"Wir werden ihn starten lassen", erklärte Warriors-Coach Steve Kerr vor einer knappen Woche und gab damit gleich einmal die Marschrichtung für DeMarcus Cousins vor. Boogie wird zwar langsam herangeführt, soll aber gleich eine Chemie mit den Startern der Warriors auf dem Feld entwickeln. Wie viele Minuten der Big Man letztlich spielen wird, ist noch nicht klar, aber es wird mit Sicherheit Restriktionen geben.
"Natürlich werden wir schauen müssen, wie die Rotationen aussehen werden und wie viele Minuten er spielen kann", bestätigte Kerr, um aber auch nachzuschieben: "Wir werden sehen, einen Spieler wie ihn hatten wir noch nie."
Und damit hat der dreifache Meistertrainer vollkommen Recht. So dominant die Warriors seit 2014 auftraten, einen Center dieses Kalibers hatte Golden State nie. Andrew Bogut, David Lee, Festus Ezeli, Zaza Pachulia, JaVale McGee, David West, Jordan Bell, Kevon Looney oder Damian Jones - die Liste der Fünfer der Warriors-Dynastie ist lang, doch in den entscheidenden Phasen war es zumeist Draymond Green, der als Teil des Death Lineups, die Spiele für die Warriors beendete.
Könnte sich dies mit Cousins nun ändern? Es ist zumindest ein gewagter Blick in die Zukunft, niemand (außer vielleicht den Warriors) weiß im Moment, inwiefern der Achillessehnenriss Cousins' Leistungen beeinträchtigen wird. Dennoch: Boogie wird den Warriors eine Dimension geben, die zuvor so nicht gegeben war.
Cousins: Hoher Basketball-IQ und Range
Das beginnt schon mit Boogies hohem Basketball-IQ. In Diensten der New Orleans Pelicans legte der Center 5,4 Assists pro Partie auf. Einige davon gaben aus dem tödlichen High-Low-Spiel mit Anthony Davis, aber Cousins war auch stets eine starke Option aus dem High Post, wo er stark die sich freilaufenden Shooter am Perimeter oder durch Cuts finden konnte.
Für die Warriors übernahm in der vergangenen Saison David West, der inzwischen seine Karriere beendet hat, mit der Second Unit diese Rolle, der zwar nur rund 12 Minuten pro Spiel auf dem Feld stand, aber zumeist in den Minuten ohne Stephen Curry einen verkappten Spielmacher mit den Reservisten gab.
Aus dem High Post brachte West auch zuverlässig seinen Mitteldistanzwurf an, welchen auch Cousins hochprozentig trifft. Boogie besitzt sogar noch ein bisschen mehr Range als West und kann das Feld durch seinen Dreier sogar noch ein wenig breiter machen.
Boogie als Schütze
Satte 294 Dreier in gerade einmal 48 Spielen (35,4 Prozent) nahm Boogie in der vergangenen Saison im Vergleich zu gerade einmal 90 Würfen aus der Mitteldistanz, ein Segen für die Dubs, deren Wurfprofil mit Tonnen von Midrange-Jumper bisher nicht wirklich optimal war.
Blickt man etwas genauer darauf, welche Dreier Cousins vergangenes Jahr nahm, dann dürfen sich die Warriors freuen. 241 Triples kamen nämlich aus dem Catch-and-Shoot, dazu traf Boogie 43 Prozent seiner Distanzwürfe, die von stats.nba.com als 'wide open' bezeichnet werden. Man darf davon ausgehen, dass Cousins mit dieser Ansammlung von All-Stars oft genug diesen Wurf bekommen wird.
Cousins: Dominator in der Zone
Cousins' Wohnzimmer ist aber dennoch der Low Post. Dort war er über Jahre mit seiner Masse und seinen Skills kaum zu stoppen. Vergangene Saison posteten nur sieben Spieler häufiger als Cousins (7,6 pro Spiel) auf, fast die Hälfte davon endete in Punkten für die Pelicans.
Aber: Boogie ist bei weitem kein schwarzes Loch. In einem Drittel der Fälle passte Cousins den Ball, auch weil die Gegner häufig das Double Team schickten, was gegen die Warriors bei gewissen Lineups (vor allem mit den Startern) keine gute Idee ist. Es sollte so jede Menge offene Würfe für die Schützen der Dubs geben.
Auch defensiv dürfte Cousins den Warriors ein wenig helfen. Vielleicht nicht unbedingt in der Pick'n'Roll-Defense (das könnte ein Problem werden!) oder beim Switchen, dafür aber umso mehr in der Arbeit am defensiven Brett. Im Moment haben die Dubs zwar eine Defensiv-Rebound-Rate von 73,6 Prozent (Platz acht) vorzuweisen, doch vor allem die Playoffs und die Duelle mit Houston zeigten, dass Golden State in diesem Bereich verwundbar ist.
Vergangene Saison war Cousins mit 10,7 Defensiv-Rebounds der Drittbeste in dieser Kategorie in der kompletten Liga und sollte mit seiner schieren Masse und Größe davon durch die Verletzung wenig eingebüßt haben.
Hat Cousins erst einmal den Abpraller, denkt er wie ein Guard. Er sucht nicht sofort seinen Spielmacher, sondern will das Spiel sofort schnell machen, was zur Spielweise der Warriors wie der Hintern auf den bekannten Eimer passt. Golden State legt schon jetzt 18,8 Punkte pro Partie (Platz drei hinter den Kings und Lakers) durch Fastbreaks auf, mit Boogie könnte dieser Wert noch weiter in die Höhe schießen.
Cousins: Kann er sein altes Niveau wieder erreichen?
Könnte, sollte, dürfte. Vieles ist noch im Konjunktiv geschrieben, die Antworten werden wir in den nächsten Wochen und Monaten auf dem Feld bekommen. Niemand sollte von Cousins erwarten, dass er sofort wieder auf dem Niveau performen wird, welches er vor seiner Verletzung hatte. Vielleicht wird er es auch nie wieder erreichen.
Ein Achillessehnenriss ist eine furchtbare Verletzung, vor allem für einen schweren Jungen wie es Cousins mit seinen gelisteten 122 Kilo ist. Ein Beispiel aus der Vergangenheit ist der heutige Sixers-GM Elton Brand, der sich 2007 die gleiche Verletzung zuzog. "Ich war nicht mehr der gleiche Spieler", erinnerte sich Brand gegenüber ESPN.
"Ich hatte noch einige solide Spielzeiten, aber noch keiner hat es nach einer solchen Verletzung geschafft, auf dem gleichen hohen Niveau zurückzukehren. Mir fehlte die Explosivität, ich musste mein Spiel ändern." Aus einem zweifachen All-Star, der 25 Punkte und 10 Rebounds in seiner Hochzeit auflegte, wurde ein solider 13-und-8-Rollenspieler. Wenn Cousins dies in Oakland liefern könnte, wären die Warriors wohl schon hochzufrieden.
Cousins: Vorfreude auf Warriors-Debüt
Cousins ist nicht die wichtigste Säule im System der Dubs, das sind weiter die altbekannten Namen, er verschiebt aber die Grenzen des Potenzials in schwindelerregende Höhen. Dennoch erwartet niemand beim Champion Wunderdinge von Boogie, das betonte auch Kerr mehrmals nachdrücklich. "Ich erwarte nicht, dass er zurückkehrt und gleich 50 Punkte oder ähnliches auflegt. Das wäre toll, aber das erwartet niemand."
Auch Boogie selbst nicht, der während seiner Verletzung zugab, dass er mental durch tiefe Täler gegangen ist. Zur Erinnerung: kaum ein Team traute sich im Sommer, Cousins langfristig zu bezahlen, weswegen der Center eben für ein Jahr und 5,3 Millionen Dollar im Schatten der Golden Gate Bridge unterschrieb.
Nun ist es endlich soweit, Cousins darf wieder das tun, was er am liebsten macht - auf dem Feld stehen. "Ich freue mich einfach, dass ich bald wieder dabei bin. Das reicht mir eigentlich schon." Wie dies dann wirklich aussieht, werden wir in der Nacht auf Samstag gegen die Los Angeles Clippers und hoffentlich für den Rest der Saison beobachten dürfen.