Letzten Endes schrammten die Kansas City Chiefs im Januar nur Zentimeter - die Dee Ford beim Snap vor Tom Bradys Interception Offside stand - am Einzug in Super Bowl LIII vorbei. Doch anders als ein Team, das so nah dran war, den Topseed der AFC innehatte und gerade offensiv Maßstäbe setzte, ruhte sich niemand in KC auf diesen beträchtlichen Lorbeeren aus.
Stattdessen krempelte General Manager Brett Veach vor allem die Defense von Grund auf um. Sie feuerten Defensive Coordinator Bob Sutton nach sechs Jahren im Amt und holten Steve Spagnuolo. Damit einherging auch ein Systemwechsel von 3-4 auf eine 4-3-Basis. Die wiederum erforderte einige Umbauarbeiten.
Die bisherigen Edge-Rusher Ford und Justin Houston - ihres Zeichens in erster Linie Outside Linebacker - wurden letztlich beide abgegeben, 5-Technique-Defensive-End Frank Clark aus Seattle geholt und mit einem massiven neuen Vertrag ausgestattet. Zudem kam Emmanuel Ogbah (Browns) ebenfalls via Trade für die andere Seite.
Für die Secondary kam vor allem Safety Tyrann Mathieu als Ersatz für Eric Berry sowie dessen potenzieller Backup Juan Thornhill in der zweiten Runde des Drafts. Beide könnten auch als sehr flexibles Duo funktionieren. Hinzu kamen zahlreiche weitere Depth-Ergänzungen durch Free Agency und Draft sowie eine verhältnismäßig teure Undrafted-Rookie-Free-Agent-Klasse.
Kansas City Chiefs: Mecole Hardman als Ersatz für Tyreek Hill
In der Offense wiederum lag der Fokus auf dem Stopfen von potenziellen und realen Löchern. Am auffälligsten war der Zweitrundenpick von Wide Receiver Mecole Hardman, ein Speedster. Das Motiv dahinter war von Anfang an klar: Mit dem drohenden Abgang von - oder zumindest einer saftigen Sperre für - Tyreek Hill musste Ersatz her. Schnell ist auch Hardman, obgleich er sicherlich noch nicht der System-Breaker ist, den "Cheetah" verkörpert.
Zudem holten die Chiefs noch vier weitere Wide Receiver nach dem Draft, die zusätzlich zu den etablierten vier bis fünf anderen um Kaderplätze kämpfen werden.
Die Chiefs betrieben also erheblichen Aufwand, um sich für die Saison 2019 zu positionieren. Doch gelang ihnen auch eine Qualitätssteigerung? Oder wurde mit diesem Aufwand lediglich der Status Quo gewahrt? Oder nicht einmal dies?
NFL Draft 2019: Alle Picks der Kansas City Chiefs
Runde | Spieler | Position | College |
2 | Mecole Hardman | Wide Receiver | Georgia |
2 | Juan Thornhill | Safety | Virginia |
3 | Khalen Saunders | Defensive Tackle | Western Illinois |
6 | Rashad Fenton | Cornerback | South Carolina |
6 | Darwin Thompson | Running Back | Utah State |
7 | Nick Allegretti | Guard | Illinois |
Defensiv lassen sich aktuell noch keine großen Schlüsse ziehen. Wer weiß, wie das neue Gebilde unter Spagnuolo zusammenpassen wird? Hier gab es viele neue Teile, die sich erst finden müssen. Andererseits kann es viel schlechter als im Vorjahr eigentlich kaum laufen - die Chiefs belegten mit ihrer Defense Rang 26 der Liga mit 6,9 Prozent DVOA laut Football Outsiders.
Gleichzeitig lässt sich festhalten, dass dieser Wert bereits mit einem starken Pass-Rush um Chris Jones, Dee Ford und Justin Houston zustande kam. Wenn dieser umgekrempelte Mannschaftsteil Zeit brauchen wird, steht die Secondary noch stärker unter Druck - eine Secondary, in der vor allem die Outside Cornerbacks ernsthafte Fragezeichen darstellen.
Offensiv dagegen waren sie die klare Nummer 1 mit 34,2 Prozent DVOA in Team-Offense und mit sagenhaften 62,9 Prozent in Passing Offense (Rang 4 mit 11 Prozent DVOA in Rushing Offense). Hauptgrund dafür war freilich MVP Patrick Mahomes, der mit Abstand beste Quarterback der letzten Saison.
Gehen Kansas City Chiefs ohne Haupt-Target in neue Saison?
Doch sein Hauptanspielpartner war eben Hill, der Platz 5 in DYAR und Platz 6 in DVOA unter allen Receivern mit mindestens 50 Targets belegte - und 12 Touchdowns erzielte. Travis Kelce kam immerhin auf 10 Touchdowns, war aber nicht annähernd so sehr ins Passspiel eingebunden wie Hill.
Jener Hill, der aufgrund des Vorwurfs der häuslichen Gewalt und Kindesmissbrauchs womöglich nicht zur Verfügung stehen wird. Natürlich sollte man es Head Coach und Offensiv-Guru Andy Reid zutrauen, diesen Verlust - womöglich tatsächlich durch eine prominente Rolle für Rookie Hardman schon zu Beginn - zu kompensieren. Aber ein gewisser Qualitätsverlust muss hier dennoch einkalkuliert werden. Hill war zu wichtig für die Offense, aus individueller, aber auch aus schematischer Sicht.
Wenn die Defense eine Wundertüte und die Offense mindestens ein wenig schlechter geworden ist als im Vorjahr, muss man die Frage stellen, ob das Titelfenster hier wirklich weiter aufgestoßen wurde. Selbiges steht im Fokus, weil Mahomes bereits in sein drittes Vertragsjahr geht und sein Rookie-Vertrag nicht mehr lange gilt. Kansas City muss aus Kader-Building-Sicht jetzt aggressiv angreifen.
Mahomes ist bis Ende 2020 unter Vertrag und als Erstrundenpick könnten sie eine Option für ein weiteres Jahr (2021) ziehen, die die Chiefs mehr als 20 Millionen Dollar kosten würde. Gerüchten zufolge planen sie allerdings schon nach dieser Saison eine langfristige Lösung mit dem Quarterback zu finden.
Chiefs: 200 Millionen Dollar für Patrick Mahomes?
Nach menschlichem Ermessen kann dies nur einen Monstervertrag bedeuten, so gut ist Mahomes einfach jetzt schon. Gerüchten zufolge könnte sich das Gesamtvolumen gar auf rund 200 Millionen Dollar belaufen.
Vor diesem Hintergrund wird zeitlicher Druck noch akuter, denn der Cap Space ist überschaubar. 2020 stehen die Chiefs aktuell bei 18 Millionen Dollar, 2021 dagegen bei 73 Millionen. Das allerdings kommt dadurch zustande, das bestehende Verträge von zahlreichen aktuellen Leistungsträgern dann ausgelaufen sein werden und Verlängerungen im Raum stehen, die auch in jenen Fällen teuer werden können.
Die Prämisse muss also sein: Angreifen, solange es geht. Dafür aber haben die Chiefs seit der bitteren Niederlage im Championship Game vermeintlich zu wenig gemacht. Sie haben den Status Quo nahezu gehalten, aber wo bleibt die Steigerung? Wo bleibt die nächste Stufe, um die Konkurrenz in der kommenden Spielzeit zu distanzieren?
Und sei es um lediglich ein paar Zentimeter, die in dieser Liga die Welt bedeuten.