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Trade Deadline in der NFL: Zwei Contender rüsten auf

Von Constantin Eckner
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Bis kurz nach Woche acht hatten die Teams der NFL auch in diesem Jahr die Chance, Spieler vornehmlich gegen Draft Picks zu traden. Wenngleich der große Blockbuster ausblieb, so haben gerade zwei Contender noch einmal punktuell aufgerüstet. Währenddessen wurde in der Bundeshauptstadt der Rebuild eingeleitet. Die Erkenntnisse zur Trade Deadline.

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Trade Deadine: San Francisco 49ers vereinen Nick Bosa und Chase Young

Am Dienstag wurde rasch deutlich, dass die Washington Commanders Silberware abgeben werden. Chase Young, der Nummer zwei Pick von 2020, geht "lediglich" für einen Drittrunden-Pick nach San Francisco. Die Commanders hatte sich dazu entschieden, die Fifth Year Option für Young nicht zu ziehen und 2023 zu einem Vertragsjahr für den Defensive End zu machen.

Der Grund waren vor allem die ständigen Verletzungen - in der Vorsaison kam er nur auf drei Einsätze, in 2021 auf neun. Allerdings hat Young in seinem Rookie-Jahr bewiesen, was für eine Pressure und Sack-Maschine er sein kann. Er ging als Favorit auf den Titel "Defensive Rookie of the Year" in die erste Spielzeit und gewann schlussendlich auch diese Auszeichnung. In dieser Saison mutierte Young wieder zu einem dominanteren Rusher und verbuchte 40 QB Pressures.

Neben dem Potenzial, das Young weiterhin hat, spielt bei seinem Wechsel nach San Francisco ein anderer Spieler eine gewichtige Rolle: Nick Bosa. Die beiden spielten zwei Jahre in der Defensive von Ohio State zusammen. Bosa ging ein Jahr früher in den Draft und wurde ebenfalls an Position zwei verpflichtet. Natürlich bleibt Bosa bis aufs Weitere der Premium-Rusher, obwohl er bislang nur drei Sacks verbuchen konnte. Mit 41 QB Pressures nimmt er weiterhin erheblichen Einfluss auf das Spiel.

Die Defensive Front mit Bosa sowie Javon Hargrave und Arik Armstead hatte zuletzt Probleme und machte die Secondary verwundbar. Sollte Young seine Produktivität im Vergleich zu den bisherigen Spielen für Washington in dieser Saison erhöhen, dann könnte eine weitere Gefahr an der Edge entstehen und den Pass Block für Gegner verkomplizieren.

Für Young geht es in den nächsten acht + x Spielen darum, sich ins Schaufenster zu stellen, denn länger läuft sein Vertrag, den die Niners übernommen haben, nicht. Selbst ein Verbleib in der Bay Area ist nicht ausgeschlossen, wobei San Francisco bei einem Abgang von Young nach der Saison einen Compensatory Pick erhalten würde.

Ganz abgesehen davon haben die Niners am letzten Trade-Tag genau das gemacht, was mögliche Super Bowl Contender gerne tun: Sie holten nach Randy Gregory noch einen potenziellen Hochkaräter von einem schwachen Team, das aufgegeben hat. Letztes Jahr war es Christian McCaffrey, der zu den Niners ging. Darüber hinaus kann man den Trade als Reaktion auf die Seahawks deuten, die gerade die Führung in der NFC West übernommen haben und am Montag mit der Verpflichtung von Leonard Williams ein Statement setzten.

Trade: Chase Young nach San Francisco; ein Drittrunden-Pick in 2024 nach Washington, D.C.

Vertragssituation: Young spielt unter seinem Rookie-Vertrag, der mit Ende der Saison ausläuft.

Compensatory Pick: Diese Picks werden an Teams vergeben, wenn sie etwa in der Free Agency einen erheblichen Wertverlust durch den Abgang eines Spielers oder wichtigen Verantwortlichen erleiden. Die Picks gelten für die Runden drei bis sieben. Ein Team kann maximal vier Comp Picks erhalten. Den Wert eines Spielers berechnet die NFL anhand des durchschnittlichen Jahresgehaltes des Spielers, der Snap-Anzahl und des Gewinns von Postseason-Auszeichnungen. Die genaue Formel wird geheim gehalten.

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Trade Deadline Arizonas Backup Josh Dobbs wird Minnesotas Backup

Josh Dobbs begann die Saison für die Cardinals recht vielversprechend. Er überzeugte zumindest streckenweise mit guter Entscheidungsfindung, Ruhe in der Pocket und einem kraftvollen Arm. Aber in den vergangenen Wochen kollabierte der ehemalige Tennessee Volunteer.

So produzierte er Fumbles in fünf aufeinanderfolgenden Spielen und wurde zu einem Unsicherheitsfaktor, weshalb Jonathan Gannon verlauten ließ, dass Rookie-Quarterback Clayton Tune in Woche neun starten wird, sofern Kyle Murray noch nicht spielbereit ist. Die Zeit von Dobbs in Glendale war abgelaufen und so wurde der zumindest punktuell kompetente Quarterback eine Option für die Vikings.

Die haben am Sonntag in Lambeau Field den grandios aufspielenden Kirk Cousins aufgrund eines Achillessehnenrisses verloren. Entgegen so mancher Hot Takes hat Cousins bis dato eine seiner besten Saisons absolviert. Nur weil letztes Jahr viele knappe Siege heraussprangen, heißt das nicht, dass Cousins besser performt hat, zumal er in diesem Jahr in einigen Spielen aufgrund durchschnittlicher Line-Arbeit fast zum Freiwild wurde.

Das hatte sich in den vergangenen Wochen deutlich gebessert. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Dobbs am Wochenende in den Genuss guter Protection kommen wird, denn Kevin O'Connell sagte in einer Sendung von SiriusXM, dass er eigentlich Rookie-Quarterback Jaren Hall nach seinen wenigen Snaps gegen die Packers eine weitere Chance geben möchte.

Der Trade des Backups aus Arizona heißt zugleich, dass die Vikings noch nicht entschieden haben, wie sie künftig auf der Quarterback-Position aufgestellt sein möchten. Wenngleich viele von einem Abgang Cousins ausgegangen waren, könnten die starken Leistungen sowie der Umstand seiner Verletzung auch zu einem Verbleib des Routiniers führen, sollte die Reha gut verlaufen.

Hall wird derweil damit beauftragt, den guten Receiver Corps, der hoffentlich bald wieder mit Justin Jefferson bestückt ist, entsprechend zu füttern. Denn das Laufspiel ist nahezu kein Faktor bei den Vikings.

Trade: Josh Dobbs und ein Siebtrunden-Pick in 2024 gehen nach Minnesota; ein Sechstrunden-Pick in 2024 geht nach Arizona.

NFL, Gewinner, Verlierer
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Trade Deadline: Packers-Corner Rasul Douglas geht zu Contender

In Green Bay sind die Hoffnungen nach der Niederlage gegen Minnesota am Sonntag bei fast null. Deshalb sollte es nicht überraschen, dass sich die Packers gesprächsbereit zeigten und schlussendlich Rasul Douglas an die Buffalo Bills abgaben. Der 29-jährige Cornerback war über zwei Saisons hinweg ein zuverlässiger Spieler in der Secondary mit 10 Interceptions in 36 Spielen für Green Bay. Auch in dieser Saison absolvierte er alle sieben Partien vornehmlich als Outside Corner, wobei er sowohl außen als auch im Slot verteidigen kann.

Doch auch wenn die Statistiken in dieser Spielzeit wieder einigermaßen für Douglas sprechen, denn er verbuchte eine Interception und wehrte sechs Passversuche ab, so wirkte er nicht immer restlos überzeugend. Man muss sich nur seine Duelle mit T.J. Hockenson am Sonntag anschauen. Beim Touchdown von Hockenson kam Douglas nicht schnell genug von seiner Position runter und blickte sich, nachdem der Pass vom Tight End der Vikings gefangen wurde, fragend um, als hätten alle Schuld, nur er nicht.

Nun geht es für Douglas zu einem weitgehend ausgereiften Team. Die Bills müssen das restliche Jahr auf Tre'Davious White verzichten. Zuletzt starteten Christian Benford und Dane Jackson in der Peripherie. Am Sonntag wurde Kaiir Elam, ein Erstrunden-Pick von 2022, zugunsten von Routinier Josh Norman aus dem Kader gestrichen. Es bestand ein wenig Not und die Bills machen es ähnlich wie die Niners, indem sie noch einen potenziell starken Performer mit Ablauf der Trade-Periode zu sich holen. Nur ebenso wie Young muss auch Douglas direkt abliefern.

Trade: Rasul Douglas und ein Fünftrunden-Pick in 2024 nach Buffalo; ein Drittrunden-Pick in 2024 nach Green Bay

Vertragssituation: Douglas' Vertrag läuft bis zum Ende der 2024er-Saison. Der Salary Cap der Packers wäre im kommenden Jahr mit 11,6 Millionen Dollar belastet worden.

Montez Sweat
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Trade Deadline: Ausverkauf bei den Washington Commanders

Zu Saisonbeginn haben viele - inklusive mir im Live-Kommentar bei DAZN - noch von der starken D-Line der Commanders geschwärmt. Mit Jonathan Allen und Daron Payne hat Washington eines der stärksten Tackle-Duos der Liga. Zudem agierten Sweat und Young an den Außenseiten und komplettierten das Quartett.

Rund um Young hingen jedoch aufgrund der Verletzungen und einiger eher unterkühlter Auftritte einige Fragezeichen, weshalb sein Vertrag nicht um ein Jahr verlängert wurde. Bei Sweat, der zu den Chicago Bears gewechselt ist, war die Lage etwas anders, denn die Option auf das fünfte Vertragsjahr wurde bereits 2022 gezogen. Sweat wollte sich nicht an die Commanders binden. Deren Front Office wiederum scheint nach der Niederlage gegen Philadelphia die Reißleine zu ziehen und den Rebuild einzuleiten.

Allen und Payne haben bereits hochdotierte Verträge unterschrieben, nun sollen die anderen Positionen mit den erhaltenen Draft-Picks wieder aufgefüllt werden, was angesichts des drohenden Abgangs von Sweat und auch Young eine kluge Lösung für die schlingernde Franchise ist.

Was Fakt ist, Trainer Ron Rivera hat ob der Tatsache, dass er wahrscheinlich zum Saisonende von seinem Posten abtritt oder abtreten muss, gewiss keine Verkäufe von Top-Spielern eingefordert. Aber General Manager Martin Mayhew mit der Unterstützung des neuen Eigentümers sitzt am längeren Hebel - und das erst recht nach Riveras strategischer Fehlleistung gegen die Eagles.

Dass die Bears nun einen Zweitrunden-Pick für Sweat opfern, ist ein absolutes Risikogeschäft. Genau wie im vergangenen Jahr, als ein Zweitrunden-Pick für Chase Claypool schlussendlich verbrannt wurde. Natürlich hat General Manager Ryan Poles nun eine bessere Ausgangsposition als andere Manager, um Sweat bei Eintritt in die Free Agency von einer Vertragsunterschrift zu überzeugen.

Der Pass Rush der Bears muss dringend aufgebessert werden - sie sind mit 10 Sacks klares Schlusslicht in dieser Kategorie. Sweat allein hat in dieser Saison bereits 6,5 Sacks produziert. Ob er jedoch mittelfristig am Neuaufbau der Bears mitwirken möchte, bleibt abzuwarten.

Trade: Montez Sweat nach Chicago; ein Zweirunden-Pick in 2024 nach Washington, D.C.

Vertragssituation: Sweat ist nach dem Ende der Saison ein Free Agent.

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Trade Deadline: Warum gibt es keine Blockbuster-Trades wie in der NBA?

Wenn das hier die NBA wäre, dann hätten wir wohl am Dienstag noch den Wechsel von Travis Kelce nach Seattle, den Abgang von Dak Prescott in Richtung Green Bay und einen wie auch immer gearteten Trade mit vier oder fünf bekannten Spielern und drei involvierten Franchises erlebt.

In der NFL verläuft alles etwas ruhiger. Am Deadline Day blieb etwa Ryan Tannehill in Tennessee, Davante Adams muss unterdessen in Las Vegas ausharren und die Vikings haben auf den Ausfall von Cousins recht konservativ reagiert. Zudem werden bei Trades nur ganz selten Erstrunden-Picks geboten oder verkauft.

Denn Draft Picks sind noch um einiges wertvoller als in der NBA. Um ein Super-Bowl-Team aufzubauen, braucht es Zeit, weil eine funktionierende Einheit von 53 Spielern, von denen die Mehrheit hochklassig sein sollte, über Jahre aufgebaut werden muss. Aufgrund der Vielzahl an notwendigen Spielern und der Trennung von Defense und Offense gibt es in der NFL nur ganz wenige Akteure auf dem Feld, die mit ihrem Wechsel ein Team unmittelbar auf ein neues Niveau heben.

Man stelle sich vor, Patrick Mahomes wäre am Dienstag zu den Panthers gegangen. Das hätte Carolina nicht automatisch in einen Anwärter auf die Meisterschaft verwandelt. Selbst der kurzfristige Push von Tampa Bay mit Tom Brady gelang nur, weil der Star-Quarterback eine Reihe an qualitativ hochwertigen Spielern zu sich holte. Was hinzu kommt, ist die schwierigere Integration von Spielern in ein bestehendes Scheme während einer laufenden Saison. In der NBA lässt sich ein Starspieler leichter einbauen - oder man ändert etwa die offensiven Plays zugunsten des Neuzugangs.

Zu guter Letzt unterscheiden sich beide Ligen deutlich hinsichtlich der Ausgestaltung von Verträgen. In der NBA sind Verträge quasi voll garantiert, in der NFL sind es in aller Regel nur die ersten beiden Jahre. Deshalb neigen die Teams in der NBA dazu, schlechte Verträge hin- und herzuschieben, was die General Manager in der NFL nicht tun.

Dafür ist das Einhalten des recht fluiden Salary Caps zuweilen schwer, wie ich im Franchise Modus von Madden schon häufiger festgestellt habe. Aufgrund von Boni und den vorverhandelten Gehaltssteigerungen ist die Kalkulation in der NFL komplex. Auch deshalb scheitern zuweilen Trades, weil GMs dazu neigen, lieber auf die Übernahme eines Vertrages zu verzichten und im nächsten Draft einen talentierten Spieler für die identische Position auszuwählen.

Vielleicht fallen euch noch mehr Aspekte ein, in welchen sich die Trade-Gepflogenheiten in der NFL und NBA unterscheiden. Dann schreibt es in die Kommentare!

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