Dieser Artikel erschien ursprünglich am 26. August 2018.
Wer sich einmal ein Spiel der Celtics mit dem League Pass angeschaut hat, kennt sicherlich den Celtics-Broadcast mit den zwei betagteren Herren namens Mike Gorman und Tommy Heinsohn. Es gibt wohl nur wenig Duos, die so parteiisch waren wie die zwei Herren mit dem weißen Haupthaar.
Entsprechend stark schwankten die Meinungen. Für die Fans der Celtics genoß das Duo Kult-Status, Anhänger des Gegners waren dagegen genervt aufgrund der Einseitigkeit der Übertragung. Gorman und Heinsohn machten da auch keine Umschweife: Sie waren echte Homer.
Egal welche Meinung man hat, zumindest ist es durchaus beachtlich, dass diese Kombo fast 40 Jahre die Celtics begleitete, Rekord in der Liga. Gerade Heinsohn war mit seiner ständigen Kritik an den Schiedsrichtern zu einer echten Kultfigur geworden. Man musste es nicht mögen, man konnte aber über die Emotionalität und Leidenschaft schon ein wenig schmunzeln, vor allem wenn die Refs den Celtics womöglich nicht wohlgesinnt waren.
Inzwischen verteilt der übertragende Sender in Boston nach jedem Spiel den Tommy Award. Den erhält immer der Spieler, der während des Spiels genügend Tommy Points gesammelt hat, die es für großen Einsatz und Hustle gibt. Auch Daniel Theis wurde bereits ausgezeichnet, auch wenn er selbst zuvor nichts von dieser Tradition wusste.
Tommy Heinsohn: Der Meister des Hakenwurfs
Die Geschichte von Heinsohn geht aber viel weiter zurück. Nach seiner Kindheit in New Jersey ging die spätere Celtics-Legende auf die Uni von Holy Cross in Massachusetts und machte sich im Revier der Celtics und Coach Red Auerbach einen Namen. 1956 gab es noch den Territorial Pick, heißt, NBA-Teams hatten Zugriff auf Spieler von nahen Unis und machten von diesem Recht bei Heinsohn Gebrauch.
Dieser Draft sollte den Beginn der Celtics-Dynastie darstellen, da im gleichen Jahr auch noch Bill Russell nach Beantown gelotst werden konnte. Während Auerbach bei Russell von Beginn an ein gutes Gefühl hatte, war er beim Local Hero ein wenig skeptisch. Heinsohn suchte bereits nach Alternativen und flog gen Chicago, um als Amateur in der National Industrial League zu spielen. Es war wohl Bob Cousy, der Heinsohn überredete, dass er sein Glück in der NBA suchen solle.
Er sollte es nicht bereuen. Während Russell den Beginn der Saison wegen der Olympia-Teilnahme mit Team USA in Australien verpasste, erkämpfte sich Heinsohn seinen Platz auf Power Forward. Trotz einer Körpergröße von 2,01 Meter war Heinsohn unglaublich agil, aber gleichzeitig auch kräftig genug, um mit den Bigs der Zeit mitzuhalten. Dazu kam ein butterweicher Jumper.
Heinsohns Markenzeichen war jedoch sein Hakenwurf, den man so in der heutigen NBA eigentlich nicht mehr sieht. "Der Hakenwurf ist ein toller Wurf, weil man seinen Körper zwischen Ball und dem Gegenspieler hatte", erklärte Tommy seine Liebe zu dieser Technik. "Der Gegner dachte immer, wenn ich an der Baseline war, dass ich nie einen Wurf nehmen würde und war so ein wenig unaufmerksam. So konnte ich immer den Hakenwurf anbringen."
Heinsohn: Wurffreudig, Prügelknabe, Serienmeister
Gleich in seiner ersten Saison wurde Heinsohn so zu einem wichtigen Baustein in Auerbachs System und hatte großen Anteil daran, dass der legendäre Coach erstmals seine dicken Sieger-Zigarren in den Finals paffen konnte. In Spiel 7 der Finals gegen die St. Louis Hawks markierte Heinsohn 37 Punkte, wodurch Boston seine erste Championship feiern konnte. Zudem wurde der Junge aus New Jersey mit durchschnittlich 16 Punkten und 9 Rebounds als Rookie of the Year ausgezeichnet - vor Russell.
Es sollten noch sieben weitere Titel in acht Jahren folgen, an denen Heinsohn stets seinen Anteil hatte. Unumstritten war er im Gegensatz zu Russell oder Cousy aber nie. Die Medien in Boston kritisierten zumeist die Wurfauswahl des Forwards und verpassten ihm den Spitznamen Tommy Gun. Für seine Mitspieler und Auerbach war dies aber kein Problem. "Wir hatten eine klare Rollenverteilung. Russell sammelte die Rebounds, leitete den Fastbreak ein. Cousy war der Spielmacher und Heinsohn war unser Shooter", verteidigte Auerbach stets seinen Schützling.
Zumindest tat er dies in den Medien. Intern galt Heinsohn als der Prügelknabe von Auerbach, da er im Gegensatz zu den anderen Spielern besser mit Kritik umgehen konnte. "Red wusste, dass andere Stars bei uns ein wenig fragil waren", erinnerte sich Heinsohn später. "Wenn er uns also aufwecken wollte, hat er immer mich kritisiert, weil er wusste, dass ich es verkraften würde."
Heinsohn: Karriereende mit 30
Heinsohn galt ohnehin eher als Lebemann, der anders als Russell sein Leben nicht nur um Basketball strukturierte, was sich später aber auch auf seine Verfassung auswirkte. So besäße Heinsohn laut Auerbach den "ältesten Körper eines 27-Jährigen der Sport-Geschichte". Es verwunderte deswegen auch wenig, dass Heinsohn 1965 nach seinem achten Titel und sechs All-Star-Nominierungen mit nur 30 Jahren seine Karriere beendete.
Seine Produktion war merklich zurückgegangen, einst eine 20/10-Maschine legte Heinsohn in der seiner letzten Spielzeit nur noch 13,6 Zähler und 6 Rebounds auf. Gleichzeitig verabschiedete sich auch Auerbach auf den GM-Posten und bot Heinsohn den Job als Coach an. Aus Furcht vor dem schwierigen Russell lehnte er jedoch ab, stattdessen wurde der Center selbst zum Spieler-Coach.
Heinsohn wechselte derweil zum Fernsehen und wurde Broadcaster bei den Celtics, bevor Auerbach nach dem Rücktritt von Russell drei Jahre später erneut anklopfte. Diesmal nahm die ehemalige Nummer 15 den Job an, auch wenn das Celtics-Team ohne ihren Franchise-Center einiges an Glanz verloren hatten.
Der Schüler von Red Auerbach
Heinsohn strukturierte das Team aber komplett um und baute um John Havlicek und ein Jahr später Center Dave Cowens eine neue Truppe auf, die mit ihrem schnellen Spiel und unzähligen Fastbreaks an die ersten Celtics-Teams von Auerbach mit Cousy erinnerte. Im Handumdrehen waren die Celtics erneut eine Hausnummer und entwickelten sich in kurzer Zeit wieder zu einem Contender.
Heinsohn ließ dabei eine sehr aufwendige Defense spielen, die stets allerhöchsten Druck auf den Gegner ausübte. Er selbst bezeichnete diese Strategie als "Guerillakrieg" und führte die Celtics 1974 und 1976 zu zwei weiteren Championships.
Ein besonderes Verhältnis hatte Heinsohn (wer hätte es gedacht?) zu den Schiedsrichtern. Der Coach war bekannt für seine teils heftigen Wortwechsel mit den Offiziellen und stürmte nicht selten den Court, um leidenschaftlich die Entscheidungen zu diskutieren. Immerhin konnte auch Heinsohn über diesen Umstand lachen, wie diese alte Bier-Werbung bestens belegt.
Heinsohn wird als Kommentator zur Kultfigur
1978 trat Heinsohn nach einem schwachen Saisonstart zurück, jedoch konnte auch Nachfolger Tom Sanders das Ruder nicht mehr herumreißen. Es spangen nur 32 Siege heraus, doch rückblickend war dies ein Glücksfall, denn im folgenden Draft wählte Boston an Nummer sechs einen weißen Jungen aus Indiana namens Larry Bird aus.
Heinsohn zog es hingegen wieder zum Fernsehen, wo er bis heute mit Mike Gorham ein kongeniales Duo bildet. Seine Fehden mit den Referees liefert er sich bis heute, auch als Broadcaster. "Die Leute haben mich über die Jahre immer wieder wegen meines Umgangs mit den Refs kritisiert, da sie denken, dass ich es als Ausrede benutzen würde, wenn die Celtics verlieren. Das ist nicht richtig. Ich denke, dass das Spiel lediglich die richtige Balance braucht."
Wie Kollege Gorman berichtete, verfolgte Heinsohn einen Ref bis in den Tunnel, um ihm die Meinung zu geigen. Manche Dinge ändern sich eben nie.
Das gilt auch für seine Beziehung zu den Celtics, die über 60 Jahren Bestand hattw. Heinsohn ist die einzige Person, die bei allen 17 Championships in irgendeiner Form involviert war. So verwundert es nicht, dass Heinsohn sowohl als Spieler als auch als Coach in die Hall of Fame gewählt wurde. Lediglich John Wooden, Bill Sharman und Lenny Wilkens gelang ebenfalls dieses Kunststück.
Eine Institution bei den Boston Celtics
Ans Aufhören dachte der Oldtimer bis zuletzt nicht, auch wenn er nur noch die Heimspiele der Celtics begleitete und für einige Zeit ganz von der Bildfläche verschwand. "Ich liebe es, wie sich junge Menschen als Spieler und auch als Persönlichkeiten entwickeln", erklärte die Legende vor einiger Zeit, warum er noch immer nicht in seinen wohlverdienten Ruhestand gegangen ist.
Dennoch spielte nicht nur Basketball eine Rolle in Heinsohns Leben. Seine Freizeit hatte der achtfache Champion der Kunst verschrieben. Man glaubt es kaum, aber Heinsohn war tatsächlich ein begnadeter Maler, dessen Gemälde auch ausgestellt wurden.
Ansonsten genoß er es einfach, Spieltag für Spieltag in die Arena zu kommen und seine Emotionen zu den Zuschauern an den Bildschirmen zu bringen. Notizen oder Vorbereitung brauchte der Mittachtziger dazu nicht. Er wollte das Spiel genießen, seine Celtics beobachten.
Was soll er auch groß aufschreiben? Über 64 Jahre floß grünes Blut durch seine Adern. Es gibt wohl nichts, was Heinsohn noch nicht gesehen hat. Cousy und Auerbach waren die Pioniere, Russell der Meistermacher und Bird die Ikone. Heinsohn war vielleicht nicht so dominant auf dem Feld, aber er war dagegen die Konstante und entwickelte sich so zur Institution der geschichtsträchtigsten Franchise der NBA.