Als sich Wim Fissette und seine Chefin Angelique Kerber Ende letzten Jahres zusammensetzten, um über die Saisonplanung für 2018 zu sprechen, war das große Ziel schnell benannt: Wimbledon, das Turnier der Turniere, sollte gewonnen werden. Es war der Termin, der zählte. Und es war die Mission, die alles andere in den Schatten stellte.
Und am 14. Juli war es tatsächlich dann auch geschafft, der denkwürdige, der historische, der unvergeßliche Triumph auf dem berühmtesten aller Centre Courts. Im Endspiel gegen Serena Williams, die prägende Spielerin dieser Epoche. Ein Traum ging in Erfüllung, ein Traum seit Kindertagen.
Angelique Kerber: "Habe mir das Spiel aus der Hand nehmen lassen"
Wahrscheinlich ist an diesem Tag, beim bedeutendsten aller Grand Slam-Wettbewerbe, das Tennisjahr für Kerber innerlich schon zu Ende gegangen. Kerber hatte das selbst in London einmal en passant angedeutet, mit der herausgeplatzten Bemerkung kurz nach dem Finalcoup: "Mehr geht nicht."
Der Sommer nach dem Titelgewinn war auf den nordamerikanischen Hartcourts jedenfalls durchwachsen, bestenfalls anständig, und nun, bei den US Open, kam Kerber nie in die besondere, außergewöhnliche Grand Slam-Stimmung, um womöglich einen Doppelschlag bei den Topturnieren landen zu können.
Zwei Runden quälte sich Kerber zum Auftakt gegen Konkurrenz aus dem Mittelstand der Tennistour durch, ehe sie am Samstag mit 6:3, 3:6 und 3:6 verdientermaßen gegen die ehemalige WTA-Weltmeisterin Dominika Cibulkowa aus der Slowakei scheiterte: "Ich habe mir das Spiel aus den Händen nehmen lassen", sagte Kerber anschließend. Und betonte dann: "Was ich in diesem Jahr geschafft habe, kann mir aber keiner mehr nehmen."
Chris Evert: Angelique Kerber "hat viel Kraft gelassen"
In der Tat: Kerber war in der neuen Unübersichtlichkeit des modernen Frauentennis in dieser Saison noch so etwas wie eine Konstante, ein kleiner Stabilitätsfaktor. Mit dem Halbfinaleinzug in Melbourne, dem Viertelfinalvorstoß in Paris und dem grandiosen Erfolg in Wimbledon war sie die beste Grand Slam-Spielerin 2018 überhaupt - nur Serena Williams könnte ihr diesen Rang mit einem US Open-Sieg noch streitig machen.
"Sie hat viel Kraft in den letzten Monaten gelassen. Das war in New York nicht zu übersehen", bemerkte die ehemalige Weltklassespielerin Chris Evert, "Wimbledon, dieser ganze Auftritt dort, der hat auch emotional ausgezehrt." So war Kerbers Gastspiel im Big Apple nur von flüchtiger Natur, ohne Erinnerungswert - da halfen auch alle Motivationsversuche von Coach Fissette und die eigenen Aktivierungsappelle nichts.
"Come on" rief sich Kerber immer und immer wieder in den drei Matches zu, aber es war überwiegend eher Qual als Freude, die ihre Matches ausstrahlten. Gegen Cibulkova verfiel Kerber in ganz alte Fehler, spielte zu zögerlich und ängstlich selbst nach der mutmachenden 1:0-Satzführung.
US Open: Damen-Feld nach Aus von Halep, Wozniacki und Co. völlig offen
Am Ende war sie dann chancenlos gegen die hitzig-aggressive Slowakin, die komplett den Takt und Rhythmus der Partie diktierte. Viele Favoritinnen waren am Ende der Grand Slam-Saison auch in New York schon vor Kerber ausgeschieden, der physisch immer anspruchsvollere Circuit fordert seinen Tribut gerade von der Elite.
Halep, die Nummer eins, und Wozniacki, die Nummer zwei, verabschiedeten sich früh ermüdet. Auch weitere Grand Slam-Champions neben Kerber hatten keinen Punch mehr, etwa die zweimalige Wimbledongewinnerin Petra Kvitova.
Oder Spaniens Garbine Muguruza. Wie im vergangenen Jahr, als die krasse Außenseiterin Sloane Stephens siegte, könnten die US Open wieder einmal zur Wundertüte werden - mit einer Championesse, die keiner auf der Rechnung hat. Eine, die dort plötzlich wie auf einer Mission unterwegs ist.