London. Zwei Tage lang hatte sich das Wimbledon-Turnier 2018 in Ausdauerkämpfen für die Geschichtsbücher empfohlen. Erst gab es das längste Halbfinale der Turniergeschichte, es wurde mit dem 50. Spiel des fünften Satzes nach 6:35 Stunden und einem 26:24 für Kevin Anderson und gegen John Isner (USA) entschieden.
Und dann gab es noch das zweitlängste Halbfinale in Wimbledons reicher Historie, es ging über den Freitag und Samstag, es gewann Novak Djokovic in einem 5:48 Stunden-Match gegen seinen ewigen Rivalen Rafael Nadal, 10:8 im fünften Satz.
Und damit war es dann aber irgendwie auch genug mit den Marathons und mit den Ultra-Marathons: Jedenfalls kürte sich Djokovic, der wiedererstarkte "Djoker", am Finalsonntag in einer spannungsarmen, nur 138 Minuten währenden Schlussinszenierung zum vierten Mal zum Rasen-König, er gewann 6:2, 6:2 und 7:6 (7:3) gegen den müde und matt wirkenden Anderson.
Djokovic als ungläubiger Sieger
"Ich hätte es selbst nicht gedacht, dass ich hier stehe als Sieger", sagte Djokovic, der in den letzten beiden Jahren durch verschiedenste Krisen in Schieflage geraten und weit in der Weltrangliste abgestürzt war. Auch in Wimbledon hatte Djokovic zuletzt wenig Vergnügliches erlebt, vor einem Jahr musste er wegen einer Ellenbogenverletzung das Achtelfinalmatch gegen den Tschechen Tomas Berdych beim Stand von 6:7 und 0:2 aufgeben.
Seinen dritten Wimbledontitel hatte Djokovic 2015 noch an der Seite von Boris Becker geholt, damals gegen Roger Federer.
"Mini-Nole" jubelt Papa von den Rängen zu
Stolzester Fan und Bejubler des Sieges war Djokovic vierjähriger Sohn Stefan, der nach dem Matchball von einer Betreuerin in die Ehrenloge geholt worden war - die Partie selbst durfte er nicht verfolgen, das ist erst mindestens Fünfjährigen erlaubt.
"Zum ersten Mal freut sich einer auf dem Centre Court, der Daddy, Daddy ruft", sagte Djokovic gerührt bei seinem ersten Interview auf dem Hauptplatz des All England Club, "ich bin froh, dass ich wieder in die Spur gefunden habe. Entscheidend für diesen Sieg, für die ganze Aufwärtsentwicklung war, dass ich mir wieder konsequent vertraue."
Djokovic hatte wegen seiner Verletzungsprobleme auch längere Zwangspausen einlegen müssen, auch diese Comebackmission an der Church Road hatte er nur von Platz zwölf der Setzliste und Platz 21 der Weltrangliste angegangen. Nun, nach seinem vierten Triumph beim wichtigsten Branchentreffen, wird er wieder in die Top Ten aufrücken - genau auf Platz zehn.
Marathon-Matches sorgen für Unverständnis
Das Finale litt unter der eher zweifelhaften Rekordflut an den Tagen zuvor, unter den Endlospartien, die insbesondere Anderson die Kraft zum energischen Widerstand geraubt hatten.
Bis zum Marsch auf den Centre Court zur Verabredung mit Djokovic hatte er sage und schreibe 21 Stunden auf den grünen Tennisfeldern gestanden, es war schlicht zu viel, wie sich schnell im Finale herausstellte.
Denn in den beiden Auftaktsätzen war Djokovic gegen den ersten Südafrikaner, der in der modernen Ära dieses Sports ein Wimbledon-Endspiel erreicht hatte, haushoch überlegen. Zwei Mal hieß es 6:2, es war kaum vorstellbar, dass Anderson sich noch aus dieser Notlage würde befreien können.
Anderson kämpft vergebens
Aber dann kam er doch noch auf Touren, als alle eigentlich schon mit einer weiteren Abfuhr für ihn im dritten Satz gerechnet hatten. Er war sogar der bessere Mann in diesem Durchgang, das gab Djokovic später anstandslos zu. Aber nachdem er fünf Break- und Satzbälle in mehreren Aufschlagspielen des Serben nicht genutzt hatte, war er dann im Tiebreak wieder ohne Chance.
"Ich wäre gerne in einen vierten oder sogar fünften Satz gekommen. Es dauerte einfach zu lange, bis ich meinen Rhythmus fand", sagte Anderson später, "ich bin allerdings sehr zufrieden, wie ich dieses Turnier gespielt habe.
Es waren die besten Tage, die ich als Tennisspieler hatten." Nur endete dieses Gastspiel an der Church Road nicht auf dem Thron, als König von Wimbledon. Der heißt wieder Novak Djokovic, und das war durchaus auch eine Überraschung.