3. Colts-Box und Quick Takes: Cowboys, Panthers, Analytics
Die Colts und die Baseline-Thematik
Ich ging aus dem Spiel am Samstagabend zwischen den Patriots und den Colts mit zwei zentralen Takeaways aus Colts-Sicht raus: Frank Reich ist ein super Coach, der in der Lage ist, um die Defizite seiner Offense herum zu coachen - und maßgeblicher Teil dieser Defizite kann in jeder beliebigen Woche Carson Wentz sein.
Das war weitestgehend ein katastrophales Spiel von Wentz, der noch mehr Turnover hätte haben können, und ich denke, das ist auch Teil der Analyse was die Colts im Hier und Jetzt und mit Blick auf die Playoffs angeht: Dieses Team kann gefährlich sein, wenn es den entsprechenden Spielverlauf bekommt. Frühe Führung, ein geblockter Punt zum Touchdown wie am Samstag, und dann mit dem Run Game ein Spiel kontrollieren? Das kann für Indy gegen viele Teams funktionieren, gegen Tampa Bay hat nicht viel gefehlt.
Aber auch wenn er diese Spiele fraglos dieses Jahr schon hatte und sicher auch wieder haben wird: Wentz ist einfach ein sehr inkonstanter Quarterback, und auch mit der Stabilität und Struktur, die Frank Reich ihm gibt, wurde das im Laufe dieser Saison deutlich. Das kann mal gut gehen, das kann mal schiefgehen.
Ich hatte vor zwei Wochen bereits über die Colts und Wentz geschrieben, mit dem Spiel am Samstagabend ist jetzt auch offiziell, dass der Pick, der für Wentz nach Philadelphia wandert, ein First-Rounder im kommenden Draft sein wird. Ich verstehe aus Colts-Sicht, warum man diesen Trade gemacht hat, im Sinne von: Ich kann den Gedankengang nachvollziehen.
Aber er schiebt die Colts eben auch noch mehr in eine Box, aus der es schwer sein wird, rauszukommen - die Box namens "oberes Mittelmaß". Indianapolis wird für viele Teams unangenehm sein, gleich nächste Woche wieder gegen Arizona mit deren löchriger Run-Defense. Auf das große Ganze betrachtet wird es einfach schwer sein, mit Wentz als Team nachhaltig den nächsten Schritt zu machen. Aber die Baseline, die Frank Reich den Colts gibt, wird aktuell vielleicht nur von LaFleur in Green Bay übertroffen.
Quick Takes: Cowboys, Panthers, Analytics
- Ein dramatischer Unterschied zwischen den Cowboys und Arizona - zwei Teams, die in den NFC-Playoffs hinter den Bucs und Packers um die Plätze kämpfen -, ist die Tatsache, dass Dallas sich auf seine Defense verlassen kann. Die Turnover sind der eine Part, diese aber sind immer inkonstanter und schwieriger zu verlassen - das lernt Arizona ja gerade defensiv. Dallas kann mittlerweile wieder mit seiner Defensive Line Gegner dominieren. Das ist ein signifikanter Teil der Identität dieses Teams - auch weil die Offense ziemlich wackelt, und das seit Wochen. Hier muss Dallas wieder stabiler werden, angefangen mit Prescott. Ansonsten wird es schwer, in den Playoffs mehr als ein Spiel zu gewinnen.
- Wir kommen so langsam in den Bereich, in dem man hinterfragen muss, ob die Miami Dolphins noch die klar schlechteste Offensive Line in der NFL haben - oder ob die Carolina Panthers die Lücke inzwischen nicht geschlossen haben. Was ehrlicherweise für mich umso mehr in den Mittelpunkt rückt, wie wenig ich mit der Entlassung von Joe Brady anfangen kann, aber lassen wir das im Rückspiegel. Die Quintessenz ist: Die Offenes, vom Design über die Line bis hin zum Quarterback-Play ist aktuell quasi nicht funktional, und das wird höchstwahrscheinlich in einer Offseason auch nicht zu reparieren sein. Allein - schätzt Teambesitzer David Tepper das auch so ein? Oder bleibt der Finger am Abzug weiter unruhig?
Der Entscheidungsprozess der Ravens am Ende des Packers-Spiel war aus analytischer Perspektive falsch: Statt beim vorletzten Touchdown für zwei zu gehen, kickte Baltimore den PAT - und ging dann für 2 nach dem letzten Touchdown. Warum war das falsch? Wenn Baltimore das Spiel vor der Overtime beenden will - und das halte ich für durchaus sinnvoll, mit Aaron Rodgers auf der anderen Seite - wäre der Weg, um die Chance darauf zu maximieren, der, nach dem vorletzten Touchdown bereits für 2 zu gehen. So hätte man gewusst, ob man nach dem potenziell finalen Touchdown nur einen PAT braucht, um die Partie zu gewinnen - oder ob man nochmal die zwei Punkte braucht, um auszugleichen, weil die erste 2-Point-Conversion nicht geklappt hat.
Das wäre die analytisch schlüssige Herangehensweise gewesen. Selbst wenn die Ravens, so wie sie es letztlich versuchten, mit der 2-Point-Conversion zum Schluss in Führung gegangen wären, hätte Green Bay noch etwas Zeit auf der Uhr gehabt, um dann ultra-aggressiv in Field-Goal-Reichweite zu kommen. Analytics bedeutet nicht automatisch, dass man jeden vierten Versuch ausspielt und immer für 2 geht - Harbaugh, und das ist für seine Verhältnisse ein ungewöhnlicher Fauxpas, hat sich selbst hier in der Chance, die Partie zu gewinnen, empfindlich geschwächt.
Was ich hier aber besonders schade finde, ist, dass jeglicher Diskurs dazu komplett toxisch geworden ist. In manchen TV-Shows machen sich Moderatoren und Experten offen über "Analytics" lustig, wenn ein Team ein Fourth Down ausspielt und es nicht schafft. In den sozialen Medien schlagen sich beide Lager verbal die Köpfe ein, und jede Fourth-Down- und jede 2-Point-Conversion-Entscheidung wird in einen Topf geworfen.
Dabei könnte man hier viel interessantere und fruchtbarere Diskussionen führen. Etwa über die Play-Designs der Ravens am Sonntag und der Chargers gegen Kansas City am Donnerstag in diesen kritischen Situationen, hier nämlich gab es einige fragwürdige Konzepte, genau wie individuelle Patzer.
Aus irgendeinem Grund aber ist insbesondere bei diesem Thema eine extrem aufgeladene Front entstanden. In meinen Augen ist die Diskussion allein deshalb überflüssig und merklich ein Strohmann-Argument, weil der Aufschrei nicht kommt, wenn ein Team "die sicheren Punkte" nimmt - und das Field Goal dann aber verschießt. Oder wenn die Fourth-Down-Entscheidungen eines Coaches maßgeblich zum Sieg des Teams beitragen, wie bei Frank Reich am Samstag gegen die Patriots, oder bei Brandon Staley im ersten Duell mit Kansas City.
Ich denke, dass es - und das lässt sich allgemein auf unsere Gesellschaft übertragen - oftmals so viel produktiver wäre, wenn man häufiger gewillt wäre, für einen kurzen Moment die Perspektive des anderen einzunehmen, und eine Diskussion auch tatsächlich das aktive Auseinandersetzen mit Standpunkt und Argumenten des anderen wäre, statt das Durchprügeln des eigenen Standpunktes, garniert mit bissiger Ironie. Das wiederum gilt dann für beide "Seiten" hier.
Analytics ist letztlich nichts anderes als der Versuch, die Chancen auf einen eigenen Sieg zu erhöhen. Und das findet nicht im Vakuum statt, sondern muss immer auf Spielsituation, Gegner, Favoritenlage und so weiter angewandt werden. Die Harbaugh-Situation war ideal als Veranschaulichung dafür, wie Aggressivität im falschen Moment eben auch analytisch betrachtet nicht schlüssig sein kann. Gleichzeitig würde ich bei Staley am Donnerstag sagen, dass seine Fourth-Down-Entscheidungen angesichts des Gegners und der jeweiligen Spielsituation nicht falsch waren. Das war eher ein Problem der Play-Auswahl und in mehreren Fällen auch der individuellen Play-Umsetzung.