Gerlach und überhaupt die Deutschen dürfen auf den ersten deutschen Titelgewinn seit der Ära Steffi Graf/Anke Huber hoffen, weil mit der Bad Oldesloerin Julia Görges inzwischen eine zweite sehr starke Solistin im Team vertreten ist. Anders als vor rund dreieinhalb Jahren, als die Deutschen im Finale in Prag gegen die Tschechinnen verloren, lastet nun nicht mehr der alleinige Erwartungsdruck auf der zweimaligen Grand-Slam-Siegerin Kerber.
Kerbers Punkterfolge werden zwar auch unbedingt vonnöten sein bei diesem Tennisduell in der Porsche Arena, doch mit der Führungsaufgabe ist schwarz auf weiß die aktuelle deutsche Nummer eins, Görges, betraut. Sie ist die Nummer 11 der Weltrangliste, Kerber die Nummer 12. "Jeder im Team will und muss seine Punkte holen", sagt Görges.
In gewisser Weise führt die Rollenverteilung zurück zu den Tagen, als das neue deutsche Fräuleinwunder zart Gestalt annahm. Im Frühling 2011 war das, Görges gewann damals als erste Spielerin dieser Generation ein wirklich großes Turnier, nämlich den Porsche Grand Prix in Stuttgart. Im Endspiel besiegte sie seinerzeit die Weltranglistenerste Caroline Wozniacki.
Görges war in jenem Moment die gefühlte deutsche Nummer 1, der Weg hinauf in die Weltspitze schien vorgezeichnet. Doch Görges blieb dann erst mal ein One-Hit-Wonder - und der Sieg nur ein vergängliches Highlight. Zu oft blieb das Nordlicht in den folgenden Jahren unter den eigentlichen Potenzialen, sie sei dann irgendwann in eine "Spirale der Enttäuschungen und des Frusts" hineingeraten.
Görges gelingt Radikalkur
Dass man Görges nun, wie Anke Huber, die frühere Weltklassespielerin, sagt, einen Sieg gegen "jede andere Spielerin der Welt" zutraut, hat mit der umstoßenden Radikalkur zu tun, die sie sich vor etwa zwei Jahren verordnete. Görges zog ins bayerische Regensburg, in die Heimat ihres Freundes und Physiotherapeuten Florian Zitzelsberger, wählte mit Michael Geserer auch einen neuen Coach. Ihr Spiel wurde rasch konzentrierter, stabiler, zwingender.
Vor allem aber: Nicht mehr so fehleranfällig, so unberechenbar für sie selbst, für Görges. "Julia hat nun einfach mehr Freude an allem, was sie macht", sagt Geserer, der Übungsleiter. Im letzten Jahr erlebte das Nomaden-Trio im Wanderbetrieb einen großartigen Saisonendspurt, mit einem Sieg in Moskau qualifizierte sich Görges kurz vor Toresschluss für die B-WM der Frauen im chinesischen Zhuhai - nur, um dort dann auch den Pokal in die Höhe zu halten. Gleich der erste Turniereinsatz 2018 brachte dann sogar den Titel-Hattrick, mit dem Pokalcoup im neuseeländischen Auckland.
Selbstbewusstsein tankte die 29-jährige noch einmal kurz vor dem Fed-Cup-Showdown, mit dem Finaleinzug beim WTA-Wettbewerb im amerikanischen Charleston. Nun wartet der schwerstmögliche Gegner auf dem Weg ins Fed-Cup-Endspiel, vielleicht auch zum Gesamtsieg (dem ersten dann seit 1992) bereits im Halbfinale - Tschechien mit seinen beiden Top-Ten-Assen Karolina Pliskova und Petra Kvitova, beide schon einmal die Nummer 1 der Welt. "Es wird eine große, eine gewaltige Herausforderung. Aber wir können sie bestehen", sagt Görges.