Chris Webber und das vermaledeite Knie
Mit den jungen Hedo Türkoglu und Gerald Wallace sowie Sixth Man of the Year Bobby Jackson machte Sacramento da weiter, wo es aufgehört hatte und spielte sich in der folgenden Saison zu 59 Siegen. Die Hoffnung auf die Larry O'Brien Trophy loderte noch. Doch dann, auf einmal, ging das Feuer aus.
In Spiel 2 der Conference Semifinals gegen die Dallas Mavericks setzte Webber zum Sprint an - nur um Sekunden später mit schmerzverzerrtem Gesicht unter dem Korb liegen zu bleiben. Sein chronisch malades Knie hatte der Belastung nicht standgehalten. Von diesem Moment an war er nicht mehr derselbe. Und ohne ihn waren die Kings nicht mehr dieselben.
C-Webb verpasste nach der Operation fast ein ganzes Jahr, nach seiner Rückkehr fehlte es ihm an Agilität, Schnelligkeit und Vertrauen in seinen Körper. Den Schnitt von einst 13 Rebounds pro Spiel verfehlte er in den kommenden - zugegeben soliden - Jahren weit, auch fürs All-Star Team reichte es nicht mehr. Für die MVP-Diskussion schon lange nicht.
Die Wanderjahre
Nach dem Playoff-Aus gegen die Minnesota Timberwolves und dem direkten Duell gegen Garnett 2004 sahen auch die Verantwortlichen ein, dass die Ära Webber in Sacramento beendet war. Es folgte ein Trade, der ihn zu den Philadelphia 76ers brachte, zwei Jahre später zog er weiter nach Detroit, um schlussendlich den Kreis zu schließen und 2008 noch einmal bei den Warriors anzuheuern.
Das letzte Engagement sollte jedoch nur neun Spiele dauern, danach machte Webber Schluss. Das vermaledeite Knie und der Rücken ließen es einfach nicht mehr zu. Kein ruhmreicher, aber leider ein viel zu weit verbreiteter Abgang für Spieler seines Formats.
Chris Webber: Springfield oder nicht Springfield?
Bei der Frage nach Chris Webber scheiden sich die Geister. Hall of Fame: ja oder nein? Nach acht langen Jahren des Wartens beantworteten die HoF-Voter diese Frage 2021 endlich mit ja. Zuvor mochte bei manchem Jury-Mitglied die Verwicklung in den Handgeld-Skandal am College, für den Webber Jahre später verurteilt wurde, einen negativen Einfluss gehabt haben. Bei manchen nicht. Gleiches gilt für seine gelegentlichen Probleme abseits des Feldes.
Für den einen wiegt Webbers Verdienst für den Sport als Mitglied der Fab Five und Aushängeschild der magischen Kings-Ära höher als seine Tendenz, in den Playoffs und in der Crunchtime anderen die Bühne und lieber Bibby und Co. den möglichen Gamewinner zu überlassen. Eine kleine Scheibe von Kobes Aggressivität und Siegeswillen hätte er sich ruhig abschneiden dürfen. Nochmal zur Verdeutlichung: eine kleine Scheibe.
Schaut man auf die nackten Zahlen, gibt es kaum eine Abweichung zu Tim Duncan. 20,7 Punkte, 9,8 Rebounds, 4,2 Assists, 1,4 Blocks, 1,4 Steals. Als einer von vier Spielern stieß er neben Wilt Chamberlain, Elgin Baylor und Larry Bird in den elitären Club der Spieler mit 17.000 Punkten, 8.000 Rebounds und einem Player Efficiency Rating von über 20 vor.
Aber drei Unterschiede gibt es dann doch zu Timmy, einem First Ballot Hall of Famer ohne auch nur den leisesten Hauch eines Zweifels. Da wäre einmal die Defense, bei der sich C-Webb meist auf seine langen Arme und flinken Finger verließ, anstatt seine Beine und seinen Körper zu benutzen. Da wäre das Manko, noch ein wenig mehr Potenzial gehabt zu haben, das er nicht ausschöpfen konnte. Und da wären Duncans Ringe. Fünf an der Zahl. Webber blieb es trotz großer Karriere nicht vergönnt, sich eines der begehrten Schmuckstücke an den Finger zu stecken.
Vielseitigkeit im Ruhestand
Erinnerungen sammelt Webber dennoch - in Form von afro-amerikanischen Artefakten. Sein gesellschaftliches Engagement sucht seinesgleichen: Millionen Schulkinder werden durch die Chris Webber Foundation gefördert.
Neben einigen Cameo-Auftritten in Serien und Filmen versuchte sich C-Webb nicht nur als Musik-Produzent, sondern griff auch selbst zum Mikrofon. Der Titel seines einzigen Rap-Albums: 2 much drama.
Der Mensch hinter dem Grinsen
Vor der Kamera macht Webber eine gute Figur, sei es als Studio-Analyst oder als Color-Commentator. Sein Humor, seine Offenheit und sein unwiderstehliches Grinsen haben ihm eine Menge Sympathien beschert. Auch, wenn hinter dem einladenden Lächeln eigentlich eher ein schweigsamer Mensch steht.
"Ich war immer ein Einzelgänger, ein Eigenbrötler", so Webber mal im Interview mit GQ: "Normalerweise bin ich in jeder Gruppe der Stillste. Aber wenn die Kamera läuft, zeige ich eine andere Seite von mir. Auf dem Feld habe ich das demonstrativ rausgelassen. Freude, Wut, all meine Emotionen."
Die Fans lieben Chris Webber - eigentlich liebt die ganze Basketball-Welt Chris Webber. Und Chris Webber liebt die Basketball-Welt: "Wenn mir jemand vor meiner Karriere gesagt hätte, was ich alles durchmachen muss und ich auch noch meine Seele verkaufen müsste, um in der NBA zu spielen - ich hätte es trotzdem gemacht."