Irgendwann im Jahr 2010 kam der Tiefpunkt im Leben des Antoine Walker. Gut zwei Jahre nach seinem letzten Auftritt in der NBA stand er da mit nichts. Fast nichts. Ein Haus war noch übrig, welches er etwa 14 Jahre zuvor für seine Mutter bauen ließ. "Verkauf das Haus", sagte Walkers Mutter nun zu ihm. Und er brach in Tränen aus.
"Ich habe meiner Mutter das Haus von Grund auf aufgebaut. Ich habe 4,1 Millionen Dollar dafür ausgegeben, ein knapp 1400 Quadratmeter großes Grundstück, ein Indoor Pool. Alles, was du dir vorstellen kannst, war in diesem Haus", berichtete Walker Jahre später im Podcast "I Am Athlete". 1996 hatte er es errichten lassen, kurz nachdem die ersten Gehaltsschecks aus der NBA eintrafen, um seiner Mutter etwas Gutes zu tun.
"Nun musste ich eine Entscheidung treffen und ich fragte meine Mutter, was ich tun sollte. Ich konnte es nicht glauben, als sie sagte, ich solle es verkaufen. Ich bin zusammengebrochen", erinnerte sich der heute 46-Jährige. "Du willst einfach nicht, dass deine Mutter nochmal arbeiten muss, dass sie sowas erlebt." Doch letztlich blieb ihm keine Wahl. Walker musste das Haus verkaufen. Er war pleite.
Zwölf Jahre spielte Walker in der NBA, er war All-Star, Champion, strich insgesamt knapp 108 Millionen Dollar allein an Gehältern ein. Übrig blieben Schulden in Höhe von 12,7 Mio. Dollar und der Bankrott. Wie konnte es nur so weit kommen?
Antoine Walker: Neue Hoffnung für die deprimierten Celtics
Eigentlich sollte Antoine Devon Walker mit seinem Basketball-Talent seine Familie aus einem ärmlichen Vorort von Chicago befreien. Dafür arbeitete seine alleinerziehende Mutter in dessen Kindheit Überstunden, um die High School für das älteste der sechs Kinder zu finanzieren. Es schien sich zu lohnen, Walker wurde an der Seite des späteren NFL-Quarterbacks Donovan McNabb schnell zum Star.
Sein Aufstieg setzte sich am College nahtlos fort, in seinem zweiten Jahr in Kentucky führte er die Wildcats unter Coach Rick Pitino zur NCAA-Championship. Die Vita reichte, um in einer legendären Draft-Klasse von 1996 um Allen Iverson, Kobe Bryant, Steve Nash oder Ray Allen an Position sechs von den Boston Celtics ausgewählt zu werden.
Die Traditionsfranchise befand sich zu diesem Zeitpunkt am Tiefpunkt ihrer Geschichte. Die glorreichen Zeiten gehörten seit dem Karriereende von Larry Bird 1992 der Vergangenheit an, in Walkers erster Saison gewann Boston gar nur 15 Spiele bei 67 Niederlagen - die schlechteste Bilanz der Celtics-Historie.
Doch der damals 20 Jahre alte Power Forward ließ neue Hoffnung aufkeimen. Walker führte die Kelten bereits als bester Scorer (17,5 Punkte) sowie Rebounder (9,0) an, avancierte zu einem der jüngsten Spieler der Geschichte mit einem Triple-Double und schaffte es ins All-Rookie First Team. Für Boston - und Antoine Walker - schien es von nun nur noch in eine Richtung zu gehen: nach oben.
Antoine Walker: Das große Aber im Spiel des Big Man
Tatsächlich setzte sich der Aufstieg Walkers rasant fort. All-Star, 49-Punkte-Spiel (Career-High), gar ein paar MVP-Stimmen - so liest sich die Kurzzusammenfassung seiner zweiten NBA-Spielzeit, die ihn sogar aufs Cover von NBA Live 99 brachte. Viel wichtiger: Im Draft 1998 erfüllte sich in Person von Paul Pierce die Hoffnung auf einen Co-Star.
Es dauerte zwar noch vier Jahre, bis das Duo Pierce/Walker Boston zurück ins gelobte Land der Playoffs führte, dann aber so richtig. Auf dem Weg zu einer 49-33-Bilanz und Platz zwei im Osten landete Walker teamintern auf Platz zwei beim Scoring (22,1), Platz eins beim Rebounding (8,8) und Platz zwei bei den Assists (5,0). Boston stürmte 2002 bis in die Conference Finals, wo jedoch nach sechs Spielen gegen die New Jersey Nets Schluss war.
Einerseits feierten die Fans ihn für seinen legendären Shimmy, den er recht häufig auspackte. Andererseits waren schon damals nicht alle in Boston vollends glücklich mit dem Big Man. Trotz des Teamerfolgs deutete sich bereits an, warum Walker in den Folgejahren viel Kritik einstecken würde. Walkers Dribbling- und Passing-Skills machten ihn bei seiner Größe von 2,03 Meter und über 100 Kilogramm in der Theorie zu einem perfekten Point Forward. Doch er war vor allem bekannt - und wird auch heute noch belächelt - für schlechte Entscheidungen auf dem Court und sein Shooting.
Genauer gesagt für sein Volumen. Walker drückte häufig und gerne ab, auch aus der Distanz, doch das mit dem Treffen war eine andere Sache. In der angesprochenen Saison 2001/02 versenkte er gerade einmal 39,4 Prozent aus dem Feld bei 20,9 Abschlüssen pro Partie sowie 34,4 Prozent von Downtown bei 8 Dreierversuchen. Inkonstanz lautete das große Problem - mal ganz abgesehen davon, dass Walker kaum Defense spielte.
NBA: Die Karrierestatistiken von Antoine Walker
Team | Saisons | G / MIN | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% |
Celtics | 7,5 | 552 / 39,2 | 20,6 | 8,7 | 4,1 | 41,3 | 33,3 |
Mavs | 1 | 82 / 34,6 | 14,0 | 8,3 | 4,5 | 42,8 | 26,9 |
Hawks | 0,5 | 53 / 40,2 | 20,4 | 9,4 | 3,7 | 41,5 | 31,7 |
Heat | 2 | 160 / 25,1 | 10,4 | 4,8 | 1,9 | 41,9 | 32,1 |
Wolves | 1 | 46 / 19,4 | 8,0 | 3,7 | 1,0 | 36,3 | 32,4 |
Gesamt | 12 | 893 / 35,3 | 17,5 | 7,7 | 3,5 | 41,4 | 32,5 |
Antoine Walker: So viele Dreier? "Weil es keine Vierer gibt"
In den drei Saisons zwischen 2000 und 2003 schickte Walker jeweils die meisten Dreier aller NBA-Spieler auf die Reise. Auch heute noch rangiert er auf Platz 34 bei den meisten Dreierversuchen All-Time. Das große Aber: Unter den 230 Spielern, die in ihrer Karriere mindesten 2000-mal von Downtown abgedrückt haben, belegt Walker Platz 218 bei der Effizienz mit einer Karrieredreierquote von 32,5 Prozent.
Legendär ist auch heute noch seine Replik auf die Frage, warum er denn so viele Dreier nehme: "Weil es keine Vierer gibt." In gewisser Weise war "Toine" seiner Zeit voraus, in der modernen NBA sind Big Man mit einem Dreier im Repertoire gerne gesehen. Nur seine Quoten hätten heute wohl genauso viel Kopfzerbrechen bereitet, wie sie es damals taten.
Letztlich blieb der High-Volume-Low-Efficiency-Scorer nur noch ein weiteres Jahr bei den Celtics. Zehn Tage vor dem Start der Spielzeit 03/04 schickte der neue Boss Danny Ainge den Big Man, den er zuvor schon als TV-Experte gerne kritisiert hatte, zu den Dallas Mavericks. Dafür nannte Walker "Trader Danny" eine "Schlange", der Trade sei etwas "Persönliches" gewesen.
"Danny wollte mich loswerden", wetterte Walker im Boston Globe. "Er dachte wohl, dass ich in Dallas nicht gut klarkommen würde. Ich persönlich glaube, dass er meiner Karriere schaden wollte. Auch wenn man sich das Paket anschaut ... das muss wohl die größte Diskrepanz an Talent sein, die es je gab."
Die Mavs galten als großer Gewinner des Trades, der neben Walker auch Tony Delk im Tausch für Raef LaFrentz, Jiri Welsch, Chris Mills und einen Erstrundenpick (Delonte West) nach Texas brachte. Ein All-Star-Kaliber musste Dallas für den All-Star Walker nicht hergeben. Doch im Anschluss bekam dessen Karriere tatsächlich einen Knick. Auch abseits des Parketts.