Super Bowl LVIII in Las Vegas
Datum | Uhrzeit | AFC-Champion | NFC-Champion |
Mo., 12. Februar | 0.30 Uhr | Kansas City Chiefs | San Francisco 49ers |
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Kyle Shanahan vs. Andy Reid: Ein Wiedersehen im Super Bowl
Als sich Kyle Shanahan und Andy Reid am Montagabend bei der "Super Bowl LVIII Opening Night" herzlich die Hände schüttelten, hätten die Unterschiede zwischen den beiden kaum größer ausfallen können: Auf der einen Seite der hagere 44-Jährige, mit Air Jordan 1s an den Füßen, dazu Jeans, Hoodie und modische Jacke darüber. Auf der anderen Seite ein beleibter, fast kahler 65-Jähriger in Khakis und einem rosa gemusterten, kurzärmligen Shirt.
Gemein hatten sie - neben der Super-Bowl-Teilnahme natürlich - vor allem den großen Respekt voreinander. "Ein toller Typ und großartiger Football-Coach", lobte Reid seinen 21 Jahre jüngeren Kollegen. "Er ist ein großer offensiver Geist, aber eben auch ein toller Head Coach. Er weiß alles." Man werde ein "phänomenales Spiel" brauchen, um die San Francisco 49ers zu schlagen. Shanahan sah es ähnlich: "Es ist kein Zufall, [dass sie zwei Super Bowls gewonnen haben]. Mit diesem Quarterback, Andys Scheme und der Art und Weise, wie er das Team führt, sind sie schwer zu schlagen."
Dabei sprach er aus Erfahrung: Als Head Coach konnte Shanahan noch keines von drei Duellen gegen Reid gewinnen, die schmerzhafteste Niederlage war dabei zweifellos der Super Bowl vor vier Jahren. Damals führten die Niners im Schlussviertel mit 20:10, nur um am Ende mit 20:31 den Kürzeren zu ziehen. Am Sonntag wird es in Las Vegas nun das Rematch geben. Erst zum vierten Mal überhaupt treffen zwei Coaches zum zweiten Mal im Super Bowl aufeinander.
Die Vorzeichen könnten dabei nicht unterschiedlicher sein. Wo es bei Reid eigentlich nur noch um seinen Platz auf dem Mount Rushmore der NFL-Coaches geht, bekämpft Shanahan die Dämonen der Vergangenheit. Und die gehen deutlich über Super Bowl LIV hinaus ...
Andy Reid vs. Kyle Shanahan: Ihre Bilanz im Vergleich
Andy Reid | Kyle Shanahan | |
Alter | 65 | 44 |
Im Team seit | 2013 | 2017 |
Vertrag bis | 2025 (ca. 12,5 Mio Dollar/Saison) | 2027 (ca. 10 Mio. Dollar/Saison) |
NFL-Stationen |
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Bilanz Regular Season | 258-144-1 | 64-51 |
Bilanz Playoffs | 25-16 | 8-3 |
Super-Bowl-Teilnahmen (als Head Coach) | 4 (2 Titel) | 1 (kein Titel) |
Head to Head | 3-0 | 0-3 |
Kyle Shanahan: Erst der Name, dann der Erfolg
Als Sohn des legendären Mike Shanahan, der insgesamt 20 Jahre als Head Coach in der NFL tätig war und mit den Denver Broncos 1997 und 1998 den Titel gewann, wurde Kyle quasi in eine königliche Football-Familie hineingeboren. Auch der berühmte Nachname mag Grund dafür gewesen sein, dass er nach dem College früh eine Chance im Coaching Staff von Jon Gruden bei den Tampa Bay Buccaneers bekam, zunächst in der Gegneranalyse. Aus dem Schatten seines Vaters getreten, machte er sich schnell vor allem in der Offense einen Namen und wurde bei den Houston Texans mit gerade mal 29 Jahren zum Offensive Coordinator.
Diese Rolle sollte er später auch bei den Washington Redskins und Cleveland Browns innehaben, spätestens bei den Atlanta Falcons (2015/16) machte ihm in Sachen Offense niemand mehr etwas vor. Unter seiner Ägide spielte Quarterback Matt Ryan dort seine mit Abstand beste Saison und gewann den MVP-Award, die unaufhaltsame Falcons-Offensive rollte bis in der Super Bowl und dort zu einem 28:3-Vorsprung gegen die New England Patriots.
Das brachte ihm in San Francisco seinen ersten Job als Head Coach ein - obwohl der eigentlich nicht seine erste Wahl war. "Sie hatten in drei Jahren in Folge ihren Coach ausgetauscht, die Offense war Nummer 31 der Liga, die Defense Nummer 32. Das war nicht gerade die beste Situation", erinnerte er sich. Doch er nahm an und formte an der Westküste ein Team, dass seit Jahren zu den Titelanwärtern zählt.
Kyle Shanahan: Seine Offense erobert die NFL
"Genie", "Mastermind" oder auch "Guru": Niemand kann Offense in der NFL so gut wie Kyle Shanahan, darin sind sich die meisten Experten einig. Die "Shanahan Offense" ist mittlerweile ein fester Begriff und hat die Liga im Sturm erobert, ihre Elemente finden sich längst in so ziemlich jeder Offense. Dabei ist sie gar nicht so leicht zu definieren, schließlich entwickelt auch sie sich weiter (eine detaillierte Analyse der Niners-Offense aus dem Super Bowl vor vier Jahren findet Ihr hier). Es geht um Outside Zone Runs, die die Defense in Bewegung bringen, um Pre-Snap-Motion, Play-Action und Pässe in die Mitte des Feldes. Darum, die Defense zu täuschen, um wenige Sets, die unterschiedlich ausgespielt werden.
Und: Sie funktioniert auch ohne Superstar-Quarterback, weil sie diesem das Leben möglichst leicht macht. Unter Shanahan schaffte es Matt Schaub in den Pro Bowl, Matt Ryan zum MVP und Jimmy Garoppolo um ein Haar zum Super-Bowl-Champ.
Kein Wunder, dass sich der Rest der NFL nach ähnlichem Erfolg die Finger leckt - und Shanahans "Coaching Tree" immer wieder ratzekahl pflückt. DeMeco Ryans (Texans), Robert Saleh (Jets) und Mike McDaniel (Dolphins) schafften den Sprung von seinem Coordinator zum Head Coach, auch Sean McVay (Rams) und Matt LaFleur (Packers) arbeiteten zwischenzeitlich unter ihm.
Kyle Shanahan: Bittere Niederlagen pflastern seinen Weg
Wo McVay in Los Angeles vor zwei Jahren aber bereits den Super Bowl gewinnen konnte, stehen bei Shanahan nur schmerzhafte Niederlagen zu Buche: Der verspielte 28:3-Vorsprung gegen die Pats ging in die Geschichte ein, möglich gemacht auch durch zu aggressives Playcalling in der Schlussphase. Das Endspiel gegen die Chiefs wurde spät aus der Hand gegeben, ebenso das Championship Game gegen die Rams. In der vergangenen Saison waren die Niners erneut nah dran, bevor sich Quarterback Brock Purdy gegen die Eagles schwer am Arm verletzte.
Haben diese Pleiten auch mit Shanahan selbst zu tun? Fakt ist: Am besten funktioniert seine Offense bei First and Second Down, am besten mit einer Führung im Rücken. Dazu passt die unglaubliche Statistik, dass seine Teams bis zur zweiten Playoff-Runde gegen die Green Back Packers (24:21) noch keinen 7-Punkte-Rückstand im Schlussviertel wettmachen konnten - und das bei stolzen 30 Versuchen. Und so wird der anstehende Super Bowl in einigen US-Medien auch als Menetekel über Shanahans Fähigkeiten gelesen: Klappt es wieder nicht mit dem Titel, muss er doch Schuld sein!
So simpel ist der Sport natürlich nicht. Wo Patrick Mahomes vor vier Jahren im Schlussviertel zwei tiefe Pässe anbrachte und so die Führung eroberte, überwarf Garoppolo seinen Receiver kurz vor Schluss um Haaresbreite. Bringt er den Ball an, wird das Spiel als Shanahans Meisterwerk gefeiert, so ist es nun ein Beweis seiner Schwäche? Man kann es dem Head Coach nicht verdenken, dass er manchmal etwas verbissen erscheint: Nicht nur die verpassten Chancen tun weh, sondern auch der nächste Neuanfang. "Danach denkt man sich: 'Oh mein Gott, das war so anstrengend und hat so lange gedauert. Wie sollen wir das noch einmal schaffen?'"
Hoffnung machen sollte Shanahan dabei vor allem sein Gegenüber. Andy Reid befand sich nämlich bei seiner ersten Station als Head Coach in einer ähnlichen Situation ...
Andy Reid: Bei den Eagles erging es ihm wie Shanahan
Reid entstammte zwar im Gegensatz zu Shanahan keiner NFL-Familie, aber auch er brachte es vergleichsweise jung zu seinem ersten Head-Coaching-Job. Nach Jahren als O-Line-Coach bei diversen Colleges heuerte er 1992 unter Mike Holmgren in Green Bay an, wo er unter anderem als Quarterbacks Coach für Hall of Famer Brett Favre verantwortlich war. Mit 40 bekam er im Jahr 1999 seine Chance bei den Philadelphia Eagles, als damals zweitjüngster Signal Caller der Liga - und ohne als Offensive oder Defensive Coordinator gearbeitet zu haben.
Reid brauchte zwei Jahre, um mit dem 1999 gedrafteten Quarterback Donovan McNabb den Turnaround zu schaffen. Es folgten fruchtbare Jahre, mit vier Auftritten im NFC Championship Game in Serie, in der Saison 2004 zog das Team sogar in den Super Bowl ein. Aber wie McNabb als QB waren die Eagles als Team zwar gut bis sehr gut, aber eben nicht gut genug: Mit 21:24 ging der Super Bowl gegen die Patriots verloren, die Playoff-Fehlschläge häuften sich - und wurden natürlich auch dem Head Coach angelastet. McNabb baute ab und wurde 2010 nach Washington getradet, nach nur vier Siegen in der Saison 2012 wurde Reids Vertrag schließlich nicht mehr verlängert. Dazu kam eine Familientragödie: Reids Sohn Garrett starb nach einer Überdosis.
Die Kansas City Chiefs klopften an, Reid flüchtete sich in seinen nächsten Job. Dort schaffte er es mit Quarterback Alex Smith in fünf Jahren viermal in die Playoffs, kam aber über die Divisional Round nicht hinaus. Seine Geschichte schien geschrieben: ein guter Coach, aber mit Problemen im Clock-Management und eben nicht auf dem allerhöchsten Level, das es für den Titel braucht.
Andy Reid: "Bei ihm dreht sich alles um Football und Cheeseburger"
Ändern sollte sich das erst mit dem Durchbruch von Patrick Mahomes. Sechs Jahre später trägt Reid zwei Championship-Ringe am Finger und könnte am Sonntag einer von nur fünf Head Coaches mit mindestens drei Titeln werden. 283 Siege in der Regular Season und den Playoffs bedeuten Platz vier all-time, und Schluss sein soll noch lange nicht. "Er liebt den Sport so sehr", sagt Mahomes: "Wir haben so viel Spaß, dabei geht es gar nicht um die Siege."
Die besondere Beziehung zu seinem Quarterback, der in den GOAT-Listen schon jetzt stetig klettert, darf dabei nicht über Reids Fähigkeiten hinwegtäuschen. Zwar gibt es keine "Reid Offense", aber gerade in puncto Kreativität muss er sich in seinem Playcalling nicht hinter Shanahan verstecken. Das zeigen besonders die gescripteten Plays zu Beginn jeder Partie, die von Reid angesagt werden, und die im Championship Game gegen die Ravens (17:10) am Ende mit zwei Touchdowns in den ersten zwei Drives den Unterschied machten.
Wie lange will Reid noch bei den Chiefs am Ruder bleiben? "Er verbringt Zeit mit seinen Enkeln, aber das war es dann auch", plauderte Mahomes aus: "Bei ihm dreht sich alles um Football und Cheeseburger." Auch im Urlaub am Strand von Kalifornien gräbt sich Reid in seinen Sport ein: "Es macht mir eben Spaß. Manche lesen Romane, ich schaue mir Spielzüge an."
Kyle Shanahan vs. Andy Reid: Die Statistik spricht für die Chiefs
Zwei Head Coaches, so unterschiedlich wie ähnlich. Der eine nennt seinen Sohn "Carter" nach dem Rapper Lil Wayne, der andere trägt Hawaiihemd und reist nach Italien, um sich dort "vom Norden in den Süden durchzuessen". Beide sind offensive Genies, wurden beziehungsweise werden auf ihrer ersten Station nach bitteren Niederlagen allerdings angezweifelt.
Ist Patrick Mahomes der Unterschied? Ist es so einfach? Würde er den Perfektionisten Shanahan in einen jovialen Kumpeltyp verwandeln? Schwer zu sagen. Vielleicht gelingt "Mr. Irrelevant" Brock Purdy ein ähnliches Kunststück. Vielleicht kann Shanahan seit dieser Saison auch Comebacks und stellt es im Super Bowl unter Beweis.
Die Statistik spricht allerdings nicht für ihn: Dreimal sahen sich bisher zwei Coaches im Super Bowl wieder. Dreimal triumphierte der Sieger des ersten Duells auch ein weiteres Mal.