Es war die eine Chance. Eine Chance, die vielleicht nicht wieder kommen wird. LeBron James hatte sie in seinen Händen, dann auch noch mal Iman Shumpert. Beide scheiterten. Es ging in die Overtime - und dort nichts mehr für die Cavs. Der Heimvorteil bleibt in Oakland. "Ich war da, wo ich sein wollte. Ich habe den Stepback vorher getroffen. Es ist eine Make-or-Miss-Liga und wir hatten unsere Chancen", erklärte James anschließend.
Er war wirklich da und hätte sein Team beinahe zum Sieg getragen. Mit einer wieder einmal unmenschlichen Vorstellung und erneut mit wenig bis gar keiner Hilfe. 44 Punkte, 38 Würfe aus dem Feld. LeBron dominierte und doch ging der Plan der Warriors auf.
LeBrons One-Man-Show forciert
Sie wollten, dass er dominiert. Sie wollten, dass er es alleine macht. Sie wollten ihn von den anderen separieren, ihn aus der Zone fernhalten. Bei einem Ausnahmespieler wie James kann das gutgehen, muss es aber nicht. Es ging gut. LeBron nahm nur 4 Würfe direkt am Brett. Oft musste er sich die Punkte über Stepback-Jumper oder Floater erkämpfen.
"Er hat einige schwere Jumper, die gut verteidigt waren, gemacht und wir gestehen ihm diese vielen Würfe zu und lassen ihn 40 Punkte machen, weil wir das Gefühl haben, dass so viele Jungs von ihnen, die der Schlüssel zum Erfolg sein könnten, nicht ins Laufen kommen können", erklärte Center Andrew Bogut die Taktik der Dubs.
Storify Die Reaktionen von Spiel 1: "What a game!"
Und so konnte Warriors-Coach Steve Kerr mit seinen Teilzeitkräften, die er auf den Superstar ansetzte, durchaus zufrieden sein, auch wenn er sich anschließend glücklich schätzte, dass es überhaupt zur Overtime kam. "Ich dachte nicht einmal daran, dass wir in die Verlängerung gehen, weil ich dachte, dass Imans Wurf reingehen würde", gab Kerr zu. "Er war ein paar Inches zu kurz. Wir hatten Glück."
Mit Harrison Barnes, Draymond Green, Andre Iguodala und Klay Thompson stellte er gleich vier verschiedene Verteidiger gegen den Superstar. Gerade Iggy machte es richtig gut. Und sobald James sich in Richtung Korb aufmachte, war die Help Defense da.
Wie lange hält James das durch?
Einfache Punkte? Fehlanzeige. Kickout-Pässe wie gegen die Hawks? Wurden unterbunden. LeBron ließ Körner, die am Ende vielleicht fehlten. Immerhin riss er nach Nebenmann Tristan Thompson die zweitmeisten Minuten (46) ab. Wie lange geht das gut? Wieviel Kraft hat der Ausnahmeathlet noch in seinem Tank? Bereits gegen Atlanta wurde er zeitweise von Krämpfen geplagt.
Die fehlende Unterstützung ist nicht erst seit gestern ein großes Thema. Kyrie Irving gab ein richtig gutes Comeback, legte 23 Punkte hin und spielte vor allem eine überraschend gute Defense (4 Steals, 2 Blocks). Aber die neuerliche Knieverletzung setzt ein großes Fragezeichen hinter das weitere Mitwirken des Point Guards in der Serie.
Irving verließ die Arena auf Krücken. Am Freitag soll eine Kernspintomographie Aufschluss über die Schwere der Verletzung geben. Zumindest das Kreuzband und das Innenband wurden nicht in Mitleidenschaft gezogen.
"Es ist schwer mit anzusehen. Einfach, weil er in den letzten acht Tagen so hart gearbeitet hat, um wieder auf dieses Level zu kommen. Ihn dann auf Krücken aus dem Locker Room laufen zu sehen, ist ein harter Schlag für unser Team", zeigte sich James sichtlich betroffen.
Veteranen spielen keine Rolle
Es könnte gar der Knockout sein, wenn nach Kevin Love der zweite Star neben James auch sein Saisonaus verkünden müsste. Die Mini-Rotation aus 7,5 Spielern wird den Cavs das Genick brechen. "Ich habe das Gefühl, dass unsere Tiefe auf lange Sicht entscheidend sein wird", sagte auch Bogut.
Dabei wurde den Cavaliers diese Tiefe auch mal attestiert. Und es ist ja nicht so, dass auf Clevelands Bank nur noch Handtuchwedler sitzen würden. Mit Shawn Marion, Mike Miller, Kendrick Perkins oder auch Brendan Haywood mussten sich gleich vier gestandene Veteranen mit Finals-Erfahrung das Spektakel von außen anschauen. Vier Veteranen, die eigentlich genau für diese letzte Serie im Jahr verpflichtet wurden.
Sie genießen augenscheinlich nicht das Vertrauen von Coach David Blatt. Bis jetzt. Eigentlich können sich die Cavaliers nicht erlauben, die Rotation weiterhin so klein zu lassen. Sie brauchen Spieler, die neben LeBron punkten. Sie brauchen einen X-Faktor.
X-Faktor Speights
Die Warriors hatten diesen. Coach Kerr fand ihn ganz am Ende der Bank. Als seine Starter vor Nervosität wenig auf die Reihe bekamen, schickte er Marreese Speights aufs Feld - zum ersten Mal seit dem 9. Mai. Mit 6 schnellen Punkten hauchte er Golden State wieder Leben ein. Und auch Iguodala bewies mal wieder, dass er kein reines Defensivmonster ist.
Das war auch bitter nötig, denn die sonst so coolen Warriors ließen sich beeindrucken. "Ich starte normalerweise 75 Minuten vor dem Tip-Off mit meinem Pregame-Shooting. Ich bin raus und ihr ganzen Medien-Jungs wart schon da. Da waren bestimmt 150-200 Reporter mit ihren Kameras und diese blendenden Lichter. Das ist auf jeden Fall was anderes. Viel mehr Leute, viel mehr Aufmerksamkeit. Dafür spielt man", beschrieb Draymond Green die Szenerie vor dem Spiel.
Sie brauchten eine Zeit, um damit umzugehen. Es folgte eine Fahrkarte nach der anderen. "Das Tempo war so hoch. Wir waren so darauf bedacht, alles perfekt zu machen", sagte Shaun Livingston. Kein Warriors-Spieler stand zuvor in den Finals.
Nach 20 Minuten waren sie dann drin und Cleveland hatte die Chance, sich entscheidend abzusetzen. Die Chance, Spiel 1 zu entführen und die Nervosität der favorisierten Warriors anhalten zu lassen. "Wir kennen dieses Gefühl jetzt. Wenn wir zu Spiel 2 rausgehen, werden wir nicht ängstlich sein oder zittern. Wir wissen nun, was uns erwartet." Es war eben diese eine Chance.