Als die Nuggets zur Trade Deadline Aaron Gordon von den Orlando Magic holten, galt die Verpflichtung als Coup - das vermeintlich letzte Puzzlestück, der Spieler, der aus einem Semi-Contender einen echten Contender machte. Die Logik dahinter war simpel: Die Nuggets brauchten einen großen Flügelspieler, der den Wings des Westens, den LeBron James' und Kawhi Leonards dieser Welt das Leben schwer machen würde.
Gordon sollte der ultimative Luxus für spätere Playoff-Runden werden, ein guter Verteidiger, ein Spieler, der den Ball bewegen kann und dem Team noch etwas Athletik gibt. Bewiesen hatte sich Gordon auf der großen Bühne zwar noch nicht, als früherer vierter Pick versauerte der Forward in Orlando und war der breiten Masse lediglich für seine Dunk-Künste sowie seine Performance als Casper Jones in Uncle Drew bekannt.
Wie gut Gordon jedoch tatsächlich sein kann, zeigte er nun in Spiel 2 gegen Portland, einem Must-Win-Spiel für die Nuggets. Denver führte zwar nach 24 Minuten gegen die Blazers mit 12 Punkten, doch wohl fühlten sich deswegen nur die wenigsten in der Ball Arena. Damian Lillard hatte schließlich beschlossen, dass die berühmt-berüchtigte Dame Time diesmal schon etwas früher eingeläutet werden sollte.
Nuggets-Guards können Lillard nicht stoppen
Das drückte sich bis zur Halbzeitpause so aus: 32 Punkte bei 15 Würfen, sechs verwandelte Dreier am Stück im zweiten Viertel (NBA-Rekord), insgesamt acht getroffene Triples (Einstellung NBA-Rekord) bei elf Versuchen in knapp 22 Minuten Spielzeit, darunter ein Wurf fast von der Mittellinie, als wäre es das Normalste auf dieser Welt.
Was noch vor zwei Tagen in der ersten Halbzeit für die Nuggets funktioniert hatte, war Makulatur. Facundo Campazzo, gegen den Ball eine Pest, aber eben auch nur an guten Tagen 1,80 Meter groß, hatte die folgenden vier Viertel nicht den Hauch einer Chance gegen Lillard, gleiches galt für seinen Backcourt-Partner Austin Rivers.
Plan A und B waren für Coach Michael Malone gescheitert - und das in einem Spiel, welches nach der Pleite zum Auftakt der Playoffs unbedingt gewonnen werden musste. Malone ist nicht unbedingt bekannt dafür, schnell Dinge zu verändern, er ist ein Coach der alten Schule, der an die heiße Hand glaubt und oft Entscheidungen im Flow des Spiels trifft. Diesmal galt es, den Flow des Gegners zu durchbrechen - und wie das gelang!
Aaron Gordon als neuer Lillard-Stopper?
Der Zerstörer sollte Gordon sein, der mit 2,06 Meter sicher schon leichtere Aufgaben hatte, als einen kleinen Guard wie Lillard eine komplette Halbzeit zu jagen. "Er gehört mir", soll Gordon selbstsicher in der Pause gesagt haben, und dann setzte er dies tatsächlich um. "Ich liebe diese Situationen, diese Matchups, egal gegen wen. Für solche Sachen bin ich hier", sagte Gordon nach der Partie.
Lillard sollte nur noch 10 Zähler (2/9 FG) nach dem Wechsel erzielen, nachdem Vieles dafür sprach, dass der Blazers-Guard in diesem Spiel noch den einen oder anderen Rekord brechen würde. Denver gewann so das Spiel recht locker, die Blazers hatten ohne Lillard zu wenig valide Optionen im Angriff. Mit seiner Größe nahm Gordon Lillard dessen Iso-Game, dank guter Fußarbeit hielt er den Star zumeist vor sich und kämpfte sich auch durch die knochentrockenen Blöcke von Jusuf Nurkic oder Enes Kanter.
"Das ist einer der Gründe, warum wir A.G. geholt haben", freute sich Malone, der zudem angab, dass er schon die komplette Woche mit dem Gedanken gespielt habe, Gordon auf Lillard anzusetzen. Viele Alternativen haben die Nuggets ohnehin nicht, neben Jamal Murray (Kreuzbandriss) fehlen in Will Barton (Oberschenkel) und auch P.J. Dozier (Adduktoren) zwei weitere Guards, sodass in Marcus Howard ein Two-Way-Player bedeutende Playoff-Minuten sieht.
Aaron Gordon: Nicht nur Luxus
"Gordons defensive Variabilität hilft uns enorm und er geht in dieser Rolle auf", sagte Malone weiter. "Damian Lillard ist ein großartiger Spieler, das hat die erste Halbzeit gezeigt, doch ich glaube, dass ihm Aarons Größe zu schaffen gemacht hat." Der Gejagte selbst wollte davon dagegen nichts wissen. "Sie haben sich im Verbund mehr auf mich konzentriert, es lag nicht nur an einem Spieler", spielte Lillard Gordons Einfluss herunter.
Fakt ist, Lillard hätte an diesem Abend womöglich lieber mit als gegen Gordon gespielt, ein Szenario, welches möglich gewesen wäre. Bereits im Sommer gab es Gespräche zwischen Orlando und Portland wegen Gordon, wie er selbst bestätigte. Diese verliefen im Sand und die Blazers holten in der Offseason stattdessen Robert Covington aus Houston, der hingegen kaum Einfluss auf das Spiel nahm.
Bei den Nuggets ist Gordon inzwischen kein Luxus mehr, sondern dringend benötigt, auch in einer Erstrundenserie, zu dezimiert ist die Truppe von Malone. Gleichzeitig hat auch Gordon einen Wandel vollzogen. Bei den Magic spielte A.G. oft neben zwei Bigs, obwohl die Vier seine beste Position ist. Zu oft sah man Gordon, wie er zu viel machen und zeigen wollte.
In Denver ist seine Rolle klar definiert und er hat sie angenommen. "Ich will meinen Coaches zeigen, dass ich ein Verteidiger bin, das ist meine Nische", wiederholte der 25-Jährige noch einmal seine Worte aus der Vorstellungs-PK Ende März. "Ob Point Guard oder Center, ich werde es jedem so schwer wie möglich machen."
Aaron Gordon: Seine Statistiken für die Denver Nuggets
Wettbewerb | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | 3P% | Rebounds |
Regular Season | 25 | 25,9 | 10,2 | 50,0 | 26,6 | 4,7 |
Playoffs | 2 | 28,5 | 14,5 | 44,0 | 66,7 | 7,0 |
Findet Damian Lillard Lösungen?
Das sind keine Floskeln. In der Regular Season nahm Gordon im Denver-Jersey nur acht Würfe im Schnitt, viele Plays werden nicht für ihn gelaufen. Stattdessen hat er es sich in seiner "Nische" gemütlich gemacht, vermutlich wird Gordon auch in Spiel 3 Lillard wieder bearbeiten dürfen. "Ich gehe schwer davon aus", sagte auch Lillard, der dann mit Sicherheit andere Lösungen finden wird.
Womöglich ist es sogar ein Vorteil für die Blazers. Malone musste nun bereits in Spiel zwei seinen besten Trumpf gegen den All-Star ziehen, dieser hat nun genug Zeit, um sich Konter zu überlegen. Das können mehr Screens sein, aber auch mehr Off-Ball-Action, bei der Lillard den Spalding aus der Bewegung am Flügel erhält. Alles Optionen, wie größere Spieler wie Gordon abgeschüttelt werden könnten. Runde zwei ging an die Nuggets, nun ist es an Portland, die richtige Antwort zu finden.
Spiel 3 findet in der Nacht auf Freitag (ab 4.30 Uhr live im NBA TV Channel auf DAZN) statt, vor zwei Jahren war es dieses Spiel, welches mit vier Verlängerungen eine epische Serie einläutete.
Nuggets vs. Blazers: Die Serie im Überblick