Wie immer kann der geneigte Beobachter nur erahnen, wie die Gedankenstränge von Nick Kyrgios verlaufen sind, nachdem der Australier knapp nach 19 Uhr Ortszeit endlich den Court 1 in Wimbledon betreten hatte. Große Lust schien Kyrgios nicht zu haben, aber warum?
Hätte der Mitfavorit die Verlegung auf einen anderen Court und damit einen früheren Beginn präferiert? Die Matches von Simona Halep und Alexander Zverev hatten sich ja schließlich zu Epen entwickelt, mit jeweils ungünstigem Ausgang für die Favoriten. Lag der Unmut des Mannes aus Canberra an Gegner Kei Nishikori, gegen den er noch nie gewonnen hatte? Oder an den Aussichten für das weitere Turnier, die Kyrgios dann zwar nicht mehr Zverev, wahrscheinlich aber Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer beschert hätten?
Kyrgios mit Ansetzung in Wimbledon nicht happy?
Das früh begonnene Dauerlamento von Nick Kyrgios ließ jedenfalls erahnen, dass die Veranstalter des dritten Grand-Slam-Turnier des Jahres alles richtig gemacht hatten. Oder schlichtweg vom Spielglück geküsst wurden. Hätte die australisch-japanische Affäre nämlich einen anderen, ausgeglicheneren Verlauf genommen, wären zwei Optionen zur Auswahl gestanden: Das Match auf dem Centre Court unter Flutlicht zu beenden. Oder am Montag, wenn doch eigentlich die Konzentration nur noch auf dem Achtelfinale liegen sollte.
Fognini schon bei "The Boodles" kein Rasenfreund
In dem auch Benoit Paire und Fabio Fognini fehlen werden, zwei Brüder im Geiste von Kyrgios. Wobei sich die Beschwerden des Italieners bei seiner Niederlage gegen Jiri Vesely in einem überschaubaren Rahmen gehalten haben, die Ansprüche Fogninis auf Rasen sind rechtschaffen gering. Das hat der Italiener bei seinen Auftritten bei "The Boodles" vergangene Woche eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Eben dort war auch Benoit Paire am Start. Dass der Franzosen mit dem Gras per Du ist, hat Paire in Halle/Westfalen gezeigt: Gegen Roger Federer hat lediglich ein Punkt zum Glück gefehlt. Dort aber zeigte Paire Standfestigkeit, schon in Stoke Park verbrachte der 29-Jährige aus Avignon mehr Zeit rollend auf dem Rasen als die gesamte französische Fußball-Nationalmannschaft im WM-Viertelfinale gegen Uruguay. Kumuliert.
Paire gegen del Potro mit kleinen Chancen
Was zur Folge hatte, dass Paire in Wimbledon mit einer beeindruckenden Bandage um das linke Bein seiner Arbeit nachging. Bis zum Treffen mit Juan Martin del Potro erfolgreich, auch, weil Paire ein interessantes Leckerli zum Auftakt gegen Andy Murray durch die späte Absage des Schotten erspart blieb.
Gegen den Argentinier bot Paire ein solides Spiel, kombinierte gewissermaßen die Tugenden von Fognini und Kyrgios für diesen einen Samstag-Nachmittag: Wie der Italiener hatte auch Paire kleine Chancen, wie Kyrgios blieb das Auslassen eben jener nicht unkommentiert. Vor allem nicht im Tiebreak von Satz zwei.
Als Bilanz lässt sich mithin festhalten: Schön, dass die drei Herren aus der Unterhaltungsabteilung Zeit gefunden haben. Den Titel spielen aber, wieder einmal, die seriöseren Aspiranten untereinander aus.