Wo auch immer LaMelo Ball als Kind unterwegs war, sein Basketball durfte nie fehlen. Bei Freunden, in der Schule, beim Einkaufen - sein treuer Begleiter war stets dabei. Er umdribbelte Straßenlaternen, ließ Mülleimer mit seinen Fakes alt aussehen und narrte Hydranten mit seinen Crossovern. Dabei hatte er immer ein strahlendes, ansteckendes Grinsen auf dem Gesicht.
In den kommenden Jahren wurde dieses Lächeln immer mehr Leuten ein Begriff. LaVar Ball verwandelte die Familie in eine Seifenoper, LaMelo musste Autogramme am Fließband schreiben, bevor er überhaupt einen Führerschein hatte. Er dominierte in der High School, spielte professionellen Basketball in Litauen und Australien, seine Anzahl an Kritikern wuchs jedoch so stetig wie seine Instagram-Follower.
Er versenkte Würfe mit Ankündigung von der Mittellinie, widersetzte sich seinem Trainer in Litauen ("Wenn er sauer ist, dann ist es so. Scheiß drauf"), zettelte eine Massenschlägerei an und wurde von den Medien gerne als verzogener Emporkömmling dargestellt. Abgehoben, arrogant oder selbstverliebt waren nur einige der Charakteristika, die dem Teenager angedichtet wurden.
Wo auch immer Ball war, war der Zirkus nicht weit entfernt. Dank seines mitteilungsbedürftigen Vaters war er der schillerndste Spieler im Draft 2020, viele Teams fürchteten jedoch, sich die Finger zu verbrennen. Fehlende Defensive, schlechte Athletik, komische Wurfbewegung - viele Experten hätten ihn am liebsten schon vor dem Draft zum nächsten Bust erklärt.
Die Hornets ließen sich davon aber nicht beirren. Nach Jahren der Bedeutungslosigkeit war für das Team von Michael Jordan ein neuer Zirkus in der Stadt genau das richtige. Und was für einen Zirkus sie da bekommen haben.
LaMelo Ball: Erinnerungen an Magic Johnson
Schon nach wenigen Spielen war der gesamten Liga klar, dass dieser damals 19-jährige Junge irgendwie anders war. Seine Leichtigkeit, mit der er als Kind Straßenlaternen verschnascht hatte, nahm er einfach mit in die beste Basketballliga der Welt. Er spielte Pässe in Passwege, die es eigentlich gar nicht gab. Er fand freie Mitspieler, bevor diese wussten, dass sie überhaupt frei waren. Er spielte Trick- und Behind-the-Back-Pässe als hätte er Augen im Hinterkopf. Und das mit einer augenscheinlichen Leichtigkeit, die einem jungen Magic Johnson glich.
"Er ist furchtlos und hat dieses elitäre Gefühl für das Spiel. Er hat es einfach. Das kann ich ihm auch nicht beibringen", schwärmte sein Coach James Borrego. Ball selbst glaubt gar an eine höhere Bestimmung. "Wie kann ich wissen, wie ich solche Sachen mache, von denen ich noch nie gehört habe und die ich noch nie gesehen haben?", fragte er im Gespräch mit The Ringer. Sein Fazit: "Ich muss einfach gesegnet sein."
Und mit dieser Gabe macht Ball auch seine Mitspieler besser. Mit seiner Körpergröße von 2,01 Metern gehört er zu den größten Point Guards der Liga, was für sein Spiel elementar ist. Sobald er sich einen seiner 7,7 Rebounds pro Spiel schnappt, geht sein Kopf automatisch nach oben und während er den Ball schnell und bedingungslos nach vorne trägt, findet sein Blick über die Köpfe des Gegners hinweg in einem Sekundenbruchteil die beste Anspielstation. Je ausgefallener der folgende Pass dann ist, desto mehr scheint sich Ball daran zu erfreuen. Werden da Erinnerungen wach?
Falls nicht, wagen wir mal einen Blick auf die nackten Zahlen. Nach einer beeindruckenden Rookie-Saison mit der verdienten Auszeichnung als bester NBA-Neuling hat der erst 20-Jährige im Sommer noch mal einen gewaltigen Sprung gemacht. Über die ersten 20 Spiele legte Ball 398 Punkte, 156 Rebounds, 150 Assists, 39 Steals und 8 Blocks auf. Der einzige andere Spieler, dem diese Zahlen über die ersten 20 Saisonspiele gelangen? Magic Johnson - in seinem zweiten Jahr in der Association.
LaMelo Ball macht die Charlotte Hornets besser
Ball ist eine Allround-Waffe, die jede Nacht ein Triple-Double auflegen kann. An manchen Abenden macht er von allem ein bisschen, an anderen von einer Sache ganz viel - je nachdem, was sein Team von ihm braucht. Seine Karrierebestwerte liegen bei 36 Punkten - aufgestellt in einem irren Duell mit den Bucks, in dem erst Giannis Antetokounmpo in den Schlusssekunden zum Spielverderber wurde -, 17 Rebounds und 14 Assists. Außer vielleicht Russell Westbrook ist kein anderer Guard in der Lage, solche Zahlen aufzulegen.
Dank seines Tempos in der Transition und seines guten Auges haben die Hornets die zweithöchste Pace des Liga und erzielen die meisten Punkte (114,9 im Schnitt). Dabei ist Ball alleine durch seine Präsenz auf dem Feld ein ganz wichtiger Faktor. Er kann Dreier von überall treffen, hat einen gefährlichen Zug zum Korb und ist immer für ein Lob-Anspiel auf den anfliegenden Miles Bridges gut. Dadurch bindet er oft mehr als einen Gegenspieler, was dem technisch versierten Kader der Hornets zugute kommt.
Von den festen Rotationspielern - Kelly Oubre Jr. nur eingeschränkt - hat jeder das Auge für den besser positionierten Mitspieler und versteht es auch, einen klugen Pass im richtigen Moment zu spielen. Folglich spielt Charlotte als Team die drittmeisten Assists der Liga (26,5) und passt dabei auch noch richtig gut auf den Wilson auf (Platz 6 in der Liga bei den Turnover).
Allerdings sind die Hornets offensiv extrem abhängig von ihrem Superstar in the making. Mit Ball auf dem Feld haben sie ein überragendes Offensive-Rating von 113,7, ohne ihn fällt dieses auf 102,2, wobei die Defense dabei ziemlich gleich (schlecht) bleibt.
LaMelo Balls Statistiken 2021/22
Spiele | Punkte | Rebounds | Assists | Steals | Turnover | Feldwurfquote | Dreierquote |
24 | 20,0 | 7,7 | 8,3 | 1,9 | 3,3 | 41,8 | 39,1 |