6. Aaron Rodgers ist der MVP
Der spektakulär dominante Auftritt der Green Bay Packers gegen Tennessee hat zwei Sachen für mich unterstrichen: Tennessees Defense ist ein Problem und wird auch in den Playoffs explosive Auftritte der Titans-Offense erfordern, um nicht ein frühes böses Erwachen zu erleben; die Hoffnung muss sein, dass sich die Secondary mit der Rückkehr der Cornerbacks stabilisiert und die Titans so aggressiver spielen können.
Und die andere Erkenntnis: Aaron Rodgers ist der diesjährige MVP.
Nachdem sich Russell Wilson in der zweiten Saisonhälfte deutlich aus diesem Rennen verabschiedet hatte, war es zuletzt nur noch ein Zweikampf zwischen Rodgers und Patrick Mahomes. Letzterer hatte aber dann über die vergangenen Wochen die Turnover gegen Miami und jetzt diesen Auftritt gegen Atlanta, bei dem Kansas City offensiv so gar nicht in die Spur fand.
Rodgers auf der anderen Seite funktioniert wie ein Uhrwerk. Gegen die Panthers mal etwas glanzloser, ansonsten aber sucht man bei ihm seit Wochen nach einem schwachen Spiel. Er spielt auf einem wahnsinnig hohen Level, innerhalb einer guten Struktur, aber auch darüber hinaus. Er macht eben kaum Fehler - die Interception gegen die Titans war da schon eine auffällige Ausnahme -, und dabei ist er trotzdem aggressiv, ist extrem präzise, und improvisiert notfalls auch. Ich gehe davon aus, dass dieser Spieltag - Mahomes' schwacher Auftritt gegen die Falcons und dann Rodgers' Gala gegen Tennessee - das MVP-Rennen entschieden hat.
Womöglich geht eine andere individuelle Auszeichnung nach Kansas City: Travis Kelce stellt gerade neue Tight-End-Bestmarken auf und dürfte ein heißer Kandidat für den Offensive Player of the Year sein. Doch auch hier ist in meinen Augen ein Blick nach Green Bay angebracht, denn dominanter als Davante Adams war für mich in diesem Jahr kein Offense-Spieler außerhalb der Quarterbacks.
7. Die Rams: Alte Probleme, neue Sorgen
Die Niederlage gegen die Jets vor zwei Wochen könnte die Rams noch teuer zu stehen kommen: Eine Niederlage gegen Arizona in Woche 17 mit gleichzeitigem Bears-Sieg über die Packers würde L.A. tatsächlich noch aus den Playoffs kegeln.
Und womöglich müssen die Rams zum Duell mit den Cardinals ohne ihren Starting-Quarterback antreten - Jared Goff hat sich ersten Berichten zufolge gegen Seattle den Daumen gebrochen, genauere Tests folgen noch. Sein Backup wäre John Wolford, der noch keinen Regular-Season-Pass geworfen und am ehesten über sein Gastspiel in der AAF einigen ein Begriff sein dürfte.
Aber Goff hatte auch vor der Verletzung ein grausames Spiel gegen Seattle, der Großteil seines Outputs kam über offene Pässe, Rollouts, Screens und dergleichen. Das ist auch die Überleitung auf jenes kritische Week-17-Spiel: Die Offense von Sean McVay gibt eine gewisse Baseline, und die muss eine Defense erst einmal verteidigen können. Das Run Game, das Play-Action-Passspiel, die Screens. Gegen die 49ers mit deren Backup-Quarterback gelang das den Cardinals nicht.
Doch auch wenn die Rams es in die Postseason schaffen, wird Goff ein Thema bleiben. Die Interception gegen Seattle war schlicht desolat, so ziemlich alles außerhalb des Skripts war wacklig. Die Defense ist herausragend und wenn L.A. den Ball laufen kann, ist das ein sehr gefährliches weil sehr ausgeglichenes Team. Doch wenn dieser Plan nicht aufgeht, wird es ungemütlich. Die Defense muss das Spiel dann lange eng halten können; und gleichzeitig könnten die Rams von allen NFC-Teams die unangenehmste Aufgabe für die Green Bay Packers darstellen, rein von den Matchups her.
Seattle auf der anderen Seite hat mit dem Sieg den Division-Titel perfekt gemacht und hat sogar noch eine Chance auf den Nummer-1-Seed; jedoch auch bei den Seahawks ziehen sich einige Fragezeichen wie ein roter Faden durch die Saison, zumindest durch die zweite Saisonhälfte. Wilson wirkte abermals hektisch in der Pocket, ließ einige Third-Down-Chancen liegen, hatte früh großes Interception-Glück und kassierte unnötig Pressures und Sacks.
Die vereinzelten tiefen Pässe kamen in der zweiten Hälfte besser, und Seattle machte so in der zweiten Hälfte genug. Doch die Fähigkeit, Big Plays offensiv aufzulegen, wird in den Playoffs entscheidend sein. Auch wenn sich die Defense ohne jeden Zweifel verbessert hat.
8. Der Trubisky-Hype ist Schall und Rauch
Während die Cardinals ihre vermeintliche Pflichtaufgabe gegen die 49ers nicht erledigten, machte Chicago in Jacksonville gegen die Jaguars - die aus relativ unerklärlichen Gründen Gardner Minshew wieder rausnahmen und Mike Glennon starten ließen - genau das souverän. Die Bears haben ihr Schicksal jetzt selbst in der Hand, ein Sieg über die Packers in Woche 17 garantiert Chicago ein Wildcard-Ticket.
Wer hätte ein solches Szenario vor vier Wochen vermutet, als die Bears gerade ihr sechstes Spiel in Serie verloren hatten, 5-7 standen und komplett ohne Kurs und ohne Richtung wirkten? Doch schon bei der 30:34-Pleite gegen Detroit waren positive Tendenzen zu erkennen. Die setzten sich dann fort bei den Siegen gegen Houston, in Minnesota und jetzt in Jacksonville.
Chicago hat schlicht eine extrem simple Offense um Trubisky aufgebaut. Rollouts, RPOs, Motion, wenige Reads, wenig Spiel aus der Pocket: Trubisky musste nicht gut spielen, um gegen einige der schwächsten Defenses in der NFL gute Zahlen aufzulegen. Genau das gelang in diesen drei Spielen, die Chicago die Tür Richtung Playoffs ganz weit aufstoßen ließen.
Und dennoch ist es schlicht absurd, dass ESPN-Insider Adam Schefter am Sonntagmittag berichtete, dass es in der NFL Verantwortliche gibt, die denken, dass die Bears Trubisky doch halten sollten. Oder zumindest erwägen sollten, Trubisky noch eine kurzfristige Chance zu geben. Ein kurzfristiger Vertrag, vielleicht der Franchise Tag?
In meinen Augen ist diese Überlegung ein Wahnsinn. An diesem Punkt ist es kein Geheimnis, was Trubisky ist und wo sein Ceiling liegt. Der offensive Coaching Staff aus Bears-Sicht, hier wurde sich neues Vertrauen verdient im Laufe dieser Saison und die Berichte, dass Matt Nagy bleiben wird, kann ich in diesem Zusammenhang nachvollziehen. Nagy und Co. haben in diesem Schlussspurt die Offense super Quarterback-freundlich gemacht und viel aus den Shanahan-McVay-Offenses installiert, um eine Baseline zu sichern und Trubiskys Mobilität einzubauen.
Nur wenig davon ist aber Trubiskys Verdienst, und vor allem: Falls die Offense weiter in diese Richtung gehen soll, ist das Letzte, das man braucht, ein mittelmäßiger und dafür zu teurer Quarterback. Die Bears sollten trotz des jetzt klaren Pfads Richtung Playoffs nicht die Weiterentwicklung ihres Teams nochmals um ein Jahr aufschieben, indem man sich Trubisky doch noch einmal schönredet.
9. Kansas City spielt wieder einmal mit dem Feuer
Am Ende könnte man dieses Spiel gut als weiteren Falcons-Kollaps einstufen. Erst hätte Matt Ryan das Spiel beinahe mit einer Interception beendet, dann ging das kurze Field Goal für den potenziellen Ausgleich daneben und die Chiefs waren mit einem blauen Auge davongekommen. Der Nummer-1-Seed in der AFC ist jetzt auch fix in Besitz der Chiefs, Kansas City wird in der Wildcard Round spielfrei und danach Heimrecht haben.
Aber man muss schon ansprechen, was in diesem Spiel passierte. Denn es war die Chiefs-Defense, die Kansas City überhaupt im Spiel hielt. Und ja, Atlanta spielte gute Coverage, hatte einige Male sogar Erfolg mit dem Blitz, und gab Kansas City nur wenige einfache Yards und offene Completions, die neben all den spektakulären Big Plays so etwas wie das Markenzeichen dieser Offense sind.
Vor allem aber geht der Blick auf die Chiefs-Offense. Phasenweise, und damit ist nicht nur das absurde Trick-Play mit einem Pass auf Mahomes Downfield gemeint, wirkte es so, als würde Kansas City ein paar Dinge ausprobieren. Die Chiefs warfen lange kaum tief, es war super sloppy insgesamt. Mit Drops, mit ungewohnten Fehlern von Mahomes wie der Interception in die Underneath-Coverage. Vielleicht Mahomes' hässlichster Pick in der NFL bisher. Mahomes hätte mindestens noch einen weiteren Pick über die Mitte haben müssen, und Falcons-Corner A.J. Terrell ließ kurz darauf die womöglich spielentscheidende Interception fallen. Es war unter dem Strich vielleicht der schlechteste Auftritt der Chiefs-Offense mit Mahomes bisher.
Lange Rede, kurzer Sinn: Die Chiefs hatten jede Menge Glück, und es war längst nicht das erste Spiel dieser Saison, in dem Kansas City offensiv längst nicht fokussiert wirkte. Dieses Mal hätte sie das fast zum ersten Mal ganz konkret ein Spiel gekostet. Nach wie vor hat man bei den Chiefs das Gefühl, dass sie das Gaspedal dann irgendwann doch durchdrücken können. Aber diese Durchhänger gilt es nach einem freien Wochenende in den Playoffs zu beobachten.
10. Ravens vorsichtig auf 2019er Spuren
Die Beobachtung hatte sich bereits über die letzten Wochen immer wieder aufgedrängt, gegen eine starke Giants-Front bestätigte Baltimore den Eindruck: Durch die Luft ist Baltimore weit von der Effizienz und Explosivität der Vorjahressaison entfernt - aber am Boden sieht das mehr und mehr nach der Durchschlagskraft aus, an die man sich letztes Jahr in Baltimore gewöhnt hatte.
Die Ravens eröffneten die Partie mit einem eindrucksvollen 82-Yard-Drive, und während die Giants Coverage-Busts und verpasste Tackles gegen den Run hatten, walzte Baltimore am Boden nur so über die G-Men. 249 (!) Rushing-Yards standen am Ende, Edwards und Dobbins verzeichneten deutlich positive EPA/Play-Werte.
Baltimore hat sein Playoff-Schicksal jetzt wieder selbst in der Hand, weil die Ravens die Colts und die Browns jeweils im direkten Vergleich bezwangen. Ein Sieg gegen Cincinnati in Woche 17 und die Ravens sind mit dabei.
Und diese Offense, mit diesem für NFL-Verhältnisse nach wie vor einzigartigen Run Game und Lamar Jackson als X-Faktor, sowie auf der anderen Seite eine nach wie vor gefährliche Defense - das wird für jedes Team in der Wildcard Round ein unangenehmes Matchup sein und könnte einem der beiden Top-3-Seeds zum Verhängnis werden.