NBA

"Die Conference Finals sind völlig egal": Boston Celtics vor Einzug in die Finals

Von Robert Arndt
Al Horford absolvierte in Indiana sein 180. Playoff-Spiel
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Wenig Glanz, aber ohne große Probleme. Die Boston Celtics brauchen nur noch einen Sieg für die NBA Finals, dennoch herrscht weder Hype noch Euphorie rund um das Team. Das spricht einerseits für die Truppe, andererseits gegen sie. Dazu gibt es Faktoren, die einfach nicht in ihrer Macht liegen.

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Gab es schon einmal ein Team, welches so scharf kritisiert wurde, obwohl es nur noch einen Sieg von den NBA Finals entfernt steht und von 13 Spielen gerade einmal zwei verloren hat? Vermutlich nicht, aber die Celtics sind genau in dieser Situation, sie sind das Opfer ihrer eigenen Erwartungen und der Gegner, die ihnen bisher vor die Flinte geraten sind.

Mit 114:111 setzten sich die Celtics in Indiana durch, die bis dahin alle ihre sechs Heimspiele in der Postseason für sich entschieden hatten. Beeindruckend, oder? Natürlich nicht, denn bei den Celtics gibt es in dieser Postseason einfach immer ein Aber.

  • In der Regular Season wurden 66 Spiele gewonnen, aber die Eastern Conference war deutlich schwächer als der Westen.
  • In der ersten Runde wurden die Miami Heat, der Vorjahresfinalist, souverän mit 4-1 abgefertigt, aber es fehlte mit Jimmy Butler der Superstar der Heat.
  • In den Conference Semifinals setzten man sich eindeutig gegen Cleveland mit 4-1 durch, aber in der kompletten Serie fehlte Cleveland Starting Center Jarrett Allen sowie Topscorer Donovan Mitchell für die letzten beiden Spiele.
  • In den Conference Finals führen die Celtics mit 3-0, aber gleich zweimal siegten die Celtics mit jeder Menge Glück, dazu fehlte in Spiel 3 Indiana deren All-Star Tyrese Haliburton. Und nebenbei ist das ja nur ein 6-Seed.
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Boston Celtics: Championship or Bust

Immer wieder diese Abers für die Celtics, die auf ihrem Weg zu den elf Siegen jedes Auswärtsspiel gewannen und nur dreimal überhaupt in Clutch-Situationen gerieten (maximal fünf Punkte Differenz in den letzten fünf Minuten), die übrigens alle erfolgreich bestritten wurden. Die Celtics erledigen also ihre Aufgaben, sie sind wie das Pferd, das eben nur so hoch springt wie es muss (wenn man es positiv sehen will).

Es ist eine Entwicklung, die vor dieser Postseason zu befürchten war und darauf hindeutete, dass die Celtics sich im Osten eigentlich nur selber schlagen können bzw. absolut nichts zu gewinnen haben würden. Bei vielen Teams heißt es gerne, dass sie es in den Playoffs zeigen müssen, für Boston gilt: "Show me in the Finals".

Draymond Green muss es wissen, er hat mit Golden State vier Ringe eingesackt, sechsmal stand er in den Conference Finals, sechsmal setzten sich die Warriors durch. "Sie sind an dem Punkt, wo sie die Meisterschaft gewinnen müssen", sagte Green nach dem Seriensieg über Cleveland bei TNT: "Die Conference Finals sind völlig egal." Unrecht hat er nicht, für die Ambitionen der Celtics waren oder sind Miami, Cleveland oder Indiana nicht der Maßstab, auch wenn Al Horford nach Spiel 3 das so nicht gelten lassen wollte: "Das ist eine gute Mannschaft", beteuerte der bald 38-Jährige: "Sie sind gefährlich und nicht ohne Grund in den Conference Finals."

Hier gilt es zu differenzieren. Die Pacers sind tatsächlich ein gutes Team, sie haben eine gut funktionierende Offense sowie einen breiten Kader plus in Haliburton einen All-NBA-Spieler in ihren Reihen. Gleichzeitig profitierte Indiana als 6-Seed aber auch davon, dass die Milwaukee Bucks in Runde eins keinen Giannis Antetokounmpo und teilweise nur Damian Lillard auf einem Bein hatten und dass auch den New York Knicks in der folgenden Runde die Spieler ausgingen. Im Westen wäre es eng mit den Playoffs geworden bzw. wäre vermutlich in Runde eins Schluss gewesen.

Das ist die Story der Eastern Conference in dieser Saison, alle Teams, die Boston gefährlich werden können, waren von Verletzungen geplagt. Sei es Philly, die wegen Joel Embiids Meniskusriss bis ins Play-In abrutschten, die angesprochenen Bucks oder aber die Knicks. Ihnen allen wurde nachgesagt, dass sie Boston in einer Serie kitzeln können, keines dieser Teams sahen die Celtics, geschweige denn in Bestbesetzung.

Aber Moment: Fehlt Boston nicht in Kristaps Porzingis selbst seit einigen Wochen ein Schlüsselspieler mit einer Soleus-Zerrung? Ein guter Punkt, doch wenn die Celtics eben eines haben, dann eine so hohe Qualität in der Spitze, dass sie das auffangen können. Boston ist ein Ensemble Cast mit Jayson Tatum als Speerspitze, aber eben vor allem ein Team, welches die beste Top-6 der NBA stellt. Es ist kein Zufall, dass darüber gefachsimpelt wurde, welche Spieler Boston denn nun zum All-Star Game schicken würde, mit Tatum, Jaylen Brown, Porzingis und auch Derrick White gab es gleich vier gute Kandidaten, letztlich wurden nur die beiden "Jays" ausgewählt.

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Boston Celtics: Nicht nur die anderen haben Verletzungsprobleme

Dazu kommen frühere Stars wie Jrue Holiday (33) oder Horford (37), die in Spiel 3 auch die wichtigen Plays machten. Horford, mit der Erfahrung von 180 Playoff-Spielen, verwandelte sieben Dreier, darunter auch einen wichtigen in der Crunchtime, Holiday machte die letzten fünf Celtics-Punkte und klaute in unnachahmlicher Weise Andrew Nembhard den Ball, als Indy noch einmal die Führung hätte übernehmen können.

Davor war es lange Zeit wieder rumpelig, was Boston zeigte. Die Pacers scorten gegen die zweitbeste Defense der NBA nach Belieben am Korb (wer hätte helfen können? Ein schlaksiger Big Man aus Lettland!), sie führten ohne ihren Superstar mit +18 Mitte des dritten Viertels. Das sah wieder nach dem alten Boston aus, dass sich von einem weniger talentierten Team die Butter vom Brot nehmen ließ. Mal wieder. Auch das gehört zum Narrativ - die Celtics haben über Jahre eine "Identität" aufgebaut, dass sie in jeder Serie, in jedem Spiel unerklärliche Schwächeperioden durchleben.

Das kostete sie 2022 gegen die Golden State Warriors womöglich den Titel, es verhinderte im Vorjahr auf jeden Fall den neuerlichen Einzug in die NBA Finals, als man gegen 8-Seed 0-3 in Rückstand geriet, dann auf 3-3 stellte und schließlich daheim in Spiel 7 zerfiel, weil sich Tatum früh verletzte. Und genau hier setzt die Kritik immer wieder an. Boston war für den großen Wurf bisher nie konstant genug, es zieht sich wie ein roter Faden durch die Ära der "Jays", die nun zusammen 100 Playoff-Spiele absolviert und davon 60 gewonnen haben.

Der Sieg in Spiel 3 ist zumindest ein gutes Zeichen, da man sich über die eigene Defense (8 Blocks, 4 Steals in den letzten 18 Minuten) zurück kämpfte, Tatum mit 36 Punkten, 10 Rebounds sowie 8 Assists sein bestes Spiel dieser Playoffs zeigte und Boston nicht wie in Spiel 1 mit jeder Menge Glück gewann, sondern in der Crunchtime gute Entscheidungen traf, die zu vielen leichten Punkten führten. Auch das war in den vergangenen Jahren nicht immer so.

Nun braucht es nur noch einen Sieg, um nach 2022 wieder in den NBA Finals zu stehen, in 135 Fällen (von 135) setzte sich das Team auch durch, welches eine 3-0-Führung in der Vergangenheit hatte. Und dann, ja dann wird womöglich wirklich ein "echter Gegner" auf die Celtics warten, sollten sich bei Dallas oder Minnesota nicht noch Schlüsselspieler verletzen (wir klopfen fest auf Holz bzw. die Laptop-Tastatur).

Celtics vs. Pacers: Die Serie im Überblick

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
122. Mai (Mi)2 UhrBoston CelticsIndiana Pacers133:128 OT
224. Mai (Fr)2 UhrBoston CelticsIndiana Pacers126:110
326. Mai (So)2.30 UhrIndiana PacersBoston Celtics111:114
428. Mai (Di)2 UhrIndiana PacersBoston Celtics
5*30. Mai (Do)2 UhrBoston CelticsIndiana Pacers
6*1. Juni (Sa)2 UhrIndiana PacersBoston Celtics
7*3. Juni (Mo)2 UhrBoston CelticsIndiana Pacers

Boston Celtics: Meisterschaften haben keine Sternchen

Die Celtics werden auch dann Favorit sein, mit ziemlicher Sicherheit wird Porzingis sein Comeback geben, doch dort wird ein anderer Wind wehen, wenn man die bisherigen Playoffs im Westen verfolgt hat. Immerhin würde Boston dann auf seinen ersten Gegner treffen, der mindestens 50 Spiele in der Regular Season gewonnen hat.

Übrigens: Die Nuggets spielten im Vorjahr gegen kein Team mit 50 Siegen, setzten sich gegen Minnesota ohne Jaden McDaniels und Naz Reid durch, Phoenix musste fast die komplette Serie auf Chris Paul verzichten, LeBron James spielte für die Lakers mit einer Fußverletzung und in den Finals wurde ein 8-Seed geschlagen. Erinnert sich noch jemand? Vermutlich nicht und genau das ist der Punkt. Wenn Boston am Ende nach 16 Jahren wieder Champion wird, ist es völlig nebensächlich, wie das geschehen ist. Auf der Larry O'Brien Trophy sind schließlich keine Sternchen eingraviert und seine Gegner kann man sich auch nicht aussuchen.

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