Zverev startet von Weltranglistenplatz 6 und Platz 4 der Setzliste in das New Yorker Turnier - diese Differenz weist auch auf ein Kernthema in dieser Saison hin, das auch die US Open-Konkurrenz mitbeeinflussen wird, vielleicht sogar zu Gunsten des 20-Jährigen. Unter den vielen Verletzten, die es in den letzten Monaten gab und die es auch in diesen Tagen gibt, befinden sich ja auch zwei absolute Topstars, der Schweizer US Open-Titelverteidiger Stan Wawrinka und der vormalige Weltranglisten-Erste Novak Djokovic. Beide beendeten ihre Saison vorzeitig, und zwar kurz bevor Zverev im Sommer auf den US-Hartplätzen so richtig Schwung aufnahm und zwei topbesetzte Turniere gewann. Auch andere sind angeschlagen, wie der Weltranglisten-Erste Andy Murray. Oder hatten im Vorfeld der US Open mit Problemen zu kämfen, wie der verehrte Maestro Roger Federer.
"Ultimative Herausforderung"
Zverev kann sich da kaum wehren, nicht mit Titelchancen konfrontiert zu werden - selbst wenn einer wie der neue DTB-Herrentennis-Chef Boris Becker sagt: "Ein Titel, das ist ein großes, sehr großes Ziel. Man muss vorsichtig sein." Allerdings ist dem Altmeister ja auch nicht entgangen, welche imponierenden Fortschritte dieser Zverev gerade in den letzten Monaten gemacht hat - all das passierte parallel zur Dauerkrise von Angelique Kerber. Zverev ist keiner, der wie Kerber am Ende eines ganz langen Marsches durch die Tennis-Institutionen ans Ziel gelangt, er wirkt eher wie einer dieser Musterschüler, der mühelos die ein oder andere Klasse überspringt. Man kann durchaus sagen, dass er ein Wunderkind ist in dieser Epoche, in der die Champions immer älter und reifer geworden sind. "Sagenhaft für einen 20-jährigen" sei Zverev, sagt auch Becker. Aber nicht nur er, sondern auch einer wie John McEnroe, der geniale Superflegel der 80er Jahre, warnt: "Die ultimative Herausforderung, das Meisterwerk - das ist ein Grand Slam-Triumph. Das gilt auch für Zverev."
Erstklassiges Team für erstklassige Ziele
Aber klar ist: Der jugendlich-unverbrauchte Hamburger hat es schon weit gebracht in seinem Beruf. Auch, weil er über Fähigkeiten verfügt, die schon andere ganz Große auf ihrem Weg nach oben auszeichnete. Das gilt für die Selbstverständlichkeit und Souveränität, mit der Zverev sein Spiel entwickelt. Das gilt für die Abgebrühtheit, mit der bei den Big Points ins Risiko geht, oft mit der Alles-oder-Nichts-Attitüde. Aber das gilt vor allem für die Qualität, aus Rückschlägen und Enttäuschungen schnell und effektiv zu lernen. Und Fehler nicht zwei Mal zu machen. Hinzu kommt: Zverev hat seit Jugendjahren ein erstklassiges Team von Dienstleistern um sich herum, zuletzt stieß auch noch der Spanier Juan Carlos Ferrero dazu, ein Grand Slam-Champion, eine Nummer 1 von früher. Auch Becker wird mit beraten, nicht nur im Davis Cup. Zverev kann eigentlich noch warten auf den ganz großen Erfolg, es wäre immer noch eine Riesenüberraschung, wenn ihm hier in New York ein Top-Coup gelingen würde. "Ich setzte mir keine utopischen Ziele. Ich will eigentlich nur mein bestes Tennis spielen", sagt er. Das aber könnte für sehr viel reichen.