Nach Game 2 der Eastern Conference Finals sprach vieles für einen Durchmarsch der Cavs in die Finals - schließlich hatten sie die Raptors zweimal klar dominiert. Deren Head Coach Dwane Casey versicherte jedoch, dass er sein Team noch lange nicht am Ende sehe und noch viel Leben in seinen Jungs stecke. Nun ist klar: Das war keine leere Floskel.
Wer das nicht glaubt, der braucht sich nur den Auftritt von Bismack Biyombo anschauen. Der Valanciunas-Ersatz war im Vergleich zu den letzten beiden Spielen kaum wieder zu erkennen. Seine Präsenz war von der ersten Minute an spürbar, seine Emotionen stachelten die wieder mal unglaublichen Fans in Kanada zu Höchstleistungen an - und umgekehrt.
Wohin auch immer der Ball vom Ring abprallte - Biyombo kam ran. Entweder, weil er schon vorher ahnte, wo das Spielgerät landen würde, oder, weil er sich mit unbändigem Einsatz und zerstörerischer Athletik den Weg freiräumte. Nach einem Viertel hatte er schon 10 Rebounds auf dem Konto - und damit einen mehr als in den ersten beiden Spielen zusammen.
Mutombos Lizenz
Da staunte natürlich auch Casey nicht schlecht und sprach seinem Schützling das wohl größtmöglichste Lob aus: "Wie er in der Zone arbeitet und einfach weiß, wohin der Ball kommt, erinnert er mich ein bisschen an Dennis Rodman."
Denn Biyombo dachte gar nicht daran, locker zu lassen und kam am Ende auf 26 Rebounds: Franchise-Rekord geknackt! Seine 4 - teilweise spektakulären - Blocks samt Finger Shake waren da nur noch Formsache. Diesbezüglich versicherte er übrigens, dass er sich beim Urheber dieser Geste, Dikembe Mutombo, die offizielle Erlaubnis für die Nutzung abgeholt habe.
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Biyombos Glanzleistung ließ zumindest streckenweise den Ausfall von Jonas Valanciunas vergessen. Lediglich das Postspiel des Litauers hätte man gut gebrauchen können - denn dieses fand erneut quasi nicht statt. Zu Anfang versuchte sich noch Luis Scola mit ein paar Moves, blieb aber ohne Erfolg. Und auch auf der anderen Seite wurde komplett auf das Spiel mit dem Rücken zum Korb verzichtet. Einzig Kevin Love kreierte auf diese Weise ein paar Abschlüsse, scheiterte aber grandios (insgesamt 1/9 FG).
Irvings schwacher Auftritt
Aber: Wer braucht schon einen effizienten Lowpost-Spieler, wenn er DeMar DeRozan in den eigenen Reihen hat? Was Biyombo im Frontocurt war, war der All-Star im Backcourt: Energisch, zielstrebig, erfolgreich. Er brauchte nicht lange, um in Tritt zu kommen und traf einen Jumper nach dem anderen über die Hände von J.R. Smith. Cleveland reagierte darauf nicht - gegen einen größeren LeBron James hätte es DeRozan wohl schwerer gehabt. Das zeigten die wenigen Sequenzen, in dem es zu diesem Matchup kam.
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Die Entscheidung, James nicht gegen DeRozan zu stellen, war nicht das einzige kleine Fragezeichen hinter dem Gameplan der Cavs. Auf der anderen Seite des Feldes verzichteten sie fast komplett auf das Play, mit dem sie in Spiel 2 so erfolgreich waren: Nämlich James auf der linken Seite gegen Carroll isolieren. Daraus kreierte er gegen eine überforderte Helpside-Rotation Assist nach Assist, überließ den Ball gerade in der ersten Halbzeit in Game 3 aber meist Kyrie Irving.
Was keine gute Entscheidung war. Denn Uncle Drew spielte sein mit Abstand schlechtestes Spiel der Postseason, wirkte im Drive weniger explosiv als sonst, traf kaum was von draußen und lag auch sonst bei seiner Entscheidundsfindung nicht immer auf der richtigen Seite (13 Punkte, 3/19 FG, 3 Turnovers).
Lerneffekt von Spiel zu Spiel
Im Verlauf der zweiten Halbzeit übernahm dann wieder der König persönlich mehr Verantwortung und bahnte sich den Weg zum Korb, um entweder selber abzuschließen oder einen seiner gefürchteten Kickout-Pässe zu spielen. Doch zu diesem Zeitraum war der Rückstand auf die Raptors bereits zweistellig. Zudem verteidigten diese auf einem ganz anderen Niveau als zuletzt.
Auffällig: Die Raptors haben sich in dieser Disziplin von Spiel zu Spiel gesteigert. Beim ersten Auftritt in Ohio kollabierte ihre Defense komplett, sobald James und Co. in die Zone penetrierten. Beim Auftritt zwei Tage später waren die Raptors zwar deutlich präsenter in der Painted Area, konnten sich dort aber oft nur mit Fouls wehren (die Cavs standen 37-mal an der Linie).
Bei diesem Heimsieg jedoch machten sie einen weiteren Schritt: Sie machten die Zone dicht, ohne zu unsauberen Methoden zu greifen (Cavs: 14/16 FT). Und viel wichtiger: Die Closeouts nach den Kickout-Pässen haben hervorragend funktioniert. Das lag auch am Positionsspiel der Backcourt-Verteidiger vor dem Pass, die sich nicht - wie zuletzt häufiger gesehen - viel zu früh für einen von zwei Gegenspielern entschieden.
Dadurch war der Weg zum Schützen deutlich kürzer und der Wurf für diesen entsprechend schwerer, was sich auch in der Trefferquote der Cavaliers widerspiegelte (35 Prozent FG, 34 Prozent Dreier). Aber: Das Spacing und die oft trägen und zu spät kommenden Extra-Pässe Clevelands hatten nicht die gewohnte Qualität.
"Hatten Schüsse, die wir wollten"
Deshalb ließ Lue mehr Pick'n'Rolls als gewöhnlich laufen, worauf die Raptors-Defense aber stark reagierte: Bismack Biyombo sei Dank. Er war in der Lage, einen Irving - wenn dieser seine Kettenhunde Kyle Lowry oder Corey Joseph mal abschütteln konnte - vor sich zu halten, oder zumindest beim Layup so präsent zu sein, dass die vermeintlich leichten Abschlüsse gar nicht mehr so leicht waren.
"Bismack war großartig. Was er heute in der Zone und in der Pick'n'Roll Defense geleistet hat - wow", lobte Casey. Sein Gegenüber Lue sieht derweil keinen allzu großen Grund zur Sorge: "Wir haben Schüsse bekommen, die wir wollten, sie aber nicht getroffen. Ich denke, das ist im nächsten Spiel wieder anders." Kann sein, dass er recht hat. Doch wenn nicht, wissen wir, in wessen Hände die Fehlversuche landen werden.