Von Ulrike Weinrich aus Wimbledon
Nach 63 Minuten verwandelte Kerber ihren zweiten Matchball und durfte sich nach einem Zittersieg zwei Tage zuvor diesmal über einen wirklich überzeugenden Auftritt freuen. Der Linkshänderin unterliefen insgesamt nur fünf (!) unerzwungene Fehler. Es war die Basis für ein Statement der zweimaligen Grand-Slam-Siegerin. "Ich wusste, was auf mich zukommt, und ich habe versucht, mein Spiel durchzuziehen und aggressiv zu sein", sagte Kerber und verschwand ins Eisbad.
Als einzige Top-Ten-Spielerin steht Karolina Pliskova (Tschechien) im Achtelfinale - die restlichen Neun aus dem erlauchten Kreis sind bereits ausgeschieden. Unter anderem Branchenführerin Simona Halep (Rumänien), die am Samstag völlig überraschend an Su-Wei Hsieh aus Taiwan scheiterte (6:3, 4:6, 5:7).
Kerbers erfolgreiche Rückkehr ins Theater der Träume
Kerber betrat den Centre Court, dieses Tennis-Theater der Träume, hochkonzentriert. Vor fast genau zwei Jahren, in ihrer Traum-Saison 2016, hatte sie hier das Finale gegen Serena Williams (USA/5:7, 3:6) bestritten. "Dieser Court ist natürlich etwas Besonderes", betonte die 30-Jährige, die an diese Niederlage gegen den Superstar durchaus auch positive Erinnerungen hat: "Ich habe dieses Endspiel nicht verloren, Serena hat es gewonnen." Will heißen: Viel vorwerfen konnte sie sich damals nicht.
Vor Kerber hatte auf dem berühmtesten Tennisplatz der Welt Rafael Nadal (Spanien/Nr. 2) seine Drittrundenpartie gegen den australischen Teenie erfolgreich bestritten. Dabei saß Englands Fußball-Ikone Sir Bobby Charlton zusammen mit seiner Gattin in der Royal Box.
Zu Beginn der Partie der deutschen Nummer eins allerdings war der Fußball-Weltmeister von 1966 kurz verschwunden. Aus gutem Grund: Quasi parallel zum Kerber-Match kämpften die "Three Lions" bei der WM in Russland gegen Schweden um den Halbfinaleinzug. Und das konnte sich Charlton natürlich nicht entgehen lassen.
Kerber agierte fast fehlerlos und nutzte ihre Chancen
Doch der 80-Jährige verpasste einen starken Start der Favoritin. Kerbers Einschätzung, dass es gegen Osaka ein "Spiel mit kurzen Ballwechseln" geben werde, bewahrheitete sich nicht so recht. Es gab oft lange Grundlinienduelle - meist mit dem besseren Ende für die ehemalige Nummer eins, die nach einem Break und einem zu null gewonnenen Aufschlagspiel schnell mit 2:0 in Führung ging.
Osaka, die vom Münchner Sascha Bajin trainiert wird, versuchte immer wieder, die Initiative zu übernehmen. Doch Kerber agierte, anders als die 20-jährige Asiatin, nahezu fehlerfrei und nutzte ihre Chancen bei Temperaturen von 30 Grad Celsius konsequent aus. Osaka hatte ihr im vergangenen Jahr in der ersten Runde der US Open eine ganz bittere Niederlage zugefügt und in New York für das frühe Ausscheiden der Titelverteidigerin gesorgt.
Auch Bobby Charlton war schnell wieder da
Mit ihrem bis dato achten Unforced Error bescherte Osaka Kerber den Satzgewinn nach 27 Minuten. "Angie" hatte sich bis dahin gerade einmal einen unerzwungenen Fehler erlaubt. Als sie gleich danach nachlegte und mit 2:0 in Führung ging, war auch Bobby Charlton längst wieder auf seinem Platz angekommen. Auch danach änderte sich wenig am Spielverlauf. Allerdings deutete Osaka jetzt vermehrt an, über wie viel Potenzial sie verfügt.
Kerber hatte zwei Tage zuvor nach ihrem Zweitrunden-Zittersieg über drei Sätze gegen die 18 Jahre alte Qualifikantin Claire Liu (USA) durchaus selbstkritisch angemerkt: "Ich weiß, dass ich mich steigern muss. Ich habe ein bisschen gebraucht, um ins Turnier zu finden." Jetzt ist die angekommen.