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Welche Fähigkeit würdet ihr euch gerne vom jeweils anderen für die Olympischen Spiele ausleihen?
Dennis Schröder: Bei Satou beeindruckt mich als erstes ihre Mentalität, sie ist ein echter Warrior. Aber auch ihre Fähigkeit, zu scoren, ist krass. Sie ist schließlich eine der besten Spielerinnen in der WNBA. Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich gern unter dem Korb so finishen können wie sie.
Satou Sabally: Bei Dennis ist es einfach: Ich wäre sehr gerne so schnell wie er!
Satou, was fasziniert dich sonst noch an Dennis? Was zeichnet ihn für dich aus?
Sabally: Dass er sich immer treu geblieben ist und sein Ding gemacht hat. Es gab und gibt ja eine Menge Leute, die etwas über Dennis zu sagen haben. Das hat ihn aber nie gekümmert. Dass Dennis sich für andere Leute nie verändert hat, fand ich immer am coolsten.
Dennis, was fällt dir zu Satou ein?
Schröder: Dass sie nie vergessen hat, wo sie herkommt. Satou weiß um ihre Wurzeln in Gambia und setzt ihre Stimme auch oft in Deutschland ein. Sie geht nicht den normalen Weg, sondern setzt sich auch abseits des Courts für wichtige Dinge ein. Da ist sie ein bisschen wie LeBron James - mich inspiriert sie damit auf jeden Fall.
Dennis Schröder: "Ich habe schon einmal Olympia verpasst, ein zweites Mal sollte mir das nicht passieren"
Welche Beziehung habt ihr zu den Olympischen Spielen? Oder anders: Welche olympischen Momente fallen euch spontan ein?
Sabally: Meine erste Assoziation mit Olympia ist Usain Bolt. Für mich steht er dafür, sich mit den allerbesten Athleten und Athletinnen auf der ganzen Welt messen zu können. Diesen Traum habe ich, seit ich jung bin.
Schröder: Mein Olympia-Moment ist Dirk Nowitzki, wie er in Peking die deutsche Fahne ins Stadion trägt.
Es ist für euch beide die Olympia-Premiere: Auf was freut ihr euch am meisten?
Schröder: Beim weltweit größten sportlichen Wettkampf Deutschland repräsentieren zu können, ist schon crazy. Ich glaube, mehr geht nicht. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich versuchen, alles möglich zu machen, um auch 2021 in Tokio dabei gewesen zu sein (Schröder verpasste die Olympischen Spiele 2021 wegen zu hoher Versicherungsanforderungen seiner damaligen NBA-Mannschaft LA Lakers, die Red.). Weil das damals nicht ging, freue ich mich umso mehr auf Paris.
Sabally: Ich freue mich auf die Eröffnungsfeier, auf die Mädels an sich und darauf, gemeinsam mit dem Männer-Team Olympia zu erleben. Aber am meisten freue ich mich auf den Moment, wenn es losgeht und all das, wofür du so lange trainiert hast, Realität wird.
Dennis, du führst die Nationalmannschaft der Männer seit zehn Jahren an. Nach dem WM-Titel hast du kurz überlegt, zurückzutreten. Hast du ernsthaft in Erwägung gezogen, dir die Olympischen Spiele entgehen zulassen?
Schröder: Ein Freund von mir, also der Juwelier, bei dem ich in München öfter bin, hat mich auf die Idee gebracht. Er meinte: 'Wenn du als Weltmeister aufhörst, als MVP der WM und quasi auf deinem Höhepunkt, dann bleibt das in Erinnerung und niemand wird die Chance haben, dich danach zu kritisieren'. Er sagte: 'Du weißt ja nie, ob ihr als Team noch mal so gut sein werdet'. Ich habe mir das angehört und kurz darüber nachgedacht. Aber ich habe schon einmal Olympia verpasst, ein zweites Mal sollte mir das nicht passieren.
"Wenn du als eine der fünf besten Spielerinnen 200.000 Dollar verdienst, stimmt etwas nicht"
Dein Traum ist es, die Spiele als deutscher Fahnenträger zu eröffnen. Warum bedeutet dir das so viel?
Schröder: Am liebsten würde ich es ja zusammen mit Satou tun. Ich glaube, Deutschland ist jetzt dafür bereit, dass ein Dunkelhäutiger das Land als Fahnenträger repräsentiert. Vor ein paar Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Aber jetzt sind wir Weltmeister und Basketball hat sich in Deutschland so stark entwickelt, woran sehr viele Menschen einen Anteil hatten. Also mein Traum wäre es, mit dem kompletten Weltmeisterteam und Satou zusammen in Paris einlaufen zu dürfen.
Ihr seid beide als schwarze Athleten in Deutschland aufgewachsen. Was hat das mit euch gemacht, was Bio-Deutsche nicht erfahren?
Schröder: Es war auf jeden Fall eine Herausforderung, auch für meine Familie. Damals hatte ich vielleicht drei Dunkelhäutige in meinem Umfeld. Heute ist das anders, was es für alle Kulturen einfach macht - auch für meine Kinder. Aber für mich war es heavy - also die Vorurteile, die mir entgegengebracht wurden. Für mich gehört das aber zu meiner Geschichte dazu und ist sicher auch ein Grund, warum ich mental so stark sein kann. Ich musste mich immer durchsetzen und drei- oder viermal so viel leisten, um akzeptiert zuwerden. Das hat mich geprägt.
Sabally: Ich habe das ähnlich erlebt. Durch diese Erfahrungen entsteht unter schwarzen Sportlern eine besondere Verbindung, weil es uns allen so ergangen ist. Du musst da gar nicht groß darüber sprechen, weil es dieses Grundverständnis gibt - und eine besondere Form von Respekt.
Satou, dich hat der Umstand, dass du in der Wahrnehmung vieler Menschen einer doppelten Minderheit angehörst - also eine schwarze Frau, die professionell Basketball spielt - dazu motiviert, dich für Gleichberechtigung einzusetzen. Was ist dein größtes Anliegen?
Sabally: Die Gleichberechtigung von Afrikanern und Afrikanerinnen und allen Menschen, die einen ausländischen Hintergrund haben, sollte in Deutschland einen viel höheren Stellenwert haben. Dazu ist der Gender-Pay-Gap ein großes Thema, weil viele Frauen immer noch für fast umsonst arbeiten und Frauen grundsätzlich für dasselbe Gehalt viel mehr leisten müssen als Männer. Das ist einfach falsch. Ich würde gerne vermitteln, dass es keinen qualitativen Unterschied zwischen den Kulturen und den Geschlechtern gibt. Im sportlichen Kontext geht es mir darum, mich für junge Mädels stark zu machen, weil es im Mädchenbereich noch längst nicht die Fördermaßnahmen gibt, wie es bei den Jungs Standard ist. Egal wo man herkommt, in wen man verliebt ist oder welche sexuelle Orientierung man hat - es sollte für jede Facette eines Menschen dieselben Chancen geben.
Dennis, als eine der fünf besten Spielerinnen der letzten WNBA-Saison hat Satou ein Fünftel des NBA-Minimum-Vertrags verdient. Verrückt, oder?
Schröder: Ich habe noch nie verstanden, warum Frauen bei den Gehältern so stark benachteiligt werden. In Braunschweig gibt es jetzt die erste Präsidentin eines Fußball-Zweitligisten. Warum es das jetzt erst gibt, verstehe ich auch nicht. Wenn du als eine der fünf besten Spielerinnen 200.000 Dollar verdienst, stimmt etwas nicht. Das ist immer noch eine Menge Geld - aber im Vergleich zu den NBA-Gehältern natürlich ein Witz.
Sabally: "Für Deutschland zu spielen, heißt auch, etwas zurückzugeben"
Noch so ein Punkt, wo Mädchen es deutlich schwerer haben als Jungs: Vorbilder. Dennis ist mit Dirk aufgewachsen, wie war das bei dir, Satou? Wer war dein Role Model?
Sabally: Ich habe mich eher an Maya More orientiert (vierfache WNBA-Meisterin, Olympiasiegerin und Weltmeisterin, die sich für Reformen im amerikanischen Justizsystem einsetzt; die Red.). Aber ich kann mich auch noch daran erinnern, wie ich das erste Mal unsere deutsche Frauen-Nationalmannschaft mit Spielerinnen wie Ireti Amojo und Romy Bär gesehen habe. Es gab schon damals einige Spielerinnen, zu denen ich hochschauen konnte, aber es waren eben nicht die besten der Welt, weil sie nicht in der WNBA gespielt haben. Dirk war schon auch mein Vorbild, aber sein Weg war eben auch ganz anders als meiner. Ich wusste immer, dass ich meinen eigenen Weg gehen muss. Gleichzeitig wusste ich aber auch, was es braucht, um richtig gut zu werden. Dafür konnte ich mich an den Karrieren von Ireti orientieren, die ja auch in die USA gegangen ist, oder eben an Maya More und Candace Parker, die beide in der EuroLeague gespielt haben. Ich hatte also nicht das eine Vorbild, sondern habe versucht, mir von denen, die es geschafft haben, etwas abzuschauen, um selbst an den Punkt zu gelangen, mit den Besten mitspielen zu können.
Jetzt seid ihr die Vorbilder. Ist das auch ein Grund, warum ihr es so sehr genießt, für Deutschland zu spielen? Weil ihr eben als Nationalspieler die Wertschätzung erhaltet, die ihr so in Amerika nicht erfahrt?
Schröder: Zunächst einmal ist es verrückt, wenn du selbst als Idol wahrgenommen wirst. Wobei das ja nicht nur auf mich, sondern genauso auf Maodo Lo, Jo Voigtmann, Isaac Bonga und all die anderen zutrifft. Auf dieses Ziel habe ich schon sehr lange hingearbeitet und ich genieße es sehr, als der Dennis Schröder, der ich bin, respektiert zu werden. Mir ist aber auch klar, dass das sehr viel mit dem WM-Titel zu tun hat. Wenn du gewinnst, öffnen sich Türen, die sonst nie aufgegangen wären. Deshalb hoffe ich sehr, dass auch Satou mit der Nationalmannschaft erfolgreich ist. Das hätte eine große Bedeutung für dunkelhäutige Sportler und all die, die zwar hier geboren sind, ihre Wurzeln aber woanders haben.
Sabally: Für Deutschland zu spielen, heißt auch, etwas zurückzugeben. Seit ich 13 bin, habe ich alle Jugendnationalmannschaften durchlaufen und mein Weg kann andere Mädels, die zum Beispiel für das Bundesjugendlager nominiert sind, motivieren, auch daran zu glauben, in die WNBA zu kommen. Es ist eine riesige Ehre, für die Nationalmannschaft spielen zu dürfen, es ist aber auch eine große Belastung, weil die Wettkämpfe ja immer in unseren Pausen liegen. Wenn du dann aber wie zum Beispiel in Hamburg erlebst, wie unheimlich viele junge Mädels ein Autogramm haben wollen, dann bedeutet mir das viel. Es ist wichtig, sich zu zeigen und nahbar zu sein. Wenn du nur am Bildschirm zu sehen bist, hat das nicht denselben Effekt auf die jüngere Generation.
Das komplette Interview mit Satou Sabally und Dennis Schröder ist in der BIG-Olympia-Ausgabe erschienen. Hier geht es zum BIG-Onlineshop.