Von Florian Goosmann aus Stuttgart
"Ich hatte kein Glück - und dann kam auch noch Pech dazu." Ein Satz, den Tommy Haas so nicht als Erklärung für seine Niederlage anführte, der den Nachmittag aus Sicht des 39-Jährigen jedoch mehr oder weniger zusammenfasste. Ergänzt von der Tatsache, das Mischa Zverev ein fast fehlerloses Spiel ablieferte.
Haas hatte früh Frust. Als er im ersten Aufschlagspiel Zverevs einen Lob nur knapp hinter die Linie setzte und unsicher war, ob er challengen sollte, blickte er zu seiner Box - um im nächsten Moment wütend abzuwinken. "Danke für die Hilfe, Leute", hieß das, und Haas versuchte auch später noch kurz mit bösen Blicken gen Himmel oder Balljungen, den Schuldigen zu finden, ließ aber letztlich davon ab.
"Kann sein, dass noch ein Schläger draufgeht"
Das 6:4, 6:4 aus Zverevs Sicht klingt knapper, als es der Spielverlauf wiedergab. Zverev war selten in Gefahr, das einzige Mal beim 3:4 in Durchgang zwei, als er ein 0:40 drehte, mit zwei Aufschlägen, die im T-Feld versprangen. Zu weiteren Breakbällen kam Haas nicht.
Zverev spielte das Match geschickt: Serve-and-Volley bei eigenem Aufschlag, im Verteidigungsmodus und weit hinter der Grundlinie startend bei Aufschlag Haas. Aus seiner Startposition slicte Zverev geduldig zurück, was Haas ihm aufbot, und rückte, sobald Haas zu kurz wurde, ans Netz auf. Haas gelang es zu selten, Zverev mit den ersten Schlägen in Bedrängnis zu bringen, zu oft verzog er die Vorhand, und das meist nicht zu knapp. "Kann gut sein, dass nachher noch ein Schläger draufgehen wird", kündigte er entsprechend nach dem Match an.
In Satz zwei suchte Haas selbst öfter den Weg nach vorne, um von Zverev einen butterweichen Slice vor die Füße zu bekommen oder die durchgezogene Rückhand, wie beim Breakball beim Stand von 4:4 im zweiten Durchgang, der vorgezogenen Entscheidung.
Zverev: "Wir sind alle nur Menschen"
Die Frage, ob es denn wirklich der letzte Auftritt in Stuttgart gewesen sein, bejahte Haas anschließend. Und machte, mit Tochter Valentina auf dem Schoß, klar, um wen es ihm überhaupt noch ginge, "neben dem eigenen Ehrgeiz, es mir noch mal beweisen zu wollen".
Valentina war es auch, die sogar Gegner Zverev sentimental werden ließ. Ob ihm der Abschied von Haas etwas leid tue? "Ja, vor allem, weil ich seine Tochter im Hintergrund gehört habe, die immer 'Come on, Daddy' gerufen hat. Das fand ich sehr süß und niedlich. Da merkt man, dass wir alle nur Menschen sind, wir alle eine Familie haben", meinte er. "Vielleicht spiele ich auch mal mein letztes Match und habe meine Familie hinter mir."
Für Zverev geht es im Halbfinale nun gegen Feliciano Lopez, für Haas weiter nach Halle, in einem für seine Verhältnisse unversehrten Zustand. "Mein Körper fühlt sich gut an", sagte er und blickte hierbei auch noch mal aufs große Ganze. "Letztlich muss ich meinem Körper dankbar sein, dass ich nach vier Schulteroperationen überhaupt noch spielen kann. Wenn ich ein Pferd wäre, wäre ich schon längst tot."