NBA

Der Identitätsstifter

Jimmy Butler ist derzeit der gefährlichste Spieler der Bulls
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Abgesehen davon experimentieren die Zwei immer noch mit dem Ballvortrag. So sind die Usage-Raten beider Guards nahezu identisch (Rose: 26 Prozent; Butler: 25 Prozent), genauso wie die Assistzahlen (Rose: 4,7 PPG: Butler: 4,9 PPG) - nur die Turnoverate von Rose ist schlechter. Denn gleich 15 Prozent aller Bulls-Ballverluste gehen auf das Konto des Ex-MVP, der nahezu in allen Statistiken die uneffektivste Saison seiner Karriere spielt (mit mindestens 30 Spielen).

"Wir sind am besten, wenn beide auf dem Feld stehen", setzte Coach Hoiberg der aufkommenden Diskussionen entgegen: "Man wird es bald sehen. Manchmal hat Derrick den Ball, dann hat wieder Jimmy den Ball. Beide hatten schon ihre Momente, wo man die gute Chemie sehen konnte."

Es ist ein stetiger Prozess, um beide Stars in das neue System zu integrieren. Dabei hat Rose immer noch die größten Probleme, da ihn seine zwischenzeitlichen Ausfälle immer wieder aus dem Rhythmus werfen. Unter den zehn effektivsten Bulls-Lineups, die mindestens in 5 Spielen zum Einsatz kamen, ist der Point Guard nur viermal zu finden. Butler gleich neunmal. Gerade in seiner anhaltenden Findungsphase braucht Rose folglich einen entschlossenen und effektiven Mann neben sich.

Ein verbaler Anführer

Darüber hinaus ist Rose, der ohnehin nicht gerade als Lautsprecher bekannt ist, noch zurückhaltender mit seinen Aussagen geworden. Er scheint wegen seiner vielen dürftigen Auftritte und seinen kleinen Verletzungen noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein. Ohne den verletzten Joakim Noah ist Butler deshalb auch als Sprachrohr gefordert - als Leader außerhalb des Platzes, der das Team repräsentiert.

Die Aussagen über Hoiberg sollten so etwas wie ein erster Versuch der verbalen Leadership sein. Doch dass man sich damit auch ebenso angreifbar macht, zeigte die Reaktion auf Butlers ersten großen Vorstoß: "Ich war noch nie als Anführer gefragt. Weder auf der High School, noch auf den Junior College oder bei den Bulls. Ich lerne noch. Dazu gehört auch das Auftreten abseits des Courts - das bringt Positives wie Negatives mit sich."

Gegen das Machtvakuum

Unter Thibodeau gab es eine klare Hierarchie, die keinen Spieler zuließ, der nur annährend auf Augenhöhe mit ihm stand. Hoiberg hat da eine ganz andere Erwartung und fordert gleichzeitig Fingerspitzengefühl: "Ich weiß, wie leidenschaftlich Jimmy Butler ist. Deshalb ist er so ein großartiger Spieler. Aber das alles ist neu für ihn, das ist eine neue Rolle. Er hat die Fähigkeiten, diese Rolle auszufüllen. Wir haben gesprochen, aber das bleibt unter uns - es war ein sehr positiver Austausch."

Die Modifikation des Spielsystems ist noch lange nicht abgeschlossen: "Fred hat eigentlich ein flüssiges Ballmovement installiert, aber viele Jungs halten den Ball noch zu lange in den eigenen Händen", beklagte Joakim Noah kurz vor Jahreswechsel. Zu selten wandert der Ball in der Offensive über mehrere Stationen. Außerdem ist Pau Gasol immer unzufriedener und forderte laut ESPN mehr Spielzüge, die er aus dem Post-Up abschließen kann.

Aber auch die Verteidigungsarbeit ist nur noch Durchschnitt und die Zahl der gegnerischen Punkte ist im Vergleich zum Vorjahr um 4 Zähler angewachsen. Doch Noah leitet daraus weitaus größeres Problem ab: "Was ist denn die Identität des Teams? Das können wir derzeit noch nicht beantworten. Früher war das klar: Wenn du nach Chicago kommst, erwartet dich Krieg. Das ist heute anders. Uns fehlt das Feuer. Wir brauchen wieder unsere verschworene Gemeinschaft. Wir müssen für einander kämpfen - dazu brauchen wir die Leadership von Jimmy."

"Will meinen Teil dazu beitragen"

Der neue starke Mann scheint dieser Rolle nachkommen zu wollen: "Es geht überhaupt nicht darum, dass wir fünf Jahre auf eine gewisse Weise gecoacht wurden. Jeder muss einfach seinen Job erfüllen. Du gewinnst dein Matchup, erfüllst den Plan, gewinnst das Spiel. Ich will meinen Teil dazu beitragen." Dazu ackerte er die meisten Minuten aller NBA-Spieler ab (38,1 MPG) und steht in Sachen Win Shares (6,5) auf Platz 5 hinter Spielern wie Steph Curry, Russell Westbrook oder Kawhi Leonard.

Alles in allem soll der Emporkömmling der alten Chicago Bulls zwangläufig der neue Kopf der Franchise werden - ob extern oder intern. Nur wenn es Jimmy Butler schafft, seine Transformation zum Anführer abzuschließen und den Bulls einen neuen Charakter zu schenken, kann den Bulls die Wandlung zu einem Team gelingen, das ohne Rose und die harte Hand von Tim Thibodeau auskommt.

Jimmy Butler im Steckbrief

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