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Gardner Minshew von den Jacksonville Jaguars: Mehr als der Spinner mit dem Schnurrbart

Von Jan Dafeld
Gardner Minshew hat bislang für die Jacksonville Jaguars überzeugt.
© getty

Gardner Minshew zählt zu den großen Überraschungen des Saisonauftakts. Fans und Medien feiern ihn für sein Aussehen, seinen Stil und seinen Witz. Doch der 23-Jährige ist mehr als ein fleischgewordenes Meme - und könnte mal wieder alle Erwartungen übertreffen.

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Es ist Sonntag der 29. September 2019. Im Empower Field at Mile High, wie das Stadion der Denver Broncos seit diesem Jahr heißt, sind die Jacksonville Jaguars zu Gast. Und: Nach knapp drei Vierteln sieht es gut aus für die Gastgeber. Die Broncos liegen mit 17:6 in Front, der erste Sieg der noch jungen Saison scheint in Reichweite.

Doch ein Mann hat ganz offensichtlich etwas dagegen: Bei einem drittem Down von der gegnerischen Acht-Yard-Linie gehen Jaguars-Quarterback Gardner Minshew zunächst die Optionen aus. Die Route-Kombinationen der Gäste gehen nicht auf, alle Receiver sind gedeckt und Pass-Rusher Von Miller gewinnt sein Duell gegen Cam Robinson an der linken Seite der Offensive Line für sich.

Doch Minshew bewegt sich von Millers Druck weg, er weicht dem Tackle-Versuch von Derek Wolfe aus, lässt Adam Gotsis stehen und entgeht auch Millers zweitem Versuch eines Sacks! Unter Druck von drei Mann wirft er den Ball in Richtung Endzone, wo nur Mitspieler Ryquell Armstead an den akkuraten Pass herankommen kann. "Minshew Magic!", brüllt NBC-Kommentator Andrew Catalon in sein Mikrofon.

Es ist ein absolutes Highlight-Play, nicht nur für einen Rookie-Quarterback.

Vor allem aber markiert es den Start eines Comebacks, letztlich gewinnen die Jaguars das Spiel mit 26:24 und fahren ihren zweiten Saisonsieg ein. Ein solider Saisonstart, mehr nicht, und doch bereits mehr als die meisten Beobachter dem Team zugetraut hätten, nachdem Starting Quarterback Nick Foles sich im Auftaktspiel der Jaguars das Schlüsselbein brach. Minshew hat fast alle Fans und Experten überrascht.

Gardner Minshew: Ein Anruf, der sein Leben veränderte

Es ist nicht das erste Mal in seiner Karriere, dass Minshew unterschätzt wurde. Und es ist nicht das erste Mal, dass er seine Kritiker Lügen straft.

Nach der High School bewerteten Scouts sein Talent mit drei von fünf Sternen, 69 Quarterbacks seines Jahrgangs wurden als besser eingestuft. Minshew besuchte die wenig ruhmreichen Colleges von Troy, Northwest Mississippi Community und East Carolina. Bei letzterem verlor er zeitweise sogar seinen Job als Starting Quarterback und dachte bereits über ein Ende seiner Spieler-Karriere und einen Wechsel ins Coaching nach.

Erst ein Anruf von Mike Leach sollte Minshews Karriere in eine neue Richtung lenken. "Willst du der Backup Quarterback von Alabama werden? Oder willst du das ganze Land in Passing anführen?"

Der Head Coach von Washington State bot Minshew, der auch von Alabama ein Angebot erhalten hatte, allerdings wusste, dass er dort hinter Jalen Hurts und Tua Tagovailoa vermutlich nie spielen würde, den Job als Starter an seiner Schule an - und dieser schlug sofort zu. "Einen Anruf von einer deiner größten Coaching-Helden zu bekommen und dann diese Frage gestellt bekommen? Es war surreal", erinnerte er sich später an den Moment.

Für Minshew war es ein Angebot, das sein Leben veränderte. Möglich gemacht wurde alles, was dann folgte, allerdings durch tragische Umstände.

Der Job des Starters bei Washington State wurde erst vakant, nachdem Quarterback Tyler Hilinski tot aufgefunden wurde. Er hatte sich im Alter von nur 21 Jahren das Leben genommen.

Gardner Minshew: Zahlreiche verrückte College-Geschichten

Minshew stieg am College innerhalb von nur wenigen Wochen zum Publikumsliebling auf. Im Training Camp vor der Saison ließ sich das gesamte Team einen Schnurrbart wachsen, der 23-Jährige entschied sich als einziger Spieler dafür, ihn nicht wieder abzurasieren - und sieht seitdem aus, als wäre er geradewegs dem Film "Napoleon Dynamite" entsprungen.

Die unterhaltsamen College-Geschichten rund um Minshew sind zahllos: An seinem ersten Tag mit dem Team machte er mit nichts als einem Jockstrap bekleidet eine Arschbombe in den nahegelegenen Pool, seine Dehnübungen in der Kabine absolvierte er diverse Male völlig nackt, auf Parties lief er den gesamten Abend mit einer Flasche seines Lieblingswhiskeys im Bund seiner Jeans herum, und, und, und. Es wird deutlich: Minshew ist ein verrückter Vogel - und seine Mitspieler liebten ihn dafür.

Doch Minshew war stets deutlich mehr als eine witziger Typ. Bereits auf der High School nahm er mehrfach an den Meetings der Defense teil, um bestimmte Schemata und Taktiken besser zu verstehen. Mitspieler bei Washington State berichten, niemand trainierte härter als ihr Quarterback. "Ja, er hat den Schnurrbart und ja, er ist ein Spinner, aber der Typ reißt sich jeden Tag den Arsch auf", verriet Houston Smith, Minshews bester Freund auf dem College, gegenüber The Athletic.

Minshew: Zahlreiche Schulrekorde und ein respektabler Heisman-Platz

Auch auf dem Feld sorgte Minshew dann recht bald dafür, dass Fans der Cougars ihn so schnell nicht vergessen werden: Er beendete die Saison mit 4.779 Passing Yards und 38 Touchdowns, beides neue Rekorde in der Geschichte von Washington State. Zudem führte er sein Team zu einer 11-2-Bilanz, der besten aller Zeiten, und mit Minshew gewann Washington State zum ersten Mal seit 25 Jahren den Alamo Bowl.

Von The Athletic auf einen möglichen Gewinn der Heisman-Trophäe angesprochen, erklärte Minshew: "Ich will unbedingt nach New York, ich war nie in New York. Ich schwöre: Niemand dort hätte mehr Spaß als ich." Und auf die Nachfrage, ob er auch mehr Spaß als Vorjahressieger Baker Mayfield hätte, antwortete er: "Baker hatte vermutlich Druck, ob er gewinnen würde oder nicht. Ich weiß ja, dass ich eh nicht gewinne."

Für einen Platz unter den drei Finalisten und eine Reise nach New York reichte es letztendlich zwar nicht, doch Minshew landete auf einem mehr als respektablen fünften Platz. Während Gewinner Kyler Murray an Position eins, der Drittplatzierte Dwayne Haskins an Position 15 und der Viertplatzierte Will Grier immerhin in Runde drei gedraftet wurden, fiel Minshew allerdings bis in die sechste Runde, ehe die Jaguars ihn mit dem 178. Pick auswählten.

Gardner Minshew: Überzeugender Einstand bei den Jaguars

Kein halbes Jahr später darf man mit Sicherheit davon ausgehen, dass zahlreiche General Manager diese Entscheidung bereits bereuen. Nach dreieinhalb Spielen hat Minshew für mehr als 900 Yards und sieben Touchdowns bei nur einer Interception geworfen. Seine Completion Percentage von 69,4 Prozent ist ligaweit die sechstbeste.

Zudem gewann Jacksonville mit ihm Under Center die vergangenen zwei Spiele, mehrfach wurde er schon zum Rookie of the Week sowie jüngst auch zum Rookie des Monats gewählt. Das Internet wird bereits mit Minshew-Memes überflutet, Receiver D.J. Chark gab jüngst sein Interview mit einem Plastikschnurrbart im Gesicht und die Jaguars verkaufen das "Minshew Ticket Paket", das neben den Tickets zum Spiel einen Fake-Schnurrbart, ein Bandana und ein Foto in entsprechender Montur auf dem Feld beinhaltet.

"Mich überrascht das nicht", lobt Defensive End Calais Campbell. "Er ist einer der Typen, bei denen du weißt, dass sie alles schaffen können. Er hat großartige Instinkte, geradezu magisch." Und Running Back Leonard Fournette fügt hinzu: "Er ist stärker, als man annimmt. Ich weiß nicht, ob der Schnurrbart ihm zusätzliche Kraft verleiht oder so etwas."

Minshew selbst zeigt sich bislang noch zurückhaltend. Er ist sich bewusst, dass die Defense in beiden Siegen eine große Rolle gespielt hat, gegen Denver bekam er zudem Unterstützung durch ein starkes Running Game. "Das hat uns das Spiel gewonnen", erklärte er nach dem Spiel. "Leonard, Ryquell, die ganze Offensive Line, die Tight Ends, sie haben absolut dominiert."

Es werden noch schwierigere Aufgaben auf Minshew zukommen. Vorerst bleibt abzuwarten, ob der Rookie wirklich konstant die Qualität hat, um dauerhaft ein Starting Quarterback in der NFL zu sein. Doch schon jetzt hat er die Erwartungen in seine Person einmal mehr übertroffen. Noch vor vier Wochen wollte ihn niemand als Starter anstelle von Nick Foles sehen; Minshew hat gezeigt: Er ist zumindest eine gute Alternative. Und vielleicht wird er sogar noch deutlich mehr als das.

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