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NBA-Legendenserie - Gregg Popovich: Der Spion, der mich coachte

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Er nahm Agententraining bei der Air Force, bekam fast einen streng geheimen Regierungsjob in Moskau, verlor bei seinem Debüt als Head Coach in der dritten College-Liga 22 von 24 Spielen. Und doch wurde aus Gregg Popovich der Coach mit den meisten Siegen der NBA-Geschichte. Am Wochenende wird der 73-Jährige nun in die Hall of Fame aufgenommen.

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Dieser Artikel erschien erstmals am 21. März 2022. Alle weiteren Geschichten zu den größten Persönlichkeiten der NBA-Geschichte gibt es in unserem Legenden-Archiv.

Twitter, so hieß das irgendwann mal, und Gregg Popovich sind keine Freunde. Sie waren es nie und werden es wohl auch nie sein. Selbst im Jahr 2022 hielt sich der 73-Jährige die gleiche Abneigung gegenüber dem Kurznachrichtendienst, auch vor dem Einstieg von Elon Musk, bei wie vor 13 Jahren. Damals, im Dezember 2009, brachte Twitter ihn einmal mehr auf die Palme. Wobei, eigentlich war es mehr Steve Nash.

"Steve ist auf Twitter? Ich habe all meinen Respekt für ihn verloren", platzte es damals in seiner typisch sarkastischen Art aus ihm heraus. "Steve Nash sollte kein Tweeter sein. Er ist ein Wettkämpfer, kein Tweeter. Wenn du auf Twitter bist, dann redest du zu viel. Wenn du Dinge für dich behalten willst, kannst du nicht tweeten." Und was ist mit den "Tweetern" in seiner eigenen Mannschaft? "Ich hasse sie alle!"

Popovichs Tirade hatte ihren Ursprung in einem kurz zuvor von Nash verfassten Dreizeiler, der ganze drei Likes generierte: "Wusste hier jemand, dass Coach Poppovich ein amerikanischer Spion in Russland war, bevor er mit dem Coaching begann? Kein Wunder, dass seine Teams schwer zu schlagen sind."

Der Rechtschreibfehler im Namen von Coach Pop war es nicht einmal, der den Trainingsleiter der San Antonio Spurs nervte. Vielleicht eher die Tatsache, dass der in der Öffentlichkeit ansonsten sein Privatleben betreffend schweigsame Coach nun von den Medien zu einer Anekdote aus seiner eigenen Vergangenheit ausgefragt wurde.

Gregg Popovich schüttelt beim Besuch der Spurs im Weißen Haus 2015 die Hand von US-Präsident Barack Obama.
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Ein Quantum Pop: "Der interessanteste Mann der NBA"

Rein sportlich gesehen sind die Geschichtsbücher der NBA voll mit den Errungenschaften von Gregg Charles Popovich, darüber hinaus hält er sich aber meistens bedeckt, wenn es um seine eigene Person geht. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen begleitet der Mythos Pop seit Jahrzehnten die Basketballwelt.

Schon 2013 titelte Bleacher Report in einer Ode an den Spurs-Coach: "Der interessanteste Mann der NBA". Hinter der Überschrift versteckten sich allseits gut bekannte Anekdoten, wie er sich selbst als Head Coach in San Antonio installierte beispielsweise. Wie er zum Schrecken aller Sideline-Reporter mutierte. Wie er den von Hack-a-Shaq genervten O'Neal foppte. Wie er gnadenlos "DNP-Olds" an seine Spieler verteilte. Oder wie er zum Weinkenner Nummer eins der Association wurde.

Und dieser Gregg Popovich soll also auch ein Spion in Russland gewesen sein? "Es ist absolut korrekt", scherzte er angesprochen auf den Tweet. "Ich habe meine Zeit beim Militär auf russischen Basketball-Plätzen in verschiedenen Städten verbracht und dabei so viele Out-of-Bounds-Plays gesammelt wie nur irgendwie möglich."

Ja, ein Scherz. Aber irgendwie auch nicht. Zum Spion reichte es für Pop nicht ganz. Nach allem, was er über seine Vergangenheit verraten hat, war er aber verdammt nah dran.

Gregg Popovich: Im Geheimdienst seines Präsidenten

Pops Geschichte startete nördlich von Colorado Springs, weit entfernt von seiner eigentlichen Heimat. Sein basketballerisches Talent reichte nicht aus, um die Elite-Colleges von sich zu überzeugen, also schrieb er sich an der in Colorado beheimateten Air Force Academy ein.

Der in East Chicago, Indiana, geborene Sohn einer kroatischen Mutter und eines serbischen Vaters arbeitete sich zum Teamkapitän und Topscorer des dortigen Basketball-Teams hoch. Nebenbei machte er seinen Abschluss in "Soviet Studies", anschließend dachte er über eine Karriere bei der CIA nach.

Nach seinem Abschluss 1970 stellte er sich aber erstmal weitere fünf Jahre in den aktiven Dienst der Air Force. Unter anderem mit dabei: mehrere Agententrainings, eine Bewerbung für einen laut Sports Illustrated "streng geheimen Regierungsjob in Moskau", den er allerdings aufgrund der verspäteten Abgabe des Papierkrams nicht bekommen sollte, sowie verschiedene Jobs beim Militär.

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Gregg Popovich: Keine Zeit zu protzen

Nach Recherchen der San Antonio Express-News arbeitete der junge Popovich unter anderem für ein Team der Air Force, das Spionagesatelliten überwachte. Später war er als Nachrichtenoffizier in der Türkei, in der Nähe der Grenzen zu Syrien und Iran, stationiert, dabei ging es angeblich um die Überwachung sowjetischer Raketentests. Im Laufe seiner militärischen Karriere erhielt er mehrere Air-Force-Auszeichnungen.

"Die Leute stellen sich vor, dass ich Waffen getragen hätte und eine Art Spion war", wiegelte Popovich im Jahr 2013 gegenüber SI ab. "Ich war an der Grenze stationiert, aber es war nicht so, dass ich James Bond gewesen wäre."

Auf ehemalige Mitspieler aus dem Basketball-Team der Air Force machte der junge Popo, wie er damals genannt wurde, anfangs aber noch einen anderen Eindruck. "Als er in der Spionageschule war, fuhr er eine Corvette und trug einen 300 Dollar teuren Anzug bei seinem ersten Auftrag", erzählte sein ehemaliger Teamkollege Joe Kreimborg bei der Dallas Morning News einmal.

"Er kam ins Büro und das erste, was sie ihm sagten, war, er solle ins Einkaufszentrum gehen und einen anderen Anzug kaufen." Und am besten auf einen Chevrolet umsteigen.

Gregg Popovich: Basketballgrüße aus Moskau

Mit dem Leben als James Bond wurde es nichts, doch neben der militärischen Karriere begleitete Popovich auch weiterhin seine Leidenschaft aus Jugendtagen: Basketball. Als Teil der Mannschaft der U.S. Armed Forces tourte er Anfang der 1970er durch mehrere Länder in Osteuropa und die Sowjetunion, um an Basketball-Turnieren teilzunehmen.

An Spionage war dabei kaum zu denken, hinter dem Eisernen Vorhang wurde er auf Schritt und Tritt verfolgt, Kameras sofort einkassiert, wie er sich später erinnerte. Dafür nahm Popovich andere Erkenntnisse mit.

"Die Möglichkeit, mit Basketball zu reisen, hat mich besser verstehen lassen, wie viel Basketball auf der ganzen Welt gespielt wird. Und wie viele gute Spieler es gibt", sagte Popovich später in der New York Times. Auch deshalb sollte er mit San Antonio neue Maßstäbe beim internationalen Scouting setzen. Bis seine zweite Karriere so richtig Fahrt aufnahm, dauerte es aber noch eine Weile.

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Gregg Popovich: Vom Fast-Spion zur NBA-Legende

Zunächst endete seine Laufbahn als Aktiver. Popovich wurde zwar in die Vorbereitung von Team USA auf die Olympischen Spiele 1972 eingeladen, schaffte es aber nicht in den Kader. Nach seiner Rückkehr in die USA spielte der Guard für die Denver Nuggets in der ABA vor, Coach Larry Brown schmiss ihn allerdings aus dem Team.

Also hing Popovich die Sneaker an den Nagel und orientierte sich stattdessen Richtung Seitenlinie um. Zunächst kehrte er als Assistant Coach an die Air Force Academy zurück, nach sechs Jahren zog er weiter. Die Pomona-Pitzer Sagehens suchten einen neuen Head Coach. Zwei Colleges mit insgesamt etwa 1.400 Studenten, die ihr Athletikprogramm zusammengelegt hatten. College Basketball Division III, quasi die dritte Liga.

Popovich, seine Frau Erin, die 2018 nach langer Krankheit verstarb, und seine zwei Kinder zogen auf das Uni-Gelände in Claremont, östlich von Los Angeles. Er arbeitete zusätzlich als Lehrbeauftragter, engagierte sich in verschiedenen Uni-Komitees und genoss das Leben auf dem Campus in vollen Zügen: "Ich war begeistert von der Brillanz auf diesem Campus."

Gregg Popovich: Der Spion, der mich coachte

Zumindest in akademischer Hinsicht. Brillanz auf dem Basketball-Court vermisste Coach Pop aber komplett. In seiner ersten Saison 1979/80 verlor das Team 22 der 24 Spiele, selbst gegen Caltech, das zuvor 99 (neunundneunzig!) Partien in Folge verloren hatte, gingen Popovich und seine Jungs als Verlierer vom Parkett.

Caltech sollte zwischen 1971 und 2011 ganze zwei Conference-Spiele gewinnen, eins davon gegen Popovich. Beim zweiten Sieg im Februar 2011 schickte er eine Flasche Wein an den dortigen Coach mit einer Karte: "Glückwunsch an Sie und die Spieler dafür, dass sie echten Sportsgeist zeigen. Ich bin begeistert und als ehemaliger Verlierer gegen Caltech wünsche ich Euch viele weitere Siege."

Schon damals ist Popovich ein etwas "anderer" Coach. In einer Partie lässt er einen seiner Spieler und dessen Verteidiger an der Mittellinie stehen, damit der Rest des Teams Vier gegen Vier spielen kann und mehr Platz hat, wie Grantland Jahre später berichtete. Aufgrund der Freiwurfschwäche mussten seine Spieler einmal im Training für jeden vergebenen Freebie ein Kleidungsstück ausziehen. Es half alles nichts.

In der Folge stürzte sich Popovich ins Recruiting, baute nach und nach ein respektables Team auf, bis er 1986 die Sagehens zur Conference Championship führte - ihr erster Titel seit 68 Jahren! Im Anschluss legte Popovich ein Sabbatjahr ein und absolvierte ein Praktikum bei einem alten Bekannten: Coach Brown, der mittlerweile die Kansas University trainierte.

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Gregg Popovich: Ein Ring ist nicht genug

Eine Saison lang lernte er vom späteren Hall of Famer, dank ihm bekam Popovich Ende der 1980er Jahre seinen Fuß in die Spurs-Tür. Brown wurde Chef an der Seitenlinie in Texas, Popovich sein Assistant. Nach vier Jahren war das Kapitel allerdings beendet, als Teambesitzer Red McCombs den kompletten Staff rauschmiss.

Keine zwei Jahre später, 1994, hatte in Person von Peter Holt ein neuer Owner die Zügel in der Hand, der Popovich zurückholte, allerdings als General Manager. GM Pop leitete das Front Office für zwei Jahre, trennte sich nach einem 3-15-Start in die Saison 1996/97 von seinem Head Coach Bob Hill und nahm trotz Kritik aus dem Fanlager selbst das Heft in die Hand.

Zunächst lief es ähnlich wie bei seinem Head-Coaching-Start bei Pomona-Pitzer: nämlich mäßig. Kurz nachdem Popovich übernommen hatte, erlitt der Admiral David Robinson einen Fußbruch - Saisonaus.

Das Resultat: 62 von 82 Partien gingen in Pops Premierensaison verloren. Als Trostpflaster gab es den Nr.1-Pick im Draft 1997, San Antonio schnappte sich einen gewissen Tim Duncan. Der Rest ist Geschichte: Twin Towers, Championships, eine ganze Dynastie.

NBA - Gregg Popovich: Leben und spielen lassen

Mit Duncan, Manu Ginobili und Tony Parker prägten die Spurs eine Ära, die beiden Letztgenannten stammten aus jenem internationalen Scouting, das Popovich und R.C. Buford, General Manager seit 2002, etabliert hatten. Buford war einst gemeinsam mit Pop ein Assistant Coach von Larry Brown und später als Head Scout aktiv.

Mittlerweile ist Popovich der am längsten amtierende Head Coach in allen vier großen US-Sportligen, er gewann dreimal den Award als Coach of the Year, in seinen ersten 22 Spielzeiten führte er die Texaner zu einer positiven Bilanz. Die hält er auch gegen jedes einzelne NBA-Team. Er hat fünf Championship-Ringe und eine Olympische Goldmedaille im Trophäenschrank. Seit März 2022 ist er der Head Coach mit den meisten Siegen in der NBA-Historie, 1.364 Erfolge in der regulären Saison sind es mittlerweile, hinzu kommen 170 Playoff-Siege.

Dabei ist sich Popovich bewusst, dass es auf der Welt mehr gibt als Basketball und vermittelt dies auch seinen Schützlingen. Er geht auf die Vorschläge und Wünsche seiner Spieler ein, nimmt sie aber auch hart ran, ohne zwischen Superstar oder Rollenspieler zu unterscheiden. Seine manchmal sicherlich übertrieben temperamentvolle Seite schiebt er selbst gerne auf den "Serben in mir".

Feinde hat ihm das in seinen fast 26 Jahren als Spurs-Coach keine eingebracht, im Gegenteil. "Pop hat sich immer um mich gekümmert, ob ich es gemerkt habe oder nicht", sagte Duncan einmal gegenüber SI. "Pop war ein Mentor für mich, eine Vaterfigur. Ich weiß, das ist unglaublich selten. Und ich weiß, dass ich glücklich sein kann, dass es so ist."

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Gregg Popovich: Trump-Kritiker, Pinguin-Freund, Fast-Spion

Popovich selbst stellt sein Licht gerne mal unter den Scheffel, wie zuletzt im November 2021, als er auf sein Erfolgsgeheimnis angesprochen wurde: "Tim Duncan draften. Und dann am Leben bleiben." Im selben SI-Artikel wird Popovich von Wegbegleitern als klug, lustig, mitfühlend und "sogar herzlich" beschrieben.

So wundert es nicht, dass sich Popovich über Jahre dagegen sträubte, noch während seiner aktiven Coaching-Karriere in die Hall of Fame aufgenommen zu werden. Seit 2020 ist es nämlich möglich, als Aktiver geehrt zu werden. Die Voraussetzungen sind 25 Jahre Coaching-Erfahrung sowie ein Mindestalter von 60. Für sind dies keine Hürden und ans Aufhören denkt er ohnehin noch nicht. Um fünf Jahre verlängerte die lebende Legende im Sommer, durchaus erstaunlich aus zwei Gründen.

Es gab dieses Mal eine Pressemitteilung dazu und die Jahre wurden ebenfalls noch genannt. Ob der 73-Jährige diesen Deal aber erfüllt, bleibt abzuwarten. Es muss ja auch nicht als Coach sein, schließlich ist Pop ebenfalls Präsident des Teams - immer in enger Zusammenarbeit mit Buford.

"Wir sind sehr diszipliniert in dem, was wir tun", beschrieb Coach Pop 2013 in SI seine Arbeit. "Aber das reicht nicht. Es geht nur um die Beziehungen mit deinen Mitmenschen. Du musst den Spielern klarmachen, dass du sie gern hast. Sie müssen sich gegenseitig gern haben und an dem jeweils anderen interessiert sein. Dann beginnen sie eine Verantwortung füreinander zu spüren. Und dann wollen sie alles füreinander geben."

Popovich macht viel mehr als nur die sportliche Komponente aus. Er ist auch der Coach Pop, der sich mit dem ehemaligen Commissioner David Stern anlegte, weil er seine Spieler in der regulären Saison schonte, egal ob die Partie im nationalen Fernsehen übertragen wurde oder nicht. Der in einem Team-Meeting Dokus über Pinguine zeigt, um der Mannschaft eine Lektion über Teamarbeit zu erteilen.

Er ist nicht nur Weinkenner, in den vergangenen Jahren war er auch oberster Trump-Kritiker der Association. Er ist nicht nur ein stoischer, manchmal grantiger Interview-Partner, er ist auch ein Unterstützer der Bewegungen für mehr soziale Gerechtigkeit oder der Gleichstellung der Geschlechter. Er ist ein Fast-Spion, ein Sideline-Schreck, ein Twitter-Hasser. Eben der interessanteste Mann der NBA - und einer der besten Coaches in der Geschichte der Liga.

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