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Ryan Fitzpatrick bei den Tampa Bay Buccaneers: Fitzmagic oder Achterbahnfahrt?

Von Jan Dafeld
Ryan Fitzpatrick führt NFL in Passing Yards an
© getty

Ryan Fitzpatrick ist DIE Überraschung der ersten NFL-Wochen. Eigentlich als Backup vorgesehen, bricht Fitzmagic auf seine alten Tage plötzlich Rekorde. Es ist nicht das erste Mal, dass sich der 35-Jährige aus dem Nichts ins Rampenlicht spielt, und somit stellt sich die Frage: Kann diesmal tatsächlich alles anders sein? Oder folgt doch wieder der Einbruch ins Mittelmaß?

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Wer sich auch nur ein bisschen für Football - oder sogar nur für Sport generell - interessiert, dem dürften die Leistungen von Ryan Fitzpatrick in den letzten Wochen nicht verborgen geblieben sein. Der 35-Jährige, der eigentlich nur den gesperrten Jameis Winston vertritt, warf sich in die Highlight-Clips jeglicher amerikanischer Sportsender, schaffte es sogar in deutsche Tageszeitungen und brachte es ganz nebenbei auch noch zum Internet-Meme.

Seinen Anfang fand der Fitzmagic-Hype vor drei Wochen gegen die New Orleans Saints. Fitzpatrick warf für 417 Yards und vier Touchdowns bei null Interceptions. Zudem erzielte er zusätzlich einen Rushing-Touchdown. "Mein neunjähriger Sohn, Tate, hat meinen elfjährigen Sohn, Brady, überredet, mich in seinem Fantasy-Football-Team aufzustellen, verriet Fitzpatrick nach dem Spiel. "Ich wusste gar nicht, dass Brady Fantasy Football spielt. Aber ich glaube, es war eine gute Entscheidung."

Sollte der Sohnemann auch in den nächsten Wochen auf seinen Vater gesetzt haben, dürfte das eine noch bessere Entscheidung gewesen sein. Fitzpatrick warf eine Woche später für 402 Yards und vier Touchdowns bei einer Interception gegen die Eagles und 411 Yards und drei Touchdowns gegen die Steelers - auch wenn der Hochglanz nach drei Interceptions und einer Niederlage in diesem Spiel ein wenig zu bröckeln begann.

Trotzdem: Fitzpatrick hatte Geschichte geschrieben. Als erster Quarterback in der 99-jährigen NFL-Geschichte hatte er in den ersten drei Spielen einer Saison immer die 400-Yards-Marke knacken können. Mit 1.230 Passing Yards führt er die Liga in dieser Kategorie mit deutlichem Vorsprung an und liegt nach drei Spielen auf Kurs, in dieser Spielzeit für 6.560 Yards zu werfen. Die aktuelle Bestmarke liegt mehr als 1.000 Yards darunter.

NFL-Debüt in Fitzmagic-Manier

Es ist die beste Drei-Spiele-Serie, die Fitzpatrick in seiner Karriere bislang aufstellen konnte. Doch es ist keineswegs das erste Mal, dass er es mit einer überragenden Leistung praktisch aus dem Nichts mitten ins Rampenlicht schafft. Eine Tatsache, die bereits in Fitzpatricks erstem NFL-Spiel überdeutlich wurde.

2005 in der siebten Runde von den St. Louis Rams gedraftet, sah der Rookie die ersten zehn Saisonspiele von der Seitenlinie zu, ehe sich Starter Jamie Martin gegen die Houston Texans kurz vor der Halbzeit verletzte. Fitzpatrick übernahm beim Halbzeitstand von 3:24. 310 Passing Yards, drei Touchdowns und null Interceptions später hatten die Rams einen 33:27-Overtime-Sieg und Fitzpatrick seine erste Player-of-the-Week-Auszeichnung in der Tasche.

Offensive Coordinator Mike Martz war begeistert von seinem jungen Quarterback. Martz erklärte später, er habe in Fitzpatrick ein Zweitrunden-Talent gesehen und war überzeugt davon, in dem Rookie aus Harvard seinen (neuen) Kurt Warner gefunden zu haben. Als Martz seine Position in der Mitte der Saison krankheitsbedingt niederlegen musste, rief er nur einen seiner Spieler an: Fitzpatrick. "Lass dir niemals von jemandem sagen, dass du nicht spielen kannst", sagte Martz. "Du bist ein Starter in dieser Liga."

Ins Auge stachen den Rams damals besonders Fitzpatricks Genauigkeit, seine Toughness, sein Siegeswillen und - natürlich - seine Intelligenz. Fitzpatrick schloss sein Wirtschafts-Studium an der Harvard University ab, beim Wonderlic Test, einem Intelligenz-Test, den NFL-Teams vor dem Draft durchführen, schaffte er laut dem Wall Street Journal in neun Minuten 48 von 50 möglichen Punkten - bis heute das beste Ergebnis, das ein NFL-Quarterback jemals erreichen konnte (und das zweitbeste auf allen Positionen).

Doch Martz sollte nicht Recht behalten. Trotz seines überragenden NFL-Einstands wurde Fitzpatrick nicht der neue Kurt Warner, nicht einmal zum langfristigen Starter für die Rams sollte es reichen. Nur zwei Wochen nach seinem Traumdebüt gegen die Texans kam Fitzpatrick gegen die Vikings auf 235 Passing Yards, null Touchdowns und warf fünf Interceptions. Ein Desaster. Diese Inkonstanz mit extremen Ausreißern, sowohl nach unten als auch nach oben, sollte Fitzpatricks Karriere bis heute stetig begleiten.

Vierzehn Jahre ohne Playoffs

"Fitzmagic" wurde nicht erst 2018 geboren. Der Hype entpuppte sich nur zu oft als fauler Zauber, als dass sich der Spitzname wirklich etablieren hätte können. 2011 führte Fitzpatrick die chronisch sieglosen Bills zu einem 5:2-Saisonstart, ein 369-Yard-Feuerwerk im Sieg gegen die eigentlich dominanten Patriots inklusive. Das Ende von Buffalos Playoff-Durststrecke schien zum Greifen nah. Doch: Die Bills verloren acht ihrer verbleibenden neun Spiele. Fitzpatrick beendete die Saison mit 23 Interceptions, mehr als jeder andere Quarterback.

Vier Jahre später lag erneut Magie in der Luft: Fitzpatrick spielte die statistisch beste Saison seiner Karriere, legte Career-Highs in Passing Yards und Touchdowns auf und stand mit den Jets nach zehn Siegen aus den ersten 15 Spielen bereits mit einem Bein in den Playoffs. Doch: Im letzten Saisonspiel entpuppte sich "Fitzmagic" erneut als Illusion. Fitzpatrick warf drei Interceptions und brachte weniger als 50 Prozent seiner Pässe an. Nach einer 17:22-Pleite gegen die Bills ging der letzte Playoff-Spot an die Steelers.

Fitzpatrick spielt in seiner 14. NFL-Saison und sein nächster Playoff-Auftritt wäre gleichzeitig auch sein erster. Allerdings: Die Schuld dafür liegt längst nicht alleine bei Fitzpatrick. In seiner Karriere stand der siebenfache Vater praktisch ausschließlich bei erfolglosen und wenig talentierten Teams unter Vertrag. Alle sieben Teams verpflichteten Fitzpatrick in seiner Karriere mit dem Plan, ihn zum Backup-Quarterback zu machen. Letztendlich startete er - entweder aufgrund von Verletzungen oder aufgrund schwacher Leistungen der Nummer eins - für jedes Einzelne von ihnen.

"Dieses Spiel ist hart, das sehe ich ganz realistisch. Ich habe sechs Touchdowns in einem Spiel geworfen. Ich habe sechs Interceptions in einem Spiel geworfen", räumt Fitzpatrick seine Inkonstanz selbst ein. "Dieses Spiel ist von Woche zu Woche anders. Dessen sollte man sich klar sein."

Von den Mitspielern geliebt

Nach abgesessener Drei-Spiele-Sperre kehrt Jameis Winston in dieser Woche zum Team zurück. Die offene Frage ist nun: Startet Winston oder behält Fitzpatrick seine Rolle? Und falls Letzteres eintritt, die Anschlussfrage: wie lange kann er vor Winston stehen? Klar ist: Man kann getrost davon ausgehen, dass der 35-Jährige sich selbst als die bessere Antwort auf diese Frage sieht.

Er ist trotz seiner unzähligen Aufs und Abs überzeugt davon, dass Martz damals in seiner ersten Profi-Ssaison Recht hatte. "Er glaubt, dass er so gut ist, wie die zehn oder 15 besten Quarterbacks auf diesem Planeten", verrät Harvard-Coach Tim Murphy. "An Selbstvertrauen fehlt es ihm definitiv nicht."

Eine Einschätzung, die viele seiner Mitspieler offenbar zumindest in Grundsätzen teilen. "Die Art und Weise, wie sich das Team hinter ihm versammelt und einfach herausragenden Football spielt, das musst du anerkennen", glaubt DeSean Jackson. "Du kannst den Spieler, der gerade heiß ist, nicht rausnehmen."

Fitzpatrick gilt als "Locker Room Guy", seine Mitspieler mögen ihn - nicht nur in Tampa Bay. In Buffalo scherzten Mitspieler darüber, dass Fitzpatrick stets in zu kleinen T-Shirts zum Training erschien, also trug er anschließend bauchfrei. Seinen Spitznamen "Amish Rifle" bekam er ebenfalls von Mitspielern verpasst, bei den Bucs fiel Fitzpatrick zuletzt auch dadurch auf, wie er seinen Bart an dem seines Mitspielers Evan Smith rieb oder sich kurzerhand die Klamotten von Jackson für die Pressekonferenz ausborgte.

"Er hat die seltene Eigenschaft mit praktisch jedem gut auszukommen", verrät Scott Chandler, der als Tight End zusammen mit Fitzpatrick in Buffalo spielte. "Ich glaube nicht, dass es viele Spieler gibt, die mit ihm gespielt haben und nicht meinen, dass sie ziemlich gut mit ihm befreundet sind. Ich denke nicht, dass er sich jemals einen Feind gemacht hat."

Muss Fitzpatrick Platz für Winston machen?

Im Sinne des Teamspielers gibt sich Fitzpatrick auch vor Verkündung der Entscheidung in der QB-Frage der Bucs ganz entspannt. "Ich habe so viel Spaß dabei, dieses Spiel zu spielen. Ich habe so viel Spaß dabei, mit diesen Jungs zu spielen und ich bin hier, um alles zu tun, was diesem Team dabei hilft, Spiele zu gewinnen."

Head Coach Dirk Koetter will sich aktuell nicht in die Karten schauen lassen. "Wir wissen, was wir tun werden. Beide Jungs wissen, was wir tun werden", erklärte er am Dienstag. "Ich hoffe jeder kann verstehen, dass es uns nicht gerade hilft, wenn wir unserem Gegner sagen, was wir vorhaben."

Wie auch immer die Entscheidung nun aussehen mag, Fitzpatrick bleibt gelassen: "Ich versuche das alles einfach nur zu genießen. Ich hatte so viele Höhen und Tiefen in meiner Karriere. Wenn es gut läuft, dann lernst du, das zu genießen."

Fitzpatricks aktuelles Hoch wird mindestens bis Sonntag anhalten. Was danach kommt, steht in den Sternen. Die Achterbahnfahrt geht weiter.

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