Der Name Chris Paul ist in der NBA-Landschaft ein höchst umstrittener. Die einen sehen in ihm einen der besten Point Guards, der jemals mit dem orangefarbenen Leder hantiert hat. Ein genialer Floor General, der Playmaking, Scoring sowie unbändigen Einsatz an beiden Enden des Courts miteinander vereint.
Doch ein Großteil der NBA-Fans assoziiert mit dem Namen Chris Paul mittlerweile wohl keine allzu positiven Dinge mehr. Eine teils anstrengende Persönlichkeit, exzessives Flopping und ständiges Lamentieren bei den Referees machen CP3 im Jahr 2019 wohl zu einem der unbeliebtesten Spieler der Association.
Aber wirklich der gesamten Liga? Nicht unbedingt. Bei den Pelicans dürften zahlreiche Fans trotz des Abgangs von Paul 2011 wohlgesinnt an die Zeit des Point Gods in New Orleans zurückdenken. Genau wie die Fans der Oklahoma City Thunder.
Paul und die Stadt Oklahoma City - das ist eine ganz besondere Geschichte. Nachdem Hurrikan Katrina die damaligen Hornets aus New Orleans verdrängte, fand die Franchise in OKC Zuflucht. Zwei Jahre lang trugen die Hornets viele ihrer Heimspiele in "The Big Friendly", wie OKC auch genannt wird, aus. Es waren die ersten zwei Jahre von Chris Pauls Karriere in der NBA.
Chris Paul: OKC hat besonderer Platz im Herzen
"Es hat Spaß gemacht, ich habe es hier geliebt", blickte CP3 einige Jahre später auf seine Zeit in Oklahoma City zurück, wo er in seiner ersten Saison den Award als Rookie of the Year abräumte. "Die Fans waren echt krass. Ich habe noch nie solch eine Unterstützung gesehen."
Unter anderem deshalb habe Oklahoma City immer "einen besonderen Platz in meinem Herzen", so Paul. Durch dieses Gastspiel und sicherlich auch durch die Auftritte Pauls hat sich die Stadt auf die Landkarte der NBA katapultiert. Die Tragödie in Louisiana auf der einen und die Begeisterung der Fans auf der anderen Seite haben dazu beigetragen, dass Oklahoma City Jahre später eine eigene NBA-Franchise bekam.
Für die wird Paul in der kommenden Saison nun offenbar sein Debüt feiern. Die Rückkehr an alte Wirkungsstätte erfolgte allerdings nicht ganz freiwillig. Nach angeblichen Streitereien zwischen Paul und James Harden und einem Zweitrundenaus in den Playoffs gegen die Warriors sprengte Rockets-GM Daryl Morey seinen Star-Backcourt auf.
Statt Paul wird künftig in Person von Russell Westbrook ein guter Freund des Bärtigen an dessen Seite in Houston auflaufen. CP3 wurde gemeinsam mit zwei Erstrundenpicks und zwei Pick-Swaps dagegen zu den Thunder verschifft. Eigentlich sollte es eine Rückkehr von kurzer Dauer sein.
Chris Paul bleibt vorerst bei den Oklahoma City Thunder
Schon kurz nach Bekanntwerden des Trades kursierten Gerüchte, dass Thunder-GM Sam Presti eng mit Paul und dessen Agenten zusammenarbeite, um ihn direkt an ein drittes Team weiterzuleiten. Nur: Ein passendes Trade-Szenario war wohl nicht zu finden.
Laut Adrian Wojnarowski von ESPN habe OKC die internen Diskussionen um einen möglichen Paul-Trade nun gestoppt. Demnach gehen die Verantwortlichen in OKC davon aus, dass er die Saison 2019/20 entgegen erster Erwartungen doch im Trikot der Thunder beginnen wird.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits stehen zu diesem recht späten Zeitpunkt in der Free Agency die Kader so gut wie aller Teams. Dass Spieler, die in diesem Sommer als Free Agents einen neuen Vertrag unterschrieben haben, erst ab dem 15. Dezember von ihrem neuen Team in Trades involviert werden dürfen, verkompliziert die Situation.
Der sportliche Trend bei Chris Paul zeigt nach unten
Ein weiterer Knackpunkt ist sicherlich der Vertrag von Paul. In den kommenden drei Jahren könnte der Point Guard bis zu 124,1 Mio. Dollar verdienen, sollte er seine Spieleroption für 2021/22 (44,2 Mio. Dollar) ziehen. CP3 ist wohlgemerkt schon jetzt geschmeidige 34 Jahre alt.
Dazu kommt die Verletzungsanfälligkeit (in den vergangenen drei Jahren verpasste er insgesamt 69 Partien aufgrund von verschiedenen Blessuren), die Schwierigkeiten in Houston auf persönlicher Ebene und die wenig überraschende Tatsache, dass Paul mit steigendem Alter merklich abbaut. Kurz: Der Marktwert von Paul ist im Keller.
Die Statistiken von Chris Paul in den vergangenen drei Saisons
Saison | Spiele/Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | Dreier% |
2016/17 | 61/31,5 | 18,1 | 5 | 9,2 | 47,6 | 41,1 |
2017/18 | 58/31,8 | 18,6 | 5,4 | 7,9 | 46,0 | 38,0 |
2018/19 | 58/32 | 15,6 | 4,6 | 8,2 | 41,9 | 35,8 |
Oklahoma City Thunder: Angriff auf die Playoffs mit Chris Paul?
Geht es nach Presti, soll sich das in den kommenden Monaten schnellstmöglich ändern. Paul ist in Oklahoma City fehl am Platz, dem angepeilten Rebuild ist er nur im Weg. Dieser ist mit den Trades um Westbrook, Paul George und Jerami Grant aber zweifelsfrei eingeleitet worden. Mit insgesamt 15 Erstrundenpicks in den kommenden sieben Drafts (acht von fremden Teams) sind die Thunder für einen Wiederaufbau bereits recht gut positioniert.
Nur das Ziel, unter die Luxussteuergrenze zu kommen, wurde bisher noch nicht erreicht. Angeblich wollte Presti keine Picks abgeben, nur um Pauls Vertrag loszuwerden. Stattdessen bleibt der Point Guard also vorerst Teil des Teams - das hat auch Vorteile.
Mit seiner Erfahrung scheint Paul der perfekte Lehrmeister für den von den Clippers losgeeiste Shai Gilgeous-Alexander, dem in OKC ganz klar das Prädikat "Point Guard der Zukunft" angeheftet wurde. Thunder-Coach Billy Donovan bevorzugt ein System mit mehreren Ballhandlern auf dem Parkett, Paul und SGA könnten sich dank solider Distanzwürfe gut ergänzen. Mit Steven Adams könnte Paul zudem eine starke Pick'n'Roll-Combo abgeben.
Auf dem Papier sind die Thunder gar nicht mal so schlecht aufgestellt. Der Kader liest sich mit Paul, Gilgeous-Alexander, Dennis Schröder, Danilo Gallinari und Steven Adams recht solide. Zwar ist ein Angriff auf die Playoff-Plätze im hart umkämpften Westen eher unwahrscheinlich, OKC sollte mit diesem Spielermaterial aber nicht komplett untergehen.
Chris Paul: Wann folgt der nächste Trade von den OKC Thunder?
"In Chris bekommen wir einen erfahrenen Spielmacher und tollen Leader, dazu helfen uns die Draft-Picks in der Zukunft", freute sich deshalb Presti im typischen PR-Sprech. "Wir freuen uns, dass Chris zurück in Oklahoma City ist, wo er als Teil der Hornets half, dass die Thunder überhaupt erst in OKC ankommen konnten."
Doch einmal abgesehen von der emotionalen Komponente, übermäßig euphorisch wird man mit dieser Situation weder bei den Thunder noch im Camp von Paul sein.
Zwar hieß es von Woj, dass beide Seiten der Meinung seien, dass ein gemeinsamer Saisonstart "vorteilhaft" sein könnte. Früher oder später wird Paul aber für einen Titelanwärter auflaufen wollen, um seinen Traum von der ersten Championship weiter zu verfolgen.
Und um den Rebuild-Prozess nicht allzu sehr zu verlangsamen, wird Presti wohl darauf hoffen, dass Paul oder auch Schröder und Adams, die in der langfristigen Planung der Franchise ebenfalls keine Rolle spielen, mit guten Leistungen ihren Marktwert steigern. Ab Dezember, spätestens aber kurz vor der Trade Deadline wird die Gerüchteküche in dem Fall wieder ordentlich brodeln.