Eigentlich sollte 20/21 die Saison werden, in der mal alles anders läuft für die Blazers. Jahrelang war die Tiefe beim einzigen Team aus Oregon ein großes Problem, sei es durch Verletzungen oder fehlerhafte Kaderplanung - irgendetwas, darauf konnte man sich verlassen, war immer. Die bestmögliche Version dieses Teams war gefühlt fast noch nie zu sehen.
Wie gesagt: Das sollte sich ändern. Portland hatte vor der Saison Jusuf Nurkic zurück, dazu wurde die Tiefe auf dem Flügel endlich angegangen, indem Robert Covington und Derrick Jones verpflichtet wurden. Vom tiefsten Blazers-Kader seit Jahren war die Rede, entsprechend hoch waren auch die Erwartungen. Dann begann die Saison, und es lief doch alles wieder wie immer.
Schon vor dem Saisonstart verletzte sich Zach Collins und musste unters Messer, Rückkehr ungewiss. Innerhalb einer Woche im Januar folgten Nurkic (mindestens acht Wochen Pause) und der bis dahin brandheiße C.J. McCollum (vier bis sechs). Es fehlten auf einmal der zweit- und drittbeste Spieler des Teams, die Tiefe, sie war futsch. Also doch wieder: Same old game. Oder aber: Same old Dame!
Damian Lillard hält die Blazers auf Kurs
Die andere Konstante der letzten Jahre ist schließlich auch geblieben - und Damian Lillard beweist auch in dieser Spielzeit mal wieder, dass er zu den resilientesten Superstars der NBA gehört. Er ist schlichtweg unbeirrbar, und die Blazers sind es dank ihm ebenfalls. 8 Siege und 5 Niederlagen hatten die Blazers auf dem Konto, als McCollum sich verletzte; in den 13 Spielen weisen die Blazers die identische Bilanz auf.
Blenden wir für den Moment externe Faktoren wie die gegnerische Stärke etc. aus - das ist schon im Vakuum enorm beeindruckend. McCollum diente zum Saisonstart de facto als Lillard-Backup auf der Eins, weil ansonsten ein echter Playmaker fehlte, jetzt betreibt Combo-Guard Anfernee Simons auf der wichtigsten Position der Liga wieder Learning by Doing.
In den weiteren Mannschaftsteilen verhält es sich kaum anders. Carmelo Anthony zeigt als Sixth Man immer mal wieder gute (Scoring-)Spiele, Gary Trent hat sein tolles Bubble-Shooting auf die neue Saison übertragen - ansonsten kann aber kaum ein Blazer von sich behaupten, an beiden Enden des Courts eine richtig gute Spielzeit zu spielen. Die Limitierungen des einzigen verbliebenen Centers Enes Kanter sind ebenfalls wohlbekannt.
Die Blazers-Topscorer seit dem Ausfall von Nurkic und McCollum
Spieler | Punkte | FG% | 3FG% |
Damian Lillard | 31 | 45,2 | 38,9 |
Gary Trent Jr. | 17,7 | 42,5 | 45 |
Carmelo Anthony | 14,9 | 40,1 | 33,3 |
Enes Kanter | 13,1 | 58,3 | - |
Anfernee Simons | 12,6 | 44,1 | 44,8 |
Robert Covington | 8,7 | 43 | 33,9 |
Rodney Hood | 8,3 | 43,8 | 34,5 |
Damian Lillard ist in Portland Alpha und Omega
Trotzdem belegen die Blazers in diesem Zeitraum Platz fünf beim Offensiv-Rating - über die vergangenen beiden Wochen sind sie sogar besser als über die Saison gesehen. Die Defense ist nicht gut, aber selbst hier hat sich mit dem Rumpfkader zuletzt etwas Besserung eingestellt. Die Blazers machen es sich zwar nicht immer leicht, eher selten gewinnen sie deutlich, doch Lillard findet oft genug einen Weg, um sein Team irgendwie auf Kurs zu halten.
Mit mittlerweile 30 Jahren ist der Point Guard auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Seit Jahren gehört er zu den besten Pick'n'Roll- und zu den besten Clutch-Spielern der Liga, was auch die Mavericks am Wochenende wieder einmal schmerzlichen erfahren mussten. Abgesehen von Stephen Curry gibt es keinen gefährlicheren Schützen in der Liga, insbesondere bei selbst kreierten Dreiern, gerne via Stepback.
Über drei Viertel seiner Abschlüsse nimmt Lillard laut Cleaning the Glass ohne vorigen Assist, gleichzeitig assistiert er bei einem Drittel der Field Goals seines Teams, wenn er selbst auf dem Court steht, und das, obwohl ihm die beiden wichtigsten Spielpartner fehlen. Lillard ist die Blazers-Offense, ganz einfach. Kaum ein Spieler muss in der NBA bei einem Team mit klar positiver Bilanz ansatzweise diese Last schultern.
Damian Lillard übertrifft Rekord von Dirk Nowitzki
Lillard tut dies, ohne eine Miene zu verziehen. Kürzlich gab er zwar zu, dass sein Team in der jetzigen Form aufgrund der Defensivschwäche keine Meisterschaft gewinnen wird - die Schuld dafür suchte er allerdings mehr bei sich selbst als bei anderen. Wo einige Superstars in schwierigen Situationen durch negative Körpersprache auffallen, versucht Lillard immer wieder, seine Mitspieler aufzumuntern und mitzunehmen.
Und er selbst lässt schlichtweg kaum Wünsche offen: Über die vergangenen zehn Spiele legte Dame trotz zwischenzeitlicher Abdominal-Beschwerden 32 Punkte und 8 Assists bei 45/40/94-Quoten auf, traf einen Game-Winner gegen die Bulls und einen vorentscheidenden Dagger gegen Dallas. Seit seiner Ankunft in der NBA hat niemand mehr dieser Würfe versenkt als Lillard (33).
Über sieben Spiele traf Lillard zwischenzeitlich jeden seiner 63 Freiwürfe und übertraf damit Dirk Nowitzkis Sieben-Spiele-Rekord aus dem Jahr 2010 (60). Mittendrin wurde er Vater von Zwillingen, seiner Konzentration scheint das zumindest nicht geschadet zu haben. Überhaupt wirkt Lillard stets, als könne ihn nichts aus der Bahn werfen.
Gegenüber dem Oregonian erklärte er das kürzlich: "In meiner Familie gilt ein gewisser Standard. Man wird dazu aufgebaut, sowohl mit den schlechten Momenten umzugehen als auch die guten Momente nicht überzubewerten. Es geht um eine dicke Haut. Man wird darauf vorbereitet, aufzusteigen und auch mit Rückschlägen umzugehen."
Damian Lillard über Super-Teams: "Würde das nie machen"
Von diesen Rückschlägen gab es in den vergangenen Jahren mehr als genug, insbesondere durch die Verletzungen von Nurkic, der 2019 nicht mitwirken konnte, als die Blazers ihre bisher erfolgreichsten Lillard-Playoffs mit dem Einzug in die Conference Finals krönten. Es setzte damals einen Sweep gegen die Warriors und in den sonstigen Jahren kam Portland über den Status "Contender 2. Grades" nie hinaus.
Lillard hat trotz allem nie einen Trade oder dergleichen gefordert, obwohl neutrale Fans das mehr als einmal gerne gesehen hätten. Stattdessen hat er immer wieder betont, dass Super-Teams für ihn keinen Reiz bieten. "Ich gebe lieber mein Bestes und verliere, bevor ich so etwas tue", erklärte Lillard kürzlich im Podcast Million $ Worth of Game. "Ich würde das nie machen."
Es ist auch diese Mentalität, die dafür sorgt, dass Lillard nahezu universell respektiert oder sogar verehrt wird. In Portland ist er längst eine Legende. Selbst wenn er nie Meister werden sollte, zeigt er, dass eine NBA-Karriere nicht nur durch Ringe definiert wird. Die aktuelle Spielzeit dient da wieder als Erinnerung: So wirklich überrascht es niemanden, dass Lillard in einer eigentlich prekären Phase für sein Team doch wieder die Kohlen aus dem Feuer holt und sämtliche Löcher flickt.
Es ist ja nicht das erste Mal.