Von Florian Goosmann aus London
Zverev und Isner sind zwei, die sich kennen und mögen - was lag also näher, als dass Zverev seinem Kumpel Isner ein kleines Vor-Match-Geschenk machte? Zverev hatte eben den Münzwurf um den Aufschlag gewonnen und entschied sich für den Return. "Das hättest du nicht machen müssen", flachste Isner - und beide lachten.
Zverev in fast allen Statistiken vorn
Der 2,08-Meter-Mann aus den USA nahm die Geste von Zverev dennoch dankend an und servierte sich schnell zum 1:0, aber auch Zverev stand in wenig nach - im Gegenteil. Die Zahlen nach Satz eins: 77 Prozent erste Aufschläge (lange Zeit über 80!), 83 Prozent gewonnene Punkte, wenn der erste kam, 56 Prozent Punktgewinne beim zweiten - dazu deutlich weniger einfache Fehler, fast gleich viele Winner und mehr Asse als Isner ... und dennoch wäre es beinahe schief gegangen. Denn es war Isner, der beim 6:5 aus seiner Sicht den deutschen erstmals über Einstand zwang und sich den ersten Satzball holte. Zverev aber blieb eiskalt und wehrte mit einem Ass ab.
Im Tiebreak verzog Isner am Ende schließlich zwei Vorhände zum Satzgewinn Zverevs, der wild gestikulierend das Publikum aufpeitschte. Für Isner bedeutete der Satz-Verlust bereits das sichere Aus bei seiner ersten Teilnahme an den ATP Finals.
Zverev besser als der Asse-König
Auch im zweiten Satz blieb der Weltranglisten-Fünfte konzentriert, seinen ersten Breakball erspielte er sich beim 4:3 und nutzte ihn direkt mit einem tiefen Ball auf die Füße des nach vorne gestürmten Isner. Kurz darauf war der Sieg perfekt - und damit der Halbfinaleinzug. "Wir kennen uns so gut, vielleicht weiß ich, was er in den wichtigen Momenten denkt", sagte er im Anschluss.
Der 21-Jährige ist damit der erste deutsche Spieler seit Rainer Schüttler, der das Halbfinale der inoffiziellen Weltmeisterschaft erreichte, dem künftigen Kerber-Coach gelang dies 2003 in Houston. Letzte und einzige Sieger aus Deutschland waren Boris Becker (1988, 1992, 1995) und Michael Stich (1993).
Zverevs Leistung: einfach nur konzentriert und stark. Am Ende standen 25 Winner auf beiden Seiten, dem Hamburger unterliefen jedoch nur 10 einfache Fehler, bei Isner waren es doppelt so viele. Verrückt: 18 Asse bretterte Zverev auf die Gegenseite, Aufschlag-Gigant Isner gelangen "nur" 10 Stück. Zuletzt hatte Zverev über die Müdigkeit und eine zu lange Saison geklagt, gegen Isner scheint er noch mal die letzten Reserven angezapft zu haben.
Im Halbfinale gegen Roger Federer
Zverev wird seine Gruppe damit als Zweiter beenden, hinter Novak Djokovic. Dessen Match gegen Marin Cilic am Abend hat keine Bedeutung für den Ausgang der Gruppenphase mehr.
In den Halbfinals am Samstag trifft Zverev somit auf Roger Federer (ab 15 Uhr MEZ, live auf Sky) und Djokovic auf Kevin Anderson (ab 21 Uhr MEZ, live auf Sky). Zverevs offizielle Bilanz gegen Federer steht bei zwei Siegen und drei Niederlagen. Zuletzt trafen die beiden im Vorjahr in London in der Gruppenphase aufeinander, damals siegte Federer nach hoch intensivem Beginn mit 7:6 (6), 5:7, 6:1.