Es soll eine gigantische Party werden, am späten Sonntagabend in Minneapolis. Live-Konzert, Biergarten und DJ vor dem Kick-Off, dazu debütiert der "Vikings Skol Chant", eine Variante des Wikingerrufs der Isländer bei der EM 2016. Angeleitet übrigens von niemand Geringerem als Island-Kapitän Aron Gunnarsson und Thor Bjornsson, besser bekannt als "The Mountain" von Game of Thrones.
In der Halbzeit folgt dann eine Zeremonie mit dem Minnesota Orchestra und Direktor Michael Shann, der auch schon die Schlussfeier bei den Olympischen Spielen in Sotschi verantwortete. Geehrt werden dabei nicht nur die Vikings, sondern auch der berühmteste Sohn der Stadt: Prince. Light-Show und Video-Projektionen natürlich inklusive für die über 66.000 Fans auf der Tribüne - möglichst wenige davon aus dem knapp 300 Meilen entfernten Green Bay, bitte.
Week 1, Roundup: No Peyton, no Party?!
Die Vikings haben für die Eröffnung ihres neuen US Bank Stadiums, einer gigantischen Arche Noah im Herzen der Stadt mit lichtdurchflutetem Inneren und einer glitzernden Glasfassade, keine Kosten und Mühen gescheut. Nach drei Jahren Bauzeit ist das Werk vollendet, eröffnet werden wird das Stadion vor fanatischen Fans in Wikingerhelmen, falschen Zöpfen und lila Jerseys. Zur besten Sendezeit gegen den Lieblingsfeind aus Winsconsin, dessen Spielern man auch schon mal Spitznamen wie "Gouda Buddha" (Eddie Lacy) verpasst. "Das wird abgefahren, bis unters Dach wird alles unter Strom stehen", weiß Vikings-Guard Alex Boone. "Solche Spiele sind das i-Tüpfelchen. Da hat man einfach Spaß."
"Jedes Mal pissen wir uns ein"
Mit dem zweiten Sieg im zweiten Saisonspiel will man die Cheeseheads in der NFC North erst einmal ins zweite Glied rücken, die hohen Erwartungen des fanatischen Anhangs erfüllen - und für das Heimspiel aus dem letzten Jahr Abbitte leisten. 13:30 hatte man in Week 11 gegen die Packers verloren und dabei so schlecht ausgesehen, dass Cornerback Captain Munnerlyn, nun ja. Um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: "In jedem großen Spiel, entschuldigt den Ausdruck, pissen wir uns ein. Jedes Mal."
Diesmal will die Defense um Munnerlyn, die in Week 1 gegen Tennessee dominiert und zwei Touchdowns geliefert hatte, dicht halten. "Das ist die große Herausforderung. Sunday Night Football, die ganze Welt schaut zu. Wir müssen unser ganzes Können abrufen", so der 28-Jährige.
An seiner Defense wird es voraussichtlich nicht liegen. Top Five in der NFL wurde die Einheit von Coordinator George Edwards vor der Saison geschätzt - konservativ. Und sie machte ihrem Ruf gegen die Titans alle Ehre, ließ nur 64 Rushing Yards zu und erzwang drei Turnover. Die Truppe ist eingespielt, athletisch und vielseitig, kaum jemand übt derart Druck auf den gegnerischen Quarterback aus. Ganz besonders bei fünf oder mehr Rushern: Laut ESPN blitzte 2015 kein Team so erfolgreich wie Minnesota.
Bradford bereit für sein Debüt?
Hauptsächlich an dieser verschworenen Einheit und nicht etwa an Running Back Adrian Peterson hingen vor der Saison dann auch die Hoffnungen auf den ganz großen Wurf - die Broncos hatten es bekanntlich vorgemacht. Und dieses Vetrauen in die eigene Defense führte dann auch dazu, dass man nach dem Saisonaus von Quarterback Teddy Bridgewater einen stolzen Preis für Sam Bradford aus Philadelphia zahlte.
Die Frage ist nun: Feiert der gegen Green Bay sein Debüt? Gegen die Titans hatte Coach Mike Zimmer noch auf Shaun Hill vertraut, der mit 18/33 Pässen und 236 Passing Yards nicht sonderlich gut, aber eben gut genug war. Früher oder später wird der Switch kommen, aber Zimmer will sich um keinen Preis in die Karten gucken lassen. Nicht einmal die eigene Offense weiß Bescheid, aus Angst vor Maulwürfen. "Normalerweise ziehe ich das Team ins Vertrauen, aber ich war ein bisschen enttäuscht, dass Manches [letzte Woche] an die Öffentlichkeit drang. Wir werden sehen. Vielleicht sage ich es ihnen. Ich weiß noch nicht."
Der 60-Jährige muss entscheiden, ob Bradford ausreichend ins Team integriert worden ist. Snap Count, das Huddle, die Abstimmung mit den Coaches an der Seitenlinie, die Calls - vom Verständnis mit der Line und den Receivern ganz zu schweigen. Kommt er zum Einsatz, sollte er die Offense nicht gerade auf ein ganz neues Level heben, aber seine Stärken (intelligent, gute Passquote unter Druck, starker Arm) dürften sich mit Peterson und dem schnellen Wide Receiver Stephon Diggs gut vertragen, etwa bei Play-Action.
"Alles beginnt mit Adrian Peterson"
Die Packers werden also erst vergleichsweise kurz vor dem Kick-Off wissen, welchem Quarterback sie gegenüberstehen. Von Shaun Hill hat man immerhin das Tape von letzter Woche, Bradfords Platz in der Vikings-Offense müsste man aus seinem Performances in Philly und seinen neuen Nebenmännern ableiten.
Der Fokus von Head Coach Mike McCarthy liegt jedoch ohnehin auf dem früheren MVP im Backfield. Der bleibt so oder so der Gleiche. "Je nach Quarterback tendiert man zu gewissen Systemen. Diese Fragen werden wir uns im Laufe der Vorbereitung stellen, aber so oder so beginnt alles mit Adrian Peterson. Wenn wir gegen die Vikings spielen, liegt darauf immer unser Hauptaugenmerk."
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Angesichts der Tatsache, dass AP gegen vollgestopfte Boxen in Nashville auf gerade Mal 31 Yards Raumgewinn bei 19 Carries kam und die Packers das Running Game der Jags ihrerseits mit nur 48 zugelassenen Yards fast komplett ausschalteten, könnte dieses Duell klar in Richtung Gäste tendieren. Andererseits startete Peterson im letzten Jahr ebenfalls mit 31 Yards in die Saison - bevor im zweiten Spiel weitere 134 und letzten Endes der Rushing Title dazukamen. Er dürfte am meisten davon profitieren, sollte Bradford auflaufen und die Linebacker und Safeties der Packers zumindest ein bisschen beunruhigen. Zumal Cornerback Sam Shields mit einer Gehirnerschütterung auszufallen droht.
Rodgers gegen den Pass Rush
Bei Ballbesitz Packers sind die Vikes eines der wenigen Teams, das sich gegen Aaron Rodgers zumindest Chancen ausrechnen darf. Im letzten Jahr hielt man den Magier in grüngelb gleich zweimal unter einem Passer Rating von 90. Was natürlich nichts heißen muss: "Er ist so intelligent und erkennt alles. Dazu kommt dann noch seine Athletik und sein Ehrgeiz. Der Typ ist unglaublich", so Zimmer. "Ich wünschte, er würde in einer anderen Division spielen."
Der gefräßige Pass Rush der Vikes sollte gegen eine O-Line, die in diesem Jahr auch noch ohne den gecutteten Josh Sitton auskommen muss, klare Vorteile haben, zumal man mit einem fast unmenschlichen Lärmpegel als Unterstützung rechnen muss. Gelingt es, die Reihen gegen Lacy zu schließen und Rodgers nicht aus der Pocket entkommen zu lassen, verschieben sich die Kräfteverhältnisse klar in Richtung Minnesota.
Allerdings muss auch Zimmer ohne Stammkräfte in der Defensive auskommen. Defensive Tackle Sharrif Floyd hat weiter Knieprobleme, der verletzungsanfällige Cornerback Xavier Rhodes hat seine Knieverletzung von letzter Woche noch nicht auskuriert. Wobei Rhodes von seinem Head Coach mittlerweile kaum noch zum Kader gerechnet wird, wie es scheint. Ob er angesichts dessen Ausfall enttäuscht sei, wurde Zimmer gefragt: "Weiß nicht. Ich bin es ja gewohnt."
Denver hat es vorgemacht
Das Duell erinnert in Grundzügen an Super Bowl 50: Auf der einen Seite eine knallharte Defense ohne offensichtliche Schwächen, dafür aber mit einem Problem auf der Quarterback-Position und der Frage, wo denn bitte die nötigen Punkte herkommen sollen. Auf der anderen Seite eine explosive Offense, angeführt von einem Superstar-Quarterback, der aber von einer löchrigen Line beschützt wird.
Wie einseitig eine solche Konfrontation ausgehen kann, hat Denver im Februar gezeigt. Gelingt Minnesotas Defensive ein ähnliches Kunststück? Immerhin hat man mit dem Publikum einen gewichtigen X-Faktor im Rücken - und nicht umsonst die beste Winning Percentage überhaupt in einem überdachten Stadion (.615). Um es mit Peterson zu sagen: "Es wird laut werden."