4. Matt Ryans Benching: Sinnbild für gravierendere Probleme
Meine größte Fehleinschätzung dieser Saison steht nach gerade einmal acht Wochen schon fest: Ich dachte, dass Matt Ryan die Colts zwar nicht in den Super Bowl führen, aber einem guten Kader die Stabilität und den hohen Floor geben würde, welcher mit Carson Wentz letztlich gefehlt hatte. Ein Stück weit auch den Leader, den Indianapolis auf der Quarterback-Position gesucht hatte.
Dass die Colts mit ihm, auch wenn die Verpflichtung von Ryan ein weiterer Schritt war, um den eingeschlagenen Weg Richtung Mittelmaß zu manifestieren, zumindest die Division gewinnen sollten, vielleicht sogar mit etwas Abstand.
Die Realität sieht selbstredend anders aus, und mit der Entscheidung, Ryan zu benchen - inklusive der nicht ganz nachvollziehbaren (warum sich selbst so in eine Ecke drängen?) Ankündigung, dass Sam Ehlinger den Rest der Saison spielen soll - muss man hinter dieses Kapitel einen Haken setzen.
Ryan war nicht die Antwort für ein Team, das seit dem Rücktritt von Andrew Luck nach einem Nachfolger sucht und sich dabei von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen hangelt.
Jacoby Brissett war eine vertretbare erste Übergangslösung, Philip Rivers die bisher beste Option. Carson Wentz schien die Wunschoption von Frank Reich gewesen zu sein, der ihn aus Philadelphia kannte und ohne Frage die Chance sah, dessen Upside wieder aus ihm herauszuholen und so endlich eine langfristigere Lösung zu finden.
Colts: Steht Jim Irsay hinter dem Ryan-Benching?
Es entpuppte sich als Fehlgriff, in jeder Hinsicht. Teambesitzer Jim Irsay spuckte Gift und Galle, nachdem man sich nach nur einem Jahr von Wentz wieder getrennt hatte, und ließ das Thema selbst Monate später noch nicht ruhen. Man habe "Inkonstanz" auf der Quarterback-Position gehabt, welche "zu massiven Problemen geführt" habe.
Warum ist das hier wichtig? Weil ich nicht denke, dass Frank Reich Ryan nach sieben Spielen von sich aus gebencht hätte. Offiziell ist es eine Entscheidung, die Reich, Irsay und GM Chris Ballard in einer Triumvirats-Sitzung gemeinsam gefällt haben.
Doch Ballards ganzes Kader-Management zeichnet das Bild eines GMs, der Nachhaltigkeit, Geduld und eine langfristige Perspektive priorisiert - und der keine Schnellschüsse abfeuert. Reich scheint die Zusammenarbeit mit einem Veteran-Quarterback zu bevorzugen, und seine Aussagen über die letzten Tage klingen nicht nach einem Head Coach, der bei seinem Quarterback die Schuld gesehen hat.
Irsay ist der offensichtliche Faktor in diesem Triumvirat, der ein Interesse daran hatte, diese Entscheidung voranzutreiben. Oder mehr noch: Der schlicht und ergreifend genug hatte von den neuen jährlichen Versuchen, mit einem neuen Veteran-Quarterback ein neues Kapitel zu eröffnen - und dann Jahr für Jahr enttäuscht zu werden.
Stehen Reich und Ballard in Indianapolis vor dem Aus?
Und natürlich sind es letztlich nicht nur die Quarterback-Entscheidungen, um die es hier geht, auch wenn diesen das Rampenlicht gehört. Jahrelang wurde Indianapolis für die Zusammenstellung seines Kaders gelobt, doch zu viel war darauf ausgerichtet, den Floor des Teams zu stabilisieren. Running Back, Guard, Center, Linebacker - hier lagen die größten "Treffer" unter Ballard, und das sind eben im Vergleich die wenigsten "wertvollen" Positionen.
Michael Pittman ist ein guter Receiver, vielleicht entpuppt sich Alec Pierce als Treffer. Aber das zögerliche Verhalten im Roster-Building, das "Aufschieben" der Ressourcen von einem auf das nächste Jahr, all das sorgt nur dafür, dass das einst gute Gerüst irgendwann brüchiger wird, während die bestenfalls soliden Quarterback-Lösungen nicht die Elite-Hilfe um sich herum haben, die sie bräuchten, um wirklich erfolgreich zu sein. Und so entsteht ein Teufelskreis, den man nur mit einem drastischen Schritt durchbrechen kann.
War die Entscheidung, Ryan zu benchen, ein solch drastischer Schritt? Vermutlich nicht, dieser Schritt wird noch kommen müssen. Doch falls die generelle These stimmt, muss man Reich und Ballard anzählen. Denn dann ist dieses Benching auch ein klarer Hinweis darauf, dass Irsays nach der Wentz-Episode ohnehin strapazierter Geduldsfaden kurz vor dem Zerreißen steht.
Reich sprach nach Verkündung der Entscheidung davon, dass das Team seinen Teil der Abmachung nicht erfüllt hätte - das Elite-Run-Game und die starke Protection, die man Ryan versprochen hatte, hatten die Colts ganz eindeutig nicht geliefert. Ryan war, um das klar zu sagen, mehr Teil des Problems als der Lösung, aber zumindest kann er einen Game Plan wie den beim Comeback-Sieg gegen Jacksonville umsetzen, mit einer High-Volume-Quick-Game-Offense.
Colts: Wie geht es jetzt weiter mit Sam Ehlinger?
Ehlingers Qualität liegt jetzt eher darin, mit seiner Athletik zu punkten. Als Scrambler kann er am ehesten dabei helfen, die Protection-Probleme ein wenig zu kaschieren - aber es ist schwer vorstellbar, dass er als Passer die Konstanz mitbringt, die es in dieser Situation eben auch bräuchte.
Das war vereinzelt auch gegen Washington zu sehen. Er hatte keine gravierenden Fehler, er holte ein bisschen was am Boden heraus, und er zeigte auch einige Male gutes Pocket-Movement und einige sehenswerte Pässe.
Hier war Fortschritt zu erkennen, aber rechtfertigt das jetzt diesen Schritt? Bleiben die Colts wirklich bei Ehlinger, auch falls er schwächelt? Oder war diese Entscheidung jetzt doch nur eine Kurzschlussreaktion, die der Vorbote für weitere weitreichende Konsequenzen war?