Tim Duncan: Wind of Change
Der Weg zum nächsten Triumph war dabei mit immer anderen Herausforderungen gespickt. In 19 Jahren bei den Spurs veränderte sich Timmys Rolle stetig - und er passt sich an. Duncan wäre nicht Duncan, hätte er auf seine Position, seine Spielzeit oder eine Star-Behandlung gepocht.
Da kam ein schüchterner Parker aus Europa, dem Pop die Fäden in die Hand gab. Kein Thema. Da kam ein talentierter Kawhi Leonard, der brauchte Spielanteile. Kein Thema. Da kam ein LaMarcus Aldridge, der Minuten wollte. Kein Thema. Nicht ein mürrisches Wort kam jemals über seine Lippen.
"Timmy war niemals eine lautstarke oder emotionale Person auf dem Feld", so Popovich: "Jeder ist da anders." Anders, das war Duncan definitiv. Jeder andere Spieler dieser Liga wäre nach einem Big Play in der Crunchtime ausgerastet, hätte gejubelt, geschrieben, gefeiert. Aber Duncan? Der verzog nicht einmal einen Mundwinkel. Dafür brauchte es schon einen Gamewinner in den Finals.
Wenn man ganz besonderes Glück hatte, konnte man einen der Momente beobachten, in denen Duncan seine steife Rückwärtsbewegung in die Defense mit einer geballten Faust paarte. Denn grundsätzlich war alles, was nicht das Spiel auf dem Court betraf, Kinderkram für ihn. Unnötige Ablenkung, die ihn daran hinderte, sein Bestes zu geben und seine Leistung abzurufen.
Irritierende Präsenz
Mit einer Ausstrahlung wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung gab Duncan seinen Mitspielern Sicherheit, erlaubte ihnen, sich an ihm aufzurichten und durch seine Präsenz zu wachsen. Aber genauso wie aufbauend für die Teamkollegen, wirkte seine stoische Art auch irritierend auf seine Gegenspieler.
Draymond Green traf aus diesem Grund in seiner Anfangszeit in der Liga eine äußerst weise Entscheidung. "Ich habe ihn einmal angelabert und er hat mich einfach nur angestarrt", so der Warriors-Big-Man: "Entweder sagte er nichts, weil er keinen Respekt für mich hatte, oder, weil er einfach so ist. Oder beides. Da habe ich entschieden, dass ich niemals wieder irgendwelchen Blödsinn zu ihm sagen werde."
Tim Duncan: I did it my way
Aber Duncan war nicht immer so. Abseits des Feldes beschreiben ihn seine Teamkollegen als offenen, extrovertierten Menschen und durchaus auch als Spaßvogel. Hinter der Fassade steckte deutlich mehr Emotion und Engagement als er nach außen hin zeigte.
Die Öffentlichkeit bekam davon mit Ausnahme einiger grandioser, trockener Werbespots wenig mit. Denn Duncan mied jedes Rampenlicht außerhalb der Arenen. Er hatte schließlich einen Job zu erledigen. Und den machte er. Jeden Tag, bei jedem Training, in jedem Spiel. Vom 31. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2016.
Das letzte Mal
Sein letztes Spiel war Game 6 der Western Conference Semi-Finals gegen die Oklahoma City Thunder. Nach einer relativ unspektakulären Serie blitzte Duncans Genius beim 99:113 gegen OKC mit 19 Punkten, 5 Rebounds und einem Block noch einmal auf.
Viel wichtiger aber war, dass Pop ihn nach einer kurzen Unterhaltung im kompletten Schlussviertel des bereits entschiedenen Duells spielen ließ. Vermutlich, weil er wusste, dass es die letzten Minuten in der Karriere des großen Tim Duncan sein würden.
Mit in den Ruhestand nimmt Timmy ganze Buchbände voller Errungenschaften und Statistiken. Der 15-fache Allstar beendet seine Zeit in der NBA mit 19 Punkten, 10,8 Rebounds, 3 Assists und 2,2 Blocks pro Spiel. Mit 24.496 Punkten liegt er auf Rang 15 der All Time Scoring List, belegt Platz 6 bei den Rebounds (15.091) und Rang 5 bei den Blocks (3.020).
Doch das sind nicht die Dinge, die einem als Erstes in den Sinn kommen, wenn man an Duncan denkt. Man denkt an seine Umarmung des Balls vor dem Tip-Off. An seine Augen, die sich bei jedem unverständlichen Pfiff bis zur Größe einer Tomate weiteten. Man denkt an seinen Kleidungsstil, der in den 90ern hängen geblieben war und der deutlich machte, wie sehr es ihm egal war, was andere von ihm dachten.
Das Kunstwerk Tim Duncan
Letzteres war eine weitere Besonderheit und ein weiteres Mosaiksteinchen, das zusammen mit allen anderen Eigenheiten ein ganz spezielles Kunstwerk ergab. Ein Bild, das uns in Staunen versetzte und uns zum Schwärmen brachte. Ein Bild, das die Liga so noch nicht gesehen hatte und das einen Gegenpol zu den lauten und medial omnipräsenten Stars der Post-Jordan-Ära bildete.
Er war keine Marke wie Kobe Bryant, Allen Iverson oder LeBron James. Tim Duncan war einfach Tim Duncan.
Und das, was er in San Antonio nach 19 Jahren voller Arbeit, Fleiß und Leadership hinterlässt, hat niemand besser auf den Punkt gebracht als Warriors-Coach und Ex-Teamkollege Steve Kerr: "Sie werden immer noch die Spurs bleiben, auch wenn er geht. Und das ist wohl das größte Vermächtnis von Timmy. Er hat dabei geholfen, etwas so Beständiges aufzubauen, dass es weiterbestehen wird, auch wenn er selbst schon lange gegangen ist."