NFL

Ein Superstar wird erwachsen

Von Adrian Bohrdt
Johnny Manziel (l.) gilt als einer der Top-Kandidaten im kommenden NFL-Draft
© getty

Kein Spieler des kommenden NFL-Drafts wird kontroverser diskutiert als Johnny Manziel. Der Quarterback aus Texas A&M lässt auf dem Platz Kinnladen reihenweise runter klappen, gleichzeitig sorgt er mit kleineren und größeren Eskapaden regelmäßig für Aufsehen. Im Draft im Mai gilt er als Top-Pick, doch muss er zeigen, dass er erwachsen werden kann - und scheint auf einem guten Weg zu sein.

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Es war im vergangenen Sommer, als ein "ESPN"-Reporter Johnny und Vater Paul Manziel auf den Golfplatz begleitete. "Ich spiele nicht gerne Golf mit ihm, weil ich seine Launen nicht sehen will", gab Paul damals zu Protokoll.

"Ich mache es nicht gerne, aber ich weiß, dass ich es machen muss, weil er immer noch Liebe braucht. Er braucht Führung", so der besorgte Vater: "Er muss immer noch sehen, wo er Fehler hat und lernen, wie er sein Temperament kontrollieren kann. Und wenn ich ihn aufgebe, wer wird das übernehmen? Die Schule garantiert nicht."

Manziel schockt die Liga

Die Aussagen des Vaters waren ein Hilfeschrei mitten in der turbulenten Off-Season. Manziel war auf Wunsch der Eltern seit Frühling in Therapie und auf dem besten Weg, ein Skandal-Garant zu werden. Es war ein halbes Jahr, dem Johnny Football das Image eines verwöhnten, auf Partys fixierten Schnösels verdankt - ein Image, das Teams im Draft zögern lassen könnte, welches gleichzeitig aber überzeichnet scheint.

Dabei lieferte er sportlich in der vorherigen Saison unfassbare Zahlen ab. 3.706 Passing-Yards führten zu 26 Touchdowns und neun Interceptions, dazu kamen 1.410 Rushing-Yards und 21 Rushing-Touchdowns. Erst vor der Saison hatte er sich gegen Jameill Showers und Matt Joeckel durchgesetzt, doch Manziel eroberte die Liga innerhalb einer Spielzeit durch seine elektrisierenden und teilweise improvisierten Spielzüge und gewann schließlich als erster Freshman die Heisman Trophy für den besten College-Spieler.

Vor allem durch den völlig unerwarteten 29:24-Sieg über Alabama in Tuscaloosa war Manziel plötzlich ein landesweiter Star, der nach Heimspielen nicht mehr nach Hause laufen konnte, sondern von Polizisten durch Fan-Massen in den Mannschaftsbus eskortiert werden musste.

Die verhängnisvolle Off-Season

Doch nach der Bilderbuch-Saison mit raketemhaftem Aufstieg folgte die ereignisreiche Off-Season, der Johnny seinen schlechten Ruf verdankt und die seine Kritiker bis heute mit Material versorgt. So postete Manziel, dessen Familie durch Öl zu Wohlstand gekommen ist, im Januar via Twitter ein Bild von sich mit Freunden in einem Casino, auf dem er mit Geldscheinen wedelte und wurde dafür prompt kritisiert.

Es folgte eine Mardi-Gras-Feier mit unter anderem Justin Timberlake und Jessica Biel sowie ein Bild mit einem gefakten Tattoo der Texas Longhorns, der Erzrivale von Texas A&M. Wenig später machte ein gefaktes Foto, auf dem er einen durch Photoshop hinzugefügten Joint hin der Hand hielt, die Runde. Alles von Manziel, der es im September sogar auf das Cover des Dime-Magazines brachte, über Social Networks wohl dokumentiert und für jeden nachvollziehbar.

Manziel schimpft gegen eigene Uni

Das echte Drama sollte jedoch erst im Sommer folgen. Im Juni, vier Tage vor "ESPNs" Privataudienz bei der Manziel-Familie, schimpfte er wegen eines auf dem Campus erhaltenen Strafzettels via Twitter: "Genau solcher Bullshit ist der Grund dafür, dass ich es nicht abwarten kann, das College zu verlassen. Wann auch immer das sein wird." Er löschte den Tweet wenig später und entschuldigte sich, doch seine vom Vater kritisierte, impulsive Art hatte ihn einmal mehr in Schwierigkeiten gebracht.

Im Juli schließlich verließ er die Manning Passing Academy vorzeitig, laut eigener Aussage weil er verschlafen hatte und nicht fit war. Gerüchte von einer durchzechten Nacht machten aber schnell die Runde und hinterließen Zweifel an seiner Einstellung und seinem Arbeitsethos. Als er wenig später bei einer Burschenschafts-Party ausgerechnet bei den Longhorns raus geworfen wurde, war der 21-Jährige für viele als fauler Unruhestifter abgestempelt.

Einige Wochen danach, am Tag vor dem ersten Training der Aggies, tauchten schließlich noch Berichte auf, dass Manziel Autogramme gegen eine fünfstellige Summe unterzeichnet habe. Ein schwerer Verstoß gegen die Regeln des College-Sports, welcher ihm eine, vergleichsweise lachhafte, Sperre von einer Halbzeit einbrachte. Zu dem ohnehin negativen Bild kamen jetzt noch die Attribute geldgierig und aufsässig.

"Bin bereit, damit aufzuhören"

Allerdings markierte der turbulente Sommer auch einen Wendepunkt. "Ich habe meine Entscheidungen bewusst getroffen und akzeptiere die Konsequenzen", erklärte Manziel später. Zwar sei seine Off-Season unverhältnismäßig ausgeschlachtet worden, dennoch betonte er, daraus lernen zu wollen: "Ich versuche, meine Fehler hinter mir zu lassen und mich davon so weit wie möglich zu distanzieren. Ich bin bereit, damit aufzuhören."

Der Shootingstar ließ seinen Worten Taten folgen und überzeugte in der vergangenen Saison als verbesserter Passer: Bei 13 Picks warf er für 4.114 Yards und 37 Touchdowns. Doch es sind nicht nur die nackten Zahlen, die Manziels Reifeprozess nach nervenaufreibenden Monaten dokumentieren. Der gebürtige Texaner mit dem Kämpferherz und nicht zu bändigenden Siegeswillen überzeugte auch als Anführer innerhalb des Teams.

Mangelnde Führungsqualitäten? Fehlanzeige!

So kam er beispielsweise trotz Schulterverletzung gegen Auburn nach kurzer Pause zurück und brachte die Aggies kurz vor Schluss in Führung, wenngleich die desolate Defense den Sieg noch her schenkte. Im Chick-fil-A-Bowl, seinem letzten College-Spiel, trieb er seine Mitspieler an der Seitenlinie an und führte sie nach 17:38-Rückstand zur Halbzeit zu einem 52:48-Sieg - mit nur einer Incompletion nach der Pause.

Auch beim Combine im Februar überzeugte Manziel. Nicht nur mit guten Zeiten und Werten, sondern vor allem mit einem professionellen, Ausrutscher-freien Auftreten gegenüber den Medien. Da fiel es fast etwas unter den Tisch, dass er nicht die von ihm prognostizierten 1,82 Meter, sondern nur 1,80 maß - für einen Quarterback alles andere als Idealgröße. "Ich spiele mit viel Herz und Leidenschaft. Ich habe das Gefühl, als wäre ich drei Meter groß", so der Youngster.

Bradys verlockendes Angebot

Damit bleibt vor dem Draft die Frage, welchen Spieler das NFL-Team bekommt, das mutmaßlich einen hohen Pick für Manziel verwendet. Ist er der medial überzeichnete exzentrische Partylöwe, der angeblich gerne Regeln bricht und provoziert? Oder ist er nicht doch vielmehr ein 21-jähriger Student, der gerne mal auf Partys geht?

Keine Frage: Erwachsen zu sein und sich wie ein Profi zu verhalten, muss Manziel lernen, und der Skandal um die Autogramme und die Manning Academy haben Spuren hinterlassen, welche Teams zum nachdenken bringen werden.

Doch genauso klar ist, dass er enormes Potential hat, mehrfach zu hart für Kleinigkeiten kritisiert wurde und sich nach seinem Heisman-Jahr sogar steigern konnte. Er hat eine hohe Wurfgenauigkeit, einen mehr als soliden Wurfarm und ist unglaublich explosiv, was ihm sogar ein Angebot von Tom Brady einbrachte. "Er hat mit mir ein wenig gescherzt", berichtete Manziel: "Wenn ich ihm beibringe, so wie ich zu laufen, würde er für mich tun was ich will."

Wo landet Manziel?

Mittlerweile gilt Manziel als fast sicherer Top-10-Pick im Mai. Die Jacksonville Jaguars, deren Head Coach Gus Bradley den ebenfalls eher kleinen Russell Wilson noch aus seiner Zeit in Seattle kennt, sind genauso denkbar wie Oakland und Cleveland - alle drei Teams brauchen dringend Quarterbacks und ein Gesicht für ihre Franchise.

Auch die Minnesota Vikings, die eine solide O-Line sowie eine explosive Offense um Cordarrelle Patterson, Adrian Peterson und Greg Jennings haben, dürften gegenüber Manziel nicht abgeneigt sein, während sich die Houston Texans offenbar eher in Richtung Blake Bortles orientieren. Klar ist: Manziel muss seinen positiven Trend bestätigen und so sein College-Image loswerden.

Fast wie ein Versprechen klingt da die Vorhersage von Vater Paul: "Er wird erwachsen werden. Irgendwann wird er die gleichen Kämpfe mit seinem Sohn haben. Und sein Sohn wird denken, dass er alles besser weiß. Das ist ein Kreislauf, stimmt's? Ich denke, das ist die schwierigste Beziehung der Welt, die zwischen Vater und Sohn." Und geht Manziels Entwicklung weiter wie zuletzt, dürfte sein Vater bald auch gerne mit ihm golfen gehen.

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