Rob Hennigan ist jung. Für einen General Manager sogar sehr jung. Mit 32 Jahren ist er jünger als Phildadelphias Sam Hinkie, Ryan McDonough, General Manager der Suns, oder auch Masaj Ujiri, das Hirn hinter allen Moves der Raptors. Kollegen, die wie Hennigan einer neuen Generation an GMs angehören, die in den Medien bereits jetzt hohes Ansehen genießen.
Die Manager arbeiten mit komplizierten Statistiken, riesigen Mengen an Datensätzen und tiefen Analysen. Mit ihren Tabellen und Formeln wirken sie manchmal eher wie Nerds eines IT-Unternehmens und nicht wie Direktoren in der besten Basketballliga der Welt.
Analytische Entscheidungsfindung
Hennigan spricht in Interviews nicht von "Herz", "Wille" oder "Selbstvertrauen". Der GM bezeichnet sein Team gerne als "organisch", seine Entscheidungen trifft er "analytisch", der Aufbau der Magic geht "prozessbasiert" vonstatten. Prozessbasiert. Ein Wort, das beim ersten Hören praktisch ohne Bedeutung daherkommt. Es wirkt wie eine Worthülse.
Orlando beendete die vergangenen beiden Saisons mit einer kombinierten Bilanz von 43 Siegen bei 121 Niederlagen. Gerade mal ein Viertel ihrer Spiele konnten die Magic gewinnen. Nur zwei Teams der Eastern Conference wiesen vergangene Saison eine schlechtere Bilanz auf. Man dürfte deshalb eigentlich annehmen, dass es für die Franchise, die vor vier Jahren noch in den NBA Finals stand, nur noch bergauf gehen könne. Prozess hin oder her.
Backcourt verlässt Orlando
Doch Hennigan denkt anders. Am Draft-Day schickte der ehemalige Mitarbeiter der Spurs und Thunder in Arron Afflalo seinen wohl besten Spieler Richtung Denver. Im Gegenzug wechselte Evan Fournier nach Orlando. Ein Talent, das in seinen zwei NBA-Jahren nie mehr als 20 Minuten pro Spiel auf dem Feld gestanden hatte.
Kurz darauf verließ auch die zweite Hälfte des Starting Backcourts der Vorsaison das Team. Ein Jahr vor Ende seines Vertrags entließ Hennigan Jameer Nelson. Der Point Guard soll Platz machen für jüngere Spieler und den Magic Cap Space verschaffen. Er bringt dem Team Flexibilität. Ein weiteres von Hennigans Lieblingswörtern.
Flexibilität und Talent en masse
Orlando verfügt über so viel Flexibilität wie kaum ein anderes Team in der NBA. Die Magic liegen aktuell etwa zehn Millionen Dollar unter dem Salary Cap. Zwei der drei Spieler, die mit den höchsten Summen in den Gehaltsbüchern stehen, spielen überhaupt nicht mehr in Florida: Al Harrington und Glen Davis.
Darüber hinaus verfügen die Magic über zahlreiche interessante Assets. Victor Oladipo, Aaron Gordon, Nicola Vucevic, Tobias Harris, Elfrid Payton, Maurice Harkless, Andrew Nicholson, Evan Fournier und Kyle O'Quinn spielen aktuell alle noch für ihr Rookie-Gehalt. Mit Ausnahme von Nicholson haben zudem alle Spieler ihr 24. Lebensjahr noch nicht überschritten.
Talent ist in Orlando fraglos vorhanden. Ob dies allein allerdings bereits ausreicht, um den Fans endlich wieder etwas zu bieten, das sie mehr begeistern kann als Hassobjekt Nummer eins Dwight Howard einmal im Jahr auszubuhen, darf bezweifelt werden.
Fans träumen von Höherem
Die Anhänger geben sich, ähnlich wie beispielsweise in Philadelphia, geduldig, Hennigans prozessbasiertes Denken ist verinnerlicht worden. So wird der Kurs des Managements vom Großteil der Basis mitgetragen und Abgänge wie Afflalo wurden akzeptiert.
Dennoch lebt auch in Orlando die Hoffnung auf schnelleren Erfolg. Dem Kern aus Oladipo, Gordon und Payton traut man in der kommenden Saison einen weiteren Satz nach vorne zu. Dazu wurde mit Channing Frye ein erfahrener Veteran verpflichtet und auch die Konkurrenz in der Eastern Conference dürfte unter den Anhängern der Magic nicht für Angst und Schrecken sorgen.
So träumt so mancher Fan bereits in diesem Jahr von einer deutlichen Steigerung und womöglich sogar einer Teilnahme an der Postseason, auch wenn das Wort "Playoffs" bei Hennigan und Head Coach Jaques Vaughan ähnliche Reaktionen hervorrufen dürfte wie beim legendären Colts-Coach Jim Mora.
Superstar wird gesucht
So stellt der langfristige Vertrag für Frye bisher eine Ausnahme in der Personalplanung der Magic dar. Die Verpflichtung von Ben Gordon steht dagegen beispielhaft für die von Hennigan so sehr gewünschte Flexibilität. Mit 4,5 Millionen Dollar pro Jahr erhält der Shooting Guard in Orlando zwar wesentlich mehr Geld als er anderswo wohl bekommen hätte, ist somit aber auch ein interessantes Trade-Asset, dem zudem nach der ersten Saison bereits wieder gekündigt werden kann.
Und gerade das kann in Orlando noch wichtig werden, denn bei allem Talent, das die Magic besitzen, fehlt dem Team weiterhin ein Superstar. Victor Oladipo und Aaron Gordon gelten allein aufgrund ihrer Position im Draft zwar immer noch als Spieler mit enormem Potenzial, aber auch nicht wirklich als kommende Franchise Player.
Wenig Optionen 2015
Cap Space wird in Orlando 2015 genug vorhanden sein. Die Chancen, tatsächlich einen Kevin Love oder LaMarcus Aldridge nach Florida zu locken, dürften aber bereits jetzt nahezu gen Null tendieren. Auch die All-NBA-Spieler Marc Gasol und Al Jefferson passen nicht unbedingt ins Anforderungsprofil, da sie mit dem Ende ihres aktuellen Vertrags bereits 30 Jahre alt sein werden.
So bleibt der weitere Weg der Magic derzeit noch unklar. Nach dem Vorbild von New York und Houston hortet Hennigan Talent, um in einem möglichen Trade für einen Superstar zuschlagen zu können. Wann dies jedoch der Fall sein könnte, ist noch nicht absehbar. Bis dahin ist die Marschroute der Magic klar: Flexibel bleiben. Und prozessbasiert arbeiten.