Von Ulrike Weinrich aus Melbourne
In den australischen Zeitungen wird bereits vor der herannahenden Hitzewelle gewarnt. Aus dem Happy Slam wird zumindest erst einmal der Hot Slam: Am Donnerstag und Freitag soll in Melbourne die 40-Grad-Celsius-Marke erreicht werden. "Das ist eine extreme Belastung für alle Profis. Besonders auf den Hauptcourts kann es zu Temperaturen von bis zu 50 Grad kommen", sagte DTB-Arzt Didi Wolter im Gespräch mit tennisnet.
Der Mediziner aus Berlin empfiehlt den Einsatz von Eiswesten bei den Seitenwechseln und die Benutzung der Eiswannen im Stadiontrakt, "um die Körpertemperatur runterzukühlen". Wichtig sei, dass die Spieler und Spielerinnen während der Matches zwei bis drei Liter trinken. "Nur so kann der Sauerstoffgehalt im Blut ausreichend aufrecht erhalten und die Konzentration über den Zeitraum der Spiele gehalten werden", erklärte Wolter.
Kerbers Trick: "Das Wetter zum Freund machen"
Schon am Donnerstag könnte zudem die Extreme Heat Policy (EHP) zur Anwendung kommen. Matches werden unterbrochen, wenn der sogenannte WBGT-Faktor (Wet Bulb Globe Temperature), der sich aus der Temperatur, der UV-Strahlung, dem Wind und der Luftfeuchtigkeit errechnen lässt, die magische Grenze von 32,5 Grad Celsius übersteigt.
Angelique Kerber, Melbourne-Champion von 2016, hat mal ihr Geheimrezept in Sachen Aussie-Hitze verraten. "Man muss sich das Wetter zum Freund machen." Will heißen: Klagen hilft nicht. Mentale und körperliche Vorbereitung sind der Schlüssel. Zumal sich der wasserblaue Plexicushion-Belag auf den Courts auf bis zu 50 Grad Celsius aufheizen kann.
Die Profis werden deshalb von den Physios in der Umkleidekabine darauf hingewiesen, wie sie sich bei den extremen Bedingungen zu verhalten haben. Unter anderem wird empfohlen, sich vor und nach dem Match zu wiegen, um so den Gewichtsverlust ausgleichen zu können. "Viele denken nicht an den Salzverlust, das kann zu Krämpfen führen", sagte der langjährige Turnierarzt Tim Woods.
Jahr | Vorfall |
1993 | 40 Grad beim Herren-Finale, Jim Courier droht mit Boykott |
2009 | Heißeste Australian Open der Geschichte mit einer Durchschnittstemperatur von 34,7 Grad |
2014 | Spitzenwert: 43 Grad. Ballkinder erleiden Kreislaufkollaps, Spieler werden medizinisch behandelt |
2015 | Anhebung des WBGT-Faktors von 28 auf 32,5 Grad |
2015 | Zuschauerin klagt Melbourne, weil das Dach der Hisense Arena nicht geschlossen wurde. Auf dem Weg in den Schatten stürzte sie die Treppen hinab. |
Warnungen in Dauerschleife: "Hut auf und viel trinken"
Etliche Profis senken ihre Körpertemperatur vor dem Gang auf den Platz mit Hilfe der in den Umkleidekabinen stehenden Badewannen. Das Wasser ist dabei oft unter zehn Grad kalt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass ein Sportler bei großer Hitze länger durchhält, wenn er "unterkühlt" an den Start geht. Szenarien wie 2014 sollen vermieden werden.
Damals gaben am zweiten Turniertag insgesamt neun Profis wegen der Folgen der damals herrschenden Hitze (bis zu 43,9 Grad Celsius) auf. Ein Jahr später verklagte eine Besucherin die Stadt Melbourne, weil das Dach der Hisense Arena trotz der extremen Temperaturen nicht geschlossen wurde - und sie auf der Suche nach Schatten die Stadiontreppen herunterstürzte.
Die Zuschauer auf dem Gelände am Yarra Fluss können sich den guten Ratschlägen auch bei der 105. Auflage des Events kaum entziehen. Die orangefarbenen Sonnencremetuben mit Lichtschutzfaktor 50 werden an den 14 Turniertagen gratis verteilt. Große Ventilatoren auf der Anlage bieten seit Jahren zudem die Möglichkeit, sich zu erfrischen.
Dazu kommen die unüberhörbaren Ansagen im Minutentakt, die daran erinnern: Hut auf und genug trinken - sonst droht beim Happy Slam der gar nicht so lustige Hitze-Kollaps. Und dann ist für allzu leichtsinnige Sonnenanbeter auf einen Schlag die einmalige Flip-Flop-Stimmung beim ersten Major des Jahres dahin.